Verkehrswege, elektronische Environments und Architektur
    - häufig als Relikt aus der Vergangenheit -
    definieren in hohem Maß die Identität von Städten.
    Der Einfluß digitaler Medien und virtueller Welten
    erfordert jedoch eine Neupositionierung der
    Architektur - und Städteplanung.
    Gsöllpointner gibt einen Überblick über Architektur
    
    und Architekturtheorie in ihrer Auseinandersetzung mit
    virtuellen Welten und spannt einen Bogen von Stadt-
    und Environment-Utopien, über die Entwicklung des
    High-Tech-Bauens bis hin zu dekonstruktivistischer Architektur.

        Katharina Gsöllpointner

        ARCHITEKTUR UND ELEKTRONIK

        Utopien

        Für manche Zeitgenossen sollte Stadt bloß noch in ihrer rudimentären Form eines historischen Disneylands existieren, das die vorhandenen materiellen Strukturen als postmoderne Kulissen für seine Theme Parks und Shopping Malls verwendet. Ob Wien oder Williamsburg, solche Orte finden ihre Identität in der Vergangenheit, die selbst nur als Filmkulisse bekannt ist. Tatsächlich definiert sind die Städte dieses Planeten heute durch die Vernetzung von Verkehrswegen (Autobahnen in Europa, Free-und Highways in den USA) und durch die elektronische Kommunikation, die das Global Village zum wirklichen Dorf macht. Verkehr, Architektur und elektronisches Environment machen somit die eigentliche Identität von Städten aus und sind Räume der Kommunikation. Einer Kommunikation, die hier als Codierung und Decodierung von Texten verstanden wird, welche visueller, akustischer, schriftlicher und sprachlicher Natur sein können; dreidimensional, räumlich manifestiert in Architektur und Städtebau (sofern Projekte nicht theoretisches Manifest auf dem Papier oder im Computer bleiben), oder immateriell und meta-räumlich als Teil der medialen Realität.
        Wie sich Architektur zur elektronischen, virtuellen Welt verhält, läßt sich durch Untersuchung der vielfältigen Umsetzungen virtueller Realität (VR) beantworten. Architektur und Environment werden durch die Darstellung utopischer Städte in Theme-Park-Rides, bei der Darstellung metropoler Strukturen in Film und Fernsehen und in der Anwendung von VR-Applikationen für Architekten zu finden sein.

        Hier interessiert aber vielmehr die Frage nach der Widerspiegelung der elektronischen Kultur in der zeitgenössischen Architektur der sogenannten realen Wirklichkeit oder "Unvirtual Reality". Architektur als Repräsentantin gesellschaftlicher und politischer Strukturen kann heißen, Affirmation solcher Verhältnisse darzustellen (etwa Vertreter der postmodernen Architektur, wie Michael Graves als Disney World's signature architect mit dem Swan und dem Dolphin Hotel; oder des Prinzen von Wales unsägliche Architekturprogramme, die sehr realen Einfluß auf die Arbeitssituation britischer Architekten haben). Solche Architektur nimmt traditionelle Sprache ungebrochen und unhinterfragt auf und betoniert im oft wahrsten Sinn des Wortes Historiengeplänkel mit reaktionärer Gesinnung ein. Oder Architektur decouvriert und dekonstruiert solche Produkte und ihre Voraussetzungen. Die Fragmentierung, Infragestellung, Auflösung und das Herstellen neuer Zusammenhänge von konstruierter und zufällig entstandener Umgebung kann jedoch nur mit der Kenntnis urbaner und transglobaler (elektronischer) Kommunikation einhergehen. Eine kritische Reflexion gesellschaftlicher Realität kann nur mit der Vorstellung einer experimentellen und visionären Alternative im Bereich der Architektur und Städteplanung stattfinden, die Veränderungen unserer Umwelt nicht nur voraussieht, sondern sie in künstlerischen Entwürfen bereits impliziert.