J: Du machst seit 1974 Performances, seit 1987 nennst Du Deine Stücke "Demontagen". Was dementierst Du eigentlich in Deinen "Demontagen"? Wenn jemand etwas demontiert, bedeutet dies ja nicht unbedingt, daß dieser Akt mit Aggressivität verbunden ist. Aber bei Deinen "Demontagen" ist das destruktive Element deutlich vorhanden.
F: Es gibt ein paar Momente, die ich für wichtig halte, das
sind a) inhaltliche und
b) formale. Inhaltlich geht es nie um das, was sichtbar ist oder visuell
demontiert
wird, sondern um das, wofür es steht, also eine Metapher, die als
Transportmittel auf Dahinterliegendes verweist.
Dann zur formalen Struktur: in allen meinen Demontagen arbeite ich mit
Polarität. Oper, klassisches Lied oder klassischer Tanz sind
Metaphern
einer akademisch konservativen, restaurativen Haltung, so würde
ich's mal
sagen. Und dem setze ich eine zeitgemäße Haltung eines
heutigen
Kunstwerkes entgegen. Ich bin der Meinung, daß in der heutigen
Zeit,
die wesentlich durch Reizüberflutung geprägt ist, es ganz
wichtig ist,
Selektieren zu lernen, also Entscheidungen - qualitative Entscheidungen
- zu
treffen, welche Reize man aufnimmt und mit welchen man umgeht.
Ich habe die Erfahrung gemacht, daß ein starker Reiz - und das
ist das
Element, mit dem ich sehr viel arbeite -, das provokative Element, als
Mittel
eingesetzt, greift. Provokation der Provokation wegen interessiert mich
nicht.
Wenn aber eine Provokation etwas auszulösen imstande ist, ein
Schock
etwas auszulösen imstande ist, ein bestehendes Weltbild
erschüttert, ein
Bewußtsein ins Rollen bringt oder Irritation hervorruft, dann habe
ich schon
einen Ansatz oder einen Eingang zu jemandem gefunden. Das ist der erste
Schritt, etwas zu veränd ern, und insofern ist Destruktion ein sehr
konstruktives
Moment.
J: Du bist zwar von Geburt aus Österreicher, aber trotzdem weniger dem Umkreis der Wiener Aktionisten zuzuordnen, weil bei den Wiener Aktionisten, z. B. Hermann Nitsch, der psychologische Aspekt im Vordergrund steht, während Du in Deinen Aktionen eine coolere, soziologischere Herangehensweise bevorzugst.
F: Das ist richtig. Ich würde mich eher, den Begriff unter Anführungszeichen, als "Verhaltensforscher" in der Kunst bezeichnen, der nicht nur soziologische, sondern auch andere Phänomene zum Gegenstand seiner Untersuchungen macht. Die Untersuchungen, die ich mache, zielen letztendlich ja nicht auf einen gehobenen Zeigefinger, sondern mich interessiert vielmehr, die Gleichzeitigkeit von Dingen aufzuzeigen oder mit ihnen umzugehen, also daß es auf der einen Seite Krieg und Folter gibt, und auf der anderen Seite ein wunderbares Geburtstagsfest gleichzeitig stattfinden kann. Und beide haben direkt nichts miteinander zu tun, aber im großen Kontext sehr wohl, weil der Kreislauf von Leben und Tod ein geschlossener ist. Und so ähnlich würde ich das Kunstsystem auch sehen, inwieweit kann Kunst heute noch gesellschaftlich greifen oder inwieweit ist sie nur mehr eine isolierte Sackgasse, wo man rein- aber nicht mehr zurückfahren kann, weil sie sich von der Gesellschaft abkoppelt und kein Feedback mehr hat.
J: Kannst du kurz Deine Arbeit in Linz beschreiben. Ist sie auch eine Demontage?
F: Ja, das ist die "Demontage XI", die als letzte Arbeit der heurigen Ars Electronica vorgestellt wird. Dort gehe ich wieder ganz konkret auf den Kontext ein. Es ist eine Demontage, die strukturell wie die anderen aufgebaut ist, die Opernsängerin spielt wieder eine ihr zugebrachte Rolle. Das Stück findet im Konzertsaal des Brucknerhauses statt, der akustisch einer der besten Räume der Welt ist und ein paar tausend Leute faßt. Der ganze Saal wird durch eine riesengroße Orgel bestimmt, also wird sie auch in die Arbeit integriert, mit der Opernsängerin gekoppelt. Willst du es jetzt genauer wissen? Es ist die Frage, ob ich es genau beschreibe oder sozusagen umschreibe.
J: Umschreibe es.
F: Der Kontext ist einerseits der konkrete Raum und andererseits natürlich auch das Festival, das sich mit Elektronik beschäftigt, die mittlerweile Geschichte hat, und auch das wird in meinem Stück eine Rolle spielen. Wobei ich konkret auf das eingehe, worüber Elektronik oder bildnerische Medien transportiert werden, und das ist eben der Bildschirm oder Fernsehschirm oder Computerschirm. Mit diesen Dingen werde ich umgehen, und der menschliche Körper wird ebenso wieder eine Rolle spielen.....