In dem Text MAELSTROMSÜDPOL verarbeitet Heiner Müller Motive aus dem "Umständlichen Bericht des Arthur Gordon Pym zu Nantucket" von Edgar Allen Poe. Die tatsächlich weitschweifigen Tagebucheintragungen, von Poe zur Untermauerung einer vorgeblichen Authentizität dieser fiktiven Erlebnise eingesetzt, werden hier radikal entschlackt, Müller kommt ausschließlich zur Sache: was bleibt, sind die letzten Eindrücke, in der Anziehungskraft des Südpols.
Bei der akustischen Inszenierung dieser knappen Seite Text reizte mich - im Gegensatz zu meinen anderen Hörstückcn nicht die mehr oder weniger kunstvolle Verknüpfung, sondern die Entzerrung von Musik und Sprache, im Verhältnis Erlebnis / Beschreibung. Den SOG, von dem Arthur Gordon Pym in den antarktischcn Katarakt gezogen wird, fest im Blick, konzentrierte ich mich auch zum erstenmal auf die Arbeit mit einer Stimme (die David Bennents). Es ist der gleiche Sog, der als zentrales Motiv bei Poe in der anderen von Heiner Müller im Titel zitierten Erzählung "Der Sturz in den Maelstrom" die Fischer in den Strudel der Lofoten treibt. Dadurch wieder auf diese Erzählung aufmerksam geworden, versuche ich in dem Konzert "LOOKING UPON THE WIDE WASTE OF LIQUID EBONY" eher eine musikalisch/szenische Analyse der Erzählstrategie und Textstruktur. Das trennt und ergänzt die beiden Aufführungen.
Die bei der Uraufführung von MAELSTROMSÜDPOL zur documenta 8 im verganenen Jahr komponierte und (in aller Eile) ausschließlich von mir selbst eingespielte Musik habe ich jetzt für die Aufführungen in Linz und Berlin mit der Beteiligung von Rene Lussier, Peter Brötzmann und Peter Hollinger mehr als rekonstruiert und völlig neu aufgenommen.
Heiner Müller
Text für MAELSTROMSÜDPOL
Die Insel des großen Blutbades ihre Bewohner ihre Sitten hat es noch Zweck sie mitzuteilen TEKELILI TEKELILI (that corpse you planted last year in your garden has it begun to sprout will it bloom this vear) die südliche Nebelwand heute höher verliert die graue Fäbung das Wasser unheimlich war auch sieht es bedeutend milchiger aus heftige Oberflächenbewegung in der Nähe des Bootes begleitet wie gewöhnlich von einem wilden Flackern am oberen Nebelrand ein weißer Staub fällt auf das Boot auf das Wasser aschenartig keine Asche der Nebel wird ruhig das Wasser glatt wir fragen NUNU warum das Blutbad er zeigt seine Zähne sie sind schwarz TSALAL ein weißes Tier schwimmt vorbei das Wasser so heiß daß die Hand brennt der aschenartige Staub fällt ohne Pause die Nebelwand nimmt andere Formen an ein Katarakt der schweigend von einem riesigen Wehr am fernen Himmel stürzt ein weißer Vorhang der den Horizont kein Laut plötzlich Dunkelheit gleichzeitig aus der milchigen Tiefe ein Leuchten der Aschenregen keine Asche der uns begraben will OH KEEP THE DOG FAR HENCE THAT'S FRIEND TO MEN OR WITH HIS NAILS HE'LL DIG IT UP AGAIN wir treiben mit zunehmender Geschwindigkeit auf die Nebelwand zu manchmal reißt die Nebelwand und wir blicken in einen Wirbel aus flackernden Bildern wie Fetzen von Fotografien im Feuer ihre Gegenstände nicht mehr auszumachen lautlose Stürme wehen aus dem Riß über das glühende Wasser zwingen seinen Fluß in ihre Richtung große weiße Vögel gegen den Sturm TEKELILI TEKELILI ihren Schrei haben wir auf der Insel gehört sie selber nicht gesehen waren sie kleiner vor dem Blutbad der Wilde zuckt im Takt ihres Flügelschlags auf den Boden des Bootes als wir ihn berühren ist er tot seine Haut eisig die Zähne weiß wir schneiden in seine Haut kein Blut mehr nach dem zweiten Schnitt geht sein Leichnam ohne sichtbaren Übergang in dem Nebel auf der jetzt nach unserem Boot greift THAT CORPS wir gleiten in dem Katarakt ein breiter Durchgang tut sich auf wie zum Empfang hinter und schließt sich der schäumende Nebel übermenschengroß eine Gestalt auf unserer Bahn THAT CORPS YOU PLANTED ihre Haut ist weiß wie Schnee etwas greift in mein Gehirn OH KEEP THE DOG