Voggenhuber meint, daß die Faszination der Gentechnik, im Wunsch begründet ist, Lebewesen ganz nach eigenen Vorstellungen zu kreieren. Die Praxis könne jedoch mit der Theorie nicht mithalten. Gentechniker würden häufig außerachtlassen, daß die Erde ein kompliziertes Öko-System ist und somit die langfristigen und globalen Folgen von Genmanipulationen kaum absehbar sind.
Doch kann die greuliche Praxis mit der bunt-schillernden Theorie nicht mithalten, da die Ergebnisse kaum vorhersehbar sind, ist doch bei komplexen Organismen ungewiß, wo und wie Gene eingebaut, aktiviert bzw. deaktiviert werden: Theoretisch ist auch in der Gentechnik Zwei und Zwei Vier, doch weicht in der Praxis die Summe meist von diesem Ergebnis ab, weil vorwiegend mit biologischen Zufallszahlen gerechnet wird.
Durch das wahllose Kombinieren unterschiedlichster genetischer Versatzstücke ist die Gentechnologie die Wissenschaft der Postmoderne schlechthin, das zufällige Zusammentreffen von Nähmaschine und Regenschirm auf einem Seziertisch. Sie ist der Einzug von DADA in die Wissenschaft. Während sich die Dadaisten aber als Anti-Künstler definiert und die Kunst durch Provokation und Spaß belebt haben, machen die Gentechniker mit ihrem biologischen Lotteriespiel Ernst. Der unerschöpflichen Fantasie der Dadaisten ist es nicht eingefallen, sich Exklusivrechte auf Alphabete und Buchstaben, Tonleitern und Töne zu sichern; solche Späße sind erst für die neuen Biologen selbstverständlich, die sich nicht scheuen, Gene, Pflanzen und Lebewesen als Erfindungen patentieren zu lassen, um eine Art genetische Leibeigenschaft einzuführen.
Die Erkenntnis, daß die isolierte Betrachtung von Einzelaspekten unzureichend ist, weil die Erde ein kompliziertes Ökosystem bildet, läßt das Versprechen der Gentechniker, daß ihr Instrumentarium alle Umwelt-, Abfall-, Ernährungs-, Fortpflanzungs- und sonstigen Lebens-Probleme der Menschheit lösen könne, als Mangel an Erfahrung erscheinen. Der besinnungslose Umgang mit Leben, das im kalten Licht von Wirtschaftsinteressen mangelhaft scheint und zu verbessern sei, entpuppt sich als gefährliche Kurzsichtigkeit. Denn während die Evolution in kleinsten Schritten langsam, aber sicher neue Verhältnisse schafft, Organismen sich gegenseitig entwickelnd aufeinander einstellen, behutsame Verschiebungen im Ökogefüge stattfinden, wollen Gentechnologien über Nacht die Schöpfung auf den Kopf stellen. Die große Gefahr der Gentechnologie ist ihr Mangel an Fehlerfreundlichkeit: Gentechnisch manipulierte Organismen können einmal freigesetzt nie wieder vollständig zurückgeholt werden, vermehren und verbreiten sich, können natürliche Organismen verdrängen, das empfindliche Ökosystem völlig durcheinanderbringen.