In Österreich hat Kultur eine Tarnfunktion: Beschönigung des Status quo, Beschwichtigung der sozialen Spannungen. Kultur in Ö steht in den Diensten der Sozialpartnerschaft, deren Instrument die Subventionspolitik ist. Kultur in Ö ist vorauseilender Gehorsam, konfliktscheu dient sie der Errichtung einer Illusion der Realität im Sinne des sozialpartnerschaftlichen Konsensus, d.h. im Sinne der Mächtigen. Mit Hilfe der Subventionen steuert der Staat die Tarnfunktion der Kultur, fördert die Konsenskultur und lähmt dissidente Kunst. Haben Kultur und Kunst nur eine beschwichtigende Tarnfunktion, dann haben meine Gegner recht - bin ich kein Künstler.
Kultur in Ö dient der Verdrängung und Verharmlosung. Für diese neurotische Nation sind Realitäten und Konflikte nicht ertragbar. Geschichtliche Erfahrungen werden nicht verarbeitet, sondern verdrängt und vergessen. Angst vor Aufklärung, vom Anschluß bis zu Exminister Herrn A., herrscht in der 2. Republik. Weil keine Lösung der Konflikte möglich ist, außer durch den Tod, wird der Tod (aus Schwäche) ersehnt und besungen. Vom Secessionismus über den Heurigen bis zum Dialektrock schwärmt uns ein jämmerliches pueriles Pathos der Todessucht entgegen - Nekro-philie aus Verdrängung, Vergewaltigte einer unbewältigten Gegenwart. Vergangenheit und Zukunft, die Gewalt nur weiterleiten. Die Kunst in Ö dient dieser Gewalt, indem sie Tod und Vergessen verklärt. So wird die Kunst selbst zu einer Form der Gewalt und Unterdrückung.
"Glücklich ist, wer vergißt": was will Ö vergessen? Metternich, die Verbrechen im Vielvölkerstaat, den Untergang der Monarchie, Hitler, Österreichs großen Sohn? "Ich sterbe - alle sollen sterben, denn der Tod ist schön": aus dem eigenen Untergang wird der Befehl zum Untergang aller, aus Wehleidigkeit und Todesseligkeit werden die Diktatur der Lebensvereinigung. Heurigensentimentalität und Lust-am-Untergangs-Kunst schlagen um in nackte Gewalt. Eine untergehende Klasse, Gesellschaft, Nation wünscht sich wieder einmal den Untergang aller. Doch der Untergang einer Weltanschauung bedeutet nicht den Untergang der Welt. Moral ist immer die Moral einer absterbenden Gesellschaft. Das Opfer der Apokalypse macht sich selbst zum apokalyptischen Reiter und bringt Tod und Verderben. Nekrophilie hat in sich den Keim der Gewalt und des Totalitärismus. Der Diktator ist der personifizierte Ausdruck der Todessucht.
Kunst, die auf Atavismen, tiefe Gefühlsschichten, unmittelbare sinnliche Reize zurückgreift, ist als Reaktion auf die Technologie verständlich. Wird die Kunst aber dadurch, daß sie eine Insel der Erinnerung, der Rudimente vergangener Daseinsformen bleibt, nicht selbst eine einseitige, eindimensionale rückschrittliche und nach hintenblickende Gegenwelt? Stellen Sie sich selbst nicht dadurch außerhalb der Zeit, anulliert damit Ihre utopische Funktion, Ihre Provokation in und an der Zeit? Reduziert sich auf Entertainment, Sinneskitzel.
Ritual ist der Kitsch von morgen.