Wie kann man im Zeitalter der Simulation Architektur
    entwerfen, wie etwas Reales hervorbringen, während Dinge
    kaum mehr real sind, wie einen permanenten Raum schaffen,
    wenn sich die relativen Beziehungen ständig verändern?
    Ito meint, daß die Wirkung der Fiktion in der Architektur
    voll zur Geltung kommen muß (mithilfe von Videobildern, Licht ...)
    und sucht dieses Konzept in seinem "Ei der Winde",
    seinem "Musterhaus" für ein neues Leben, umzusetzen.

        Toyo Ito

        ARCHITEKTUR IN EINER SIMULIERTEN STADT

        Luftaufnahmen von Tokio werden auf den Boden projiziert. Ein Foto zeigt eine flache, homogene Szene, die aus 300 Metern Höhe aufgenommen und dann mit dem Computer grafisch nachbearbeitet wurde. Auf einem anderen sieht man von hinten Jungen in einer Reihe an Automaten spielen. Dann kommt plötzlich eine Szene auf einer Schnellstraße, die wie aus einem Videospiel wirkt. Eine andere Szene verschwindet in der Tiefe der Bildwand, mit der Geschwindigkeit Akiras auf seinem Motorrad. Durch die graphische Manipulation wirkt die Bildwand vollkommen flach und tiefenlos, und die Bilder sehen aus wie Cartoons.

        Der 10 Meter breite und 28 Meter lange Fußboden ist mit opaken Acrylpaneelen ausgelegt. Eine fünf Meter hohe lichtdurchlässige Acrylleinwand wellt sich in Längsrichtung. Ein Flüssigkristall-Bildschirm kann hinsichtlich seiner Transparenz/Lichtdurchlässigkeit elektrisch gesteuert werden. Eine weitere Seitenwand ist mit Aluminiumpaneelen verkleidet, von der Decke hängt ein lichtdurchlässiges Tuch. Das alles sind Bildwände, an die mit 44 Projektoren Bilder projiziert werden. 18 Projektoren hängen von der Decke herab und projizieren Bilder auf den Acrylfußboden, während die übrigen 26 Geräte einander überlagernde Bilder durch Acryl- oder Tuchschirme hindurch an die Bildwände projizieren.

        Die auf 12 Laser-Discs gespeicherten Bilder zeigen hauptsächlich alltägliche Szenen aus Tokio. Menschentrauben beim Überqueren von Zebrastreifen, Geschäftsleute, die sich miteinander unterhalten, während sie auf den Zug warten, ein junger Mann, der von einem öffentlichen Telefon spricht etc. Diese collageartigen Videobilder auf den 44 Bildwänden ändern sich fortwährend, und die 44 Bildwände zeigen fast immer unterschiedliche Bilder, manchmal aber auch dieselben. Atmosphärische Klänge aus dem Synthesizer füllen den Raum über 16-kanalige Lautsprecher und verleihen dem Ganzen noch eine zusätzliche Dimension.

        Dieser Raum war der dritte Raum der "Visions-of-Japan-Show" in London und hieß "Dreams". Besucher der Ausstellung wurden von Videobildern überflutet und von Klängen durchtränkt. Ihre Körper trieben auf dem Fluß des Acrylfußbodens und schwankten, als ob sie seekrank wären. Der japanische Kronprinz, der die Ausstellung eröffnete, sagte, er hätte ein oder zwei Gläser Sake trinken sollen, bevor er kam, damit er den Raum stärker hätte empfinden können. Prince Charles fragte mich dagegen, was nach diesen Bildern zu erwarten sei. Als ich antwortete, daß es danach vielleicht nichts gebe, wollte er wissen, ob ich ein Optimist sei. Ich sagte ja, natürlich.