Ein erster Ausgangspunkt ist die Apokalypse des Johannes. Ein faszinierendes Thema, das uns sofort - kaum daß wir begonnen hatten, damit zu arbeiten - schwer und gefährlich erschienen ist, dadurch aber umso interessanter zu verfolgen war. Daraus wurde "Angeli di Luce" montiert, ein Schauspiel, das einer langen und vieldiskutierten Arbeit an "Eneide" folgen sollte, die heute schon als ein kleiner Klassiker des italienischen experimentellen Theaters betrachtet wird.
Mit "Angeli di Luce" wollten wir also vorwärtskommen. Es galt, eine Reihe von Problemen zu lösen, neue Auswahl zu treffen, getroffene Wahl zu konkretisieren.
Jedenfalls schien das Thema der Apokalypse am geeignetsten, den von uns seit Jahren verfolgten Inszenierungsstil weiter zu verfolgen. Nach der "Äneis" ging es nicht darum, einen festgelegten, erzählenden Text zu finden, sondern ein wichtiges Thema festzulegen, mit dessen Hilfe eine Inszenierung der Atmosphäre, der Gefühle möglich werden sollte, die alle durch eine "elektronische" Technik in Inszenierung wie in der Darstellung ausgedruckt werden sollten.
Das Buch der Apokalypse, mehr als Enthüllung/Offenbarung betrachtet denn als erzählerisches Faktum, hat unausbleiblich den Rückgriff auf eine theoretische Untersuchung gefordert, die im Zeitgenössischen die notwendigen Bezüge findet, um jenen "Zustand" zu verstehen, in dessen Inhalt ein so komplexes Thema am besten verarbeitet werden kann. In diesem Sinne haben die theoretischen und literarischen Bezüge, von Henry Michaux' halluzinatorischen Zuständen bis zur prophetisierenden Schreibweise eines Peter Handke, von den Befragungen Edmond Jabes' bis hin zun "Angelus Novus" von Benjamin viel dazu beigetragen, den Ablauf des Schauspiels vorzuzeichnen.
"Angeli di Luce" erwacht zum Leben in einer Umweltatmosphäre, die das unterirdische, Versteck von Menschen ohne Zeit sein könnte, aber ebenso gut auch ein absoluter Raum, in dem die Dimensionen nur mit Hilfe von Lichtblitzen erkennbar werden - in Bruchstücken von Körpern und Objekten. Zwei Hände, die sich im Schlamm bewegen in jenem Augenblick da sich das Menschliche von der Urmaterie löst. Ein Buch als die Darstellung der Erkenntnis ein Mund, der Papier verschlingt - zur Pein und gleichzeitig als Ekstase des Buches das Anfang und Ende umschließt. Alles Fragmente, die im beschränkten Umfeld eines halluzinatorischen Zustandes existieren, wo ein Traum beginnen kann, doch ebenso die Realität.
Eine ganz offensichtlich abstrakte Einführung, durch die man langsam in die Reise der "Angeli di Luce" eingeführt wird.
Die fragmentarische Uratmosphäre scheint sich langsam zu jenem Dunkel verdichten zu wollen, in dem man nicht mit den Augen, wohl aber mit dem Geist sieht. Zu jenem Dunkel, das sich beeilt, Licht zu werden, gleitendes Licht. Ein verschrecktes Wesen, gegen einen Rolladen gedrückt, erzeugt ein störendes Geräusch, echt, als ob eine Stadt erwachen wollte.
Der Mensch betrachtet die Realität mit Angst, und - als würde er vom Schutt zurückgedrängt öffnet er die metallische Barriere und tritt in die Unendlichkeit des Traumes ein. Der Raum wird erkennbar im Augenblick seiner Entstehung. Die Lichtgeometrien enthüllen wie in einem schnellen Prozeß einer Metamorphose den Stein. Drei Felsen von magischer Farbe öffnen sich zu einem Buch, um das Licht freizulassen und um wiederum unendlicher Raum zu werden, in dem die Form sich entwickeln, sich strukturieren und erfahren werden kann. Vom Gold der Alchemisten bis zu den unendlichen Konstellationen, alles zerteilt sich, um sich darzustellen, keine Form ist ausdauernd, alles geschieht als Funktion eines kontinuierlichen Prozesses ohne Ende. Der Mensch bewegt sich im Raum als wehrlose Masse, dann als Multiplikation seiner selbst, dann wieder als Personifikation einer "Monstrosität".
Ebenso wie die bisher als Bild dargestellten Formen bleibt auch der flächige Raum nicht erhalten, er zerbröckelt, um eine weitere Tiefe zu entdecken, um die Richtungen zu vervielfachen.
Aus einer konfusen Geometrie erreichen die Körper langsam ein organischeres Stadium, verständlich als Form, nicht jedoch als Subjekt. Sie tanzen, einer pulsierenden Sonne zugewendet. Einer Sonne, die Leben schafft und zum Realen führt, zu einem konfusen Realen, in dem die Kommunikation unsicher ist, wo vom Vergangenen erzählt wird wie in einem Zustand eines tiefen halluzinatorischen Abgrundes. Hier intensiviert sich die Reise zum Licht; und die Menschen, getragen von einer außergewöhnlichen Magie, beginnen das Licht zu verzehren, die Offenbarung: " ... und ich nahm das Büchlein aus der Hand des Engels und verschlang es. In meinem Munde war es süß wie Honig, doch als ich es verschluckt hatte, ward mein Bauch ganz bitter." Der Laser, als die perfekte Synthese des Lichts, als Schriftzeichen, als Wort-, als Linie, die von der Erde ausgeht und sich in der Unendlichkeit verliert. Das Licht, als mikroskopisches Energiepartikel transportiert, um selbst mögliche Ausdrucksform zu werden. Eine neue Energie fließt in die Körper, die in einen Zustand katapultiert werden, in dem sich die "Perspektive" zu materialisieren scheint. In ein unaufhörliches Verschwinden und Wiederentstehen des Raumes. Dort, wo die Konzepte von Dimension und Dauer bedeutungslos werden. In einen unentzifferbaren Raum, eine unentzifferbare Zeit, in denen etwas Außergewöhnliches geschehen kann, was auch immer es sei.
Giancarlo Cauteruccio