Unter den zwei Begriffen Fiktion und Simulation wird zwischen hergebrachten Künsten und technischen Medien ein Unterschied statuiert, der die Rede von elektronischer "Kunst" fraglich machen soll. Während Künste (in der Terminologie Jacques Lacans) Operationen im Symbolischen gewesen sind, die bestenfalls auf psychologischer Ebene noch imaginäre Effekte zeitigen konnten, setzen technische Medien symbolische Prozeduren erstmals auf der Ebene ein, wo es um das Reale und seine Unvorhersehbarkeit geht. Darin ist die Simulation der Fiktion überlegen ...
Aber eben damit beschwört die ars electronica ein anderes Mißverständnis heraus: die Annahme, Schönheit aus Laserkanonen oder Sound Samplers sei noch immer Kunst, wie Europa sie seit griechisch-römischen Tagen kennt und feiert. Sicher, Medienkonsumenten können den Output von Medien weiterhin mit Kunst verwechseln, aber nur, weil bei technischen Geräten Design und Schrauben dafür sorgen, daß sie black boxes bleiben. Ihre Deckelhauben sind, schon laut Beschriftung, nur vom Fachmann zu öffnen. Was darunter abläuft, in den Schaltkreisen selber, ist keine Kunst, sondern ihr Ende in einer Datenverarbeitung, die von den Menschen Abschied nimmt.
Denn wenn Kultur der Sache nach die Summe der Operationen oder Handgreiflichkeiten umfaßt, die die Codes von Alltagssprachen einer bestimmten Tiergattung untereinander und gegenüber ihrer Umwelt erlaubt haben, dann geht die Datenverarbeitung über solche Eingrenzungen immer schon hinaus. Sie operiert auf der Basis nicht von Sprachen, sondern von Algorithmen und zeitigt deshalb Effekte, die keine Rede - auch meine nicht - zureichend beschreiben kann.
Um dennoch etwas zu sagen, versuche ich, das Neue an der technischen Datenverarbeitung durch ihre Abgrenzung von hergebrachten Künsten zu umschreiben. Diese Abgrenzung ist heikel und begriffsbedürftig. Denn daß die technische Datenverarbeitung keine Kunst ist, heißt ja nicht umgekehrt, daß die Künste keine Techniken gewesen wären. Alle Vernebelungstaktiken einer wohlbekannten Geisteswissenschaft haben nicht daran rütteln können, daß die Künste seit ihrer griechischen Definition Techniken sind und heissen. Bei ihrer Abgrenzung zur Datenverarbeitung geht es also beileibe nicht um Unterschiede, die eine sogenannte Kreativität oder einen sogenannten Menschen über alles Maschinenwesen erheben wurden. Die Frage lautet gerade umgekehrt, welche Techniken historisch und ästhetisch an der Stelle gestanden haben, die heute durch Elektronik besetzt wird.