Die Anordnung der auf dem Bildschirm erscheinenden Bücher ist niemals dieselbe, ebensowenig die Art und Weise, in der sich der Benutzer durch die verschiedenen Gebiete der Bibliothek hindurchbewegt.
Das Buch ist bisher das radikalste Interface für den Entwurf virtueller Welten. Alle anderen Maschinen, an die sich der Mensch derzeit anschließen kann, spiegeln hauptsächlich ihre eigene Funktionalität zurück oder lassen den gelangweilten Geist in raffinierte Rückkopplungsschleifen eintreten: Brainmachines. Sie erscheinen als blasse Abbilder eines phantasmagorischen Lesens.
Auf der Oberfläche der imaginären Bibliothek sind einige ausgewählte Exemplare besonders ungewöhnlicher, abwegiger Bücher, die in der herkömmlichen linearen papierenen Buchform nicht lesbar waren, als hypertextuelles Programm realisiert.
Trotz zahlreicher Hilfen, Reiseerleichterungen und Führungen durch das Labyrinth der Bibliothek, wird der Benutzer, den wir den Reisenden nennen möchten, ohne ein Minimum an Phantasie, Leselust oder Expeditionsdrang nicht weit kommen.
Lesen und Denken kann sich in diesem mehrdimensionalen Raum der imaginären Bibliothek in verschiedene Richtungen entfalten: Von jeder Stelle der verzweigten Bibliothek kann man in die unteren oder oberen Stockwerke gelangen, sich horizontal oder vertikal fortbewegen. In Verlauf dieses gezielten Umherschweifens ist ein Verirren des Lesers nicht ausgeschlossen, teilweise sogar erwünscht.
Die imaginäre Bibliothek ist kein Fundus katalogisierter Bücher. Sie bietet dem reisenden Leser eine Topographie interessanter Lesepfade, unterstützt ihn bei waghalsigen Exkursionen, kartographiert die erbeuteten Fundstücke. Ermattete Reisende werden animiert, durch Interviews und poetische Sprachspiele unterhalten.
Über eine spezielle Leitung ist eine Interaktion mit den "Agenten" der Bücher möglich: Ein imaginäres Erinnerungstheater, in dem die Reisenden mit antiken und modernen Autoren kommunizieren. Dieser wechselseitige Dialog gewinnt die Qualität einer mündlichen Rede.
Die Autoren der Bücher sind dabei weniger als Autoritäten oder Markenzeichen wichtig. Sie sind vielmehr als Etiketten vorzustellen, als geschriebene oder gedruckte Zettel, die an bestimmte Aussagen und Sätze geheftet sind. Mit dem Eintritt in die imaginäre Bibliothek wird der Bereich des geschützten Copyrights verlassen.
Die imaginäre Bibliothek präsentiert sich als virtuelle Lesemaschine, die - wenn sie nicht in einen Dialog mit dem Leser verwickelt ist - in ein kombinatorisches Dauerreden verfällt.