Inwieweit läßt eine Gesellschaft ihre Technologie frei 
    entwickeln,
    wie reagiert sie auf die Möglichkeiten und Potentiale,
    die ihr der "Cyberspace" eröffnen könnte?
    
    Sterling rechnet mit zwei rivalisierenden Lagern in der Zukunft -
    einem technophil-utopischen und einem kapitalistisch-pragmatischen,
    deren Philosophien sich mit "schnell billig und außer Kontrolle"
    auf der einen Seite und mit "Flächenwidmungsplan
    für hyperreale Grundflächen" umschreiben lassen.

        Bruce Sterling

        DIE ZUKUNFT DES CYBERSPACE - WILDES GRENZLAND GEGEN HYPERREALEN GRUNDBESITZ

        "Cyberspace" ist heute ohnehin ein nebuloses Konzept, und wird durch die verschiedenen Versuche, Copyright-Ansprüche oder Musterschutz für den Terminus zu erreichen, noch weiter verwirrt."Cyberspace" im allerweitesten Sinne ist ein recht brauchbarer Begriff, um ein technisches Grenzland zu kennzeichnen, die gerade verscherbelt wird - wobei der Begriff "Grenzland" auch wieder definiert werden müBte. Cyberspace ist sicherlich kein unerforschter natürlicher Raum, sondern ein höchst unnatürlicher Raum, ausgekocht im Nichts: Ein gigantisches Ödland aus Spiegeln, die die innere Mentalität der Pioniere reflektieren.
        In dem Maße, in dem der "Cyberspace" besiedelt und entwickelt wird, werden die erfolgreichen Gebiete in seinem inneren den Status der Standard-Medien erhalten. Folgt man den wachsenden Gruppen von Population, Geld und Macht, so kann man sich eine "Wissenschaftliche Visualisierung" als frühes und fruchtbares Gebiet vorstellen, begleitet vielleicht von dreidimensionalem computergestütztem Design, Spielen mit künstlicher Realität, die verschiedenen Unterprovinzen der Telepräsenz, der 3-D-Hypermedien und der Groupware.

        Das heißt: Man kann solche Entwicklungen vorhersagen, wenn man das rein technische Potential im Medium "Cyberspace" untersucht. Anzunehmen, daß Cyberspace aber sein grundsätzliches technisches Potential ausnutzen wird, ist naiv. Es liegt nicht in der Natur einer kapitalistischen Gesellschaft, ihre Medien zu endgültigen Formen zu führen; sie werden vielmehr zu Profitzwecken optimiert, während Versuche zu revolutionären Durchbrüchen zurückgehalten oder abgewendet werden. Wie Marvin Minsky einst so weise sagte:"Stellen Sie sich vor, das Fernsehen wäre wirklich gut. Es wäre das Ende von allem, was wir wissen." Auch ein funktionierender Gibson'scher Cyberspace würde das Ende von allem bedeuten, was wir wissen. Versuche, das zu beenden, waren nicht selten - und es fallen einem Kambodscha und der Iran ein - sind noch selten gut ausgegangen. Die Zukunft des Cyberspace liegt heute in den Händen zweier rivalisierender Lager, die man grob als das technophil / utopische und das kapitalistisch / pragmatische umschreiben kann. Ihre Philosophen ließen sich jeweils zusammenfassen als "Schnell billig und außer Kontrolle" beziehungsweise "Flächenwidmungsplan für hyperreale Grundflächen". Um nun schon bei der Grenzland-Metapher zu bleiben, die Utopier könnten als Holzfäller, Bergfexe und Fallensteller - oder als glücklose Eingeborenenstämme betrachtet werden. Das rivalisierende Lager, das sich selbst als "Die Zivilisation" betrachtet, hat formelle Wegerechte, die Legislative, die Armee und die Eisenbahnen.