IMmediaCY besteht aus drei augenscheinlich von einander unabhängigen Geschichten:
1. Die Benutzeroberfläche/Operator Surface (OS) ist der Gastgeber der Show, der mit dem Publikum "einen Rundgang" durch den imaginären Computer unternimmt. Seine Aufgabe als "Willkommensprogramm" besteht in der Befriedigung der Publikumserwartungen. Er ist eine zweideutige Person, die vorgibt ein Piano, ein Beichtstuhl, eine scharfe Bombe zu sein. Er weiß einiges über das Publikum und provoziert es. Als Anwalt der IMmediaCY-Welt möchte er dem Publikum behilflich sein, damit es alles in Armreichweite, an den Fingerspitzen, auf der Zungenspitze hat. Seine Zelebrierung der Technologie wird am Ende durch das Paradoxon des Vermittlers beeinträchtigt: er, der die Dinge zusammenbringt, verhindert auch ihre Vereinigung.
2. Die kritische Beziehung zwischen zwei realen historischen
Charakteren:
Giulio Camillo Delminio war ein berühmter Venezianer des 16.
Jhdts., der das "Speichertheater" erfand. Seine vitruvianische
Struktur wurde für die Speicherung und den sofortigen Abruf von
Ikonen und Texten in hermetischer und kabbalistischer Tradition
adoptiert. Das Speichertheater als Computer- und
Cyberspace-Vorläufer macht Camillo zu einem frühen Verfechter
des "externalisierten Bewußtseins". In IMmediaCY
enthüllt Camillo das Geheimnis seines Speichertheaters und
demonstriert das Verfahren am Beispiel lokaler Ikonen und
Grenzzeichen.
Mnemonist S_ war eine Russin aus dem frühen 20. Jhdt., deren perfektes Gedächtnis einige Jahrzehnte später von A.R.Luria untersucht wurde. Die berühmte Fallstudie führte zur Revidierung einiger Annahmen über das menschliche Erinnerungsvermögen. In IMmediaCY ist Mnemonist S_ eine Zirkustänzerin, die sich, indem sie verschiedene Körperstellungen einnimmt, "erinnert". Ihr außergewöhnliches Gedächtnis ist zugleich ihr Fluch. Ein Zusammentreffen mit Camillo würde ihrem Schicksal eine weitere Wendung hinzufügen.
3. Der Zulu-Mythos vom Chamäleon und der Eidechse, der die Sterblichkeit erklärt. Der Tode als die endgültige Form des Vergessens, das zwangsweise Verschwinden von allem, das sich rasch verändert, das kalte Blut der Unsterblichkeit, das sind einige der Themen, die dieser Mythos beschwört.
FORMALE ASPEKTE
IMmediaCY ist ein Musiktheaterstück. Der Soundtrack offenbart einen eklektrischen Ansatz zur Echtzeitverarbeitung, extensives Sampling und eine breite Palette an Digital- und Analoginstrumenten. Das Repertoire schwankt zwischen experimentellen Improvisationsmusik und populären Stilrichtungen, wodurch die meisten musikalischen Geschmäcker befriedigt und frustriert zugleich werden. Zum Formalen bemerkt Steve Gibson: "IMmediaCY ist eine zweideutige Struktur, die widersprüchliche Rekonstruktions- und Rekonstruktionsprozesse zur gleichen Zeit aufweist, und sei es nur mittels einer vollkommenen Umkehrung dessen, was im Vordergrund ist."Was geschieht, wenn Hip Hop neben Monteverdi angesiedelt ist?
Das Bühnenbild besteht aus rückwärtig projizierter 2 &
3D Computeranimation, Video und Kameras auf Akteure und Publikum. Live
Visualisierung, Transformation und Verzerrung tragen zur visuellen
(Un)Ordnung bei.
Ein innovativer Aspekt an IMmediaCY ist eine von uns als
"Ansteckmodul" bezeichnete Bühnenvorrichtung. Es handelt
sich dabei um leere Segmente innerhalb von Erzählstrang und
Showdesign, die mittels variabler Ressourcen "ausgefüllt"
werden. Beispiele für solche Steckanschlüsse sind:
"Werbefilme", die Portraitansichten maßgeblicher Künstler und Wissenschaftler zeigen.
Verarbeitete Bilder des Publikums, die als Bestandteil der Erzählung verwendet werden.
"Unsaubere" Statistiken aus der Gastgeberstadt.