Brock bezieht Position gegen eine Kulturkritik, die einer Verdummung der Bevölkerung durch Medien das Wort redet. Eher führe die Medienexpansion zu einer Sensibilierung der Bevölkerung, das Primat des Wortes würde durch die Medienästhetik gebrochen, da diese einem Reflektieren in Bildern Vorrang gibt ... Entscheidend sei vorallem, inwieweit Menschen lernen mit diesen neuen "Wirklichkeiten" bzw. mit neuen Kulturtechniken umzugehen.
In der öffentlichen Diskussion wie in den Fachöffentlichkeiten kursieren Begriffe als kritische Größen, deren Verwendungshäufigkeit fast durchwegs als Bestätigung ihrer Aussagekraft gewertet wird. Zu diesen Begriffen gehören etwa folgende: das Medium ist die Botschaft-, elektronische Totalsimulation- Fernsehanalphabetismus. Jüngst baute die Kulturkritik diese Schlagworte zu einem systematischen Konstrukt unter dem Namen "Wir amüsieren uns zu Tode" aus.
Bemerkenswert ist, daß zumindest in der Bundesrepublik gerade diejenigen gesellschaftlichen Kräfte solche Kulturkritik verbreiten, die zugleich behaupten, daß nur eine entscheidende Erweiterung des Medienmarktes die freie Entfaltung der Bürger garantierten. Läßt sich auf diesen Widerspruch anders als mit den bekannten Retourkutschen antworten, daß die Alphabeten zwar auch die Glotze schimpfen, dennoch aber allabendlich vor ihr hocken?
1. These: Zu keiner historisch identifizierbaren Zeit ist die Sensibilisierung der breiten Bevölkerung für die Problematik der technischen Evolution, der Umweltzerstörung, von sozialen Konflikten, der Rüstungsspirale, der apparativen Medizin größer gewesen als heute. McLuhan selbst, der die Formel "das Medium ist die Botschaft" entwickelte, hat den Zusammenhang von Sensibilisierung der Bevölkerung und Medienexpansion an vielen Beispielen (u.a. am Widerstand gegen den Vietnamkrieg) dargestellt. Auf keinen Fall führt der beschworene Analphabetismus des Fernsehkonsumenten heute zu gröBeren Dummheiten, als sie der hochgerühmte Alphabetismus klassisch gebildeter und erzogener Mitteleuropäer zu Anfang unseres Jahrhunderts produzierte. Was etwa die Bildungseliten Westeuropas zu Beginn und während des 1. Weltkrieges an Aussagen über Gott und die Welt produzierten, durchschaut selbst der durchschnittliche Fernsehkonsument als unerklärlichen Schwachsinn. Der Vorwurf des Fernsehanalphabetismus geht über die Tatsachen hinweg, daß die Kulturtechniken im elektronischen Zeitalter andere sind und andere sein müssen als zum Zeitalter der Buchkultur. Diese neuen Kulturtechniken sind durch den Wandel von Wahrnehmungs- und Aneignungsformen notwendig.