ANERKENNUNG
Décap
Louis Dufort
Décap ist sowohl hinsichtlich des Klangmaterials als auch seines Stils ein extrem dichtes und eklektisches Werk. Auf der morphologischen Ebene verwendet das Werk Drums und Bass ebenso wie orchestrale Klänge, Frauenstimmen ebenso wie gutturale Männerstimmen, und es bewegt sich von traditioneller japanischer Musik bis zum gregorianischen Choral. Auf der stilistischen Ebene wandern wir durch elektroakustische, experimentelle, industrielle Musik.
Das Ziel hinter diesem Eklektizismus ist es, einen Mikrokosmos zu erschaffen, der bis zu einem gewissen Grad die Menschheit in all ihrer Komplexität abbildet – genauer gesagt, den Schrecken aller Konflikte, die seit Jahrhunderten die wesentliche Antriebskraft sind. Wir brauchen nur an den Kosovo-Krieg ganz in unserer Nähe zu denken oder an die scheinbar immer währenden Auseinandersetzungen in Israel. Heutzutage werden diese Konflikte im Fernsehen gezeigt, sie konfrontieren uns mit den beunruhigenden Bildern, die den Tod live in unseren täglichen Nachrichten zeigen.
Das Stück wird deshalb auch von jenen sich im Schmerz windenden Körpern inspiriert – daher auch der Titel Décap, der sowohl an „Décapitation“ (Enthauptung) als auch an „da capo“ erinnert, an jenen musikalischen Begriff, der die Wiederholung des Anfangs bezeichnet, die Rückkehr zur ewigen Schleife der Gewalt.
Dieser zyklische Aspekt, der in rhythmischen Schleifen zum Ausdruck kommt, ist im Werk sehr präsent und leitet es bis zum Finale. Auch die Verwendung der Stimme ist signifikant, da sie den Menschen als Lebewesen, sowohl in seiner Weichheit (Frauenstimme) als auch im Schmerz (Schreie) und in seiner Erregung (gutturale Stimme) repräsentiert. Die Stimmen aus dem No-Theater zu Beginn des Werks erinnern an die bösen Geister, die seit jeher Teil unseres kollektiven Unbewussten sind, unabhängig von der Religion oder der Zeit. Und dann gibt es noch die störenden und stark zusammengeschnittenen Klänge, die in die Eingeweide des Körpers eindringen wie eine Gewehrkugel, die ihn durchschlägt.
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