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Prix2003
Prix 1987 - 2007

 
 
Veranstalter:
ORF Oberösterreich
 


ANERKENNUNG
Gestalt
Thorsten Fleisch


Vierdimensionale Quaternionen (spezielle Gruppe von Fraktalen) werden durch Projektion in den dreidimensionalen Raum sichtbar gemacht. Anstatt der menschlichen Vorstellung entsprungene, mittels z. B. 3D-Modeling-Software erstellte Objekte oder Szenen wurde hier die Mathematik, die hinter dieser Software steckt, selbst zum Mittelpunkt des Interesses erklärt. Wissenschaft soll so sinnlich erfahrbar werden, um der Wissenschaft, insbesondere der Mathematik, die Distanz und Kälte zu nehmen, mit der sie gemeinhin assoziiert wird.

Von den Pythagoräern wurden Wissenschaft und Mathematik als Ausdruck göttlicher Ordnung verstanden. Zahlen (in ihrer Nichtstofflichkeit an sich schon von mystischer Qualität) waren nicht bloß Hilfsmittel, sondern Manifestation göttlicher Kraft - der einzigen Kraft, welche das Wesen der Welt zu erklären vermochte.

Dieser Geist der Pythagoräer lebt weiter in einem Forschungszweig der Elementarphysik, der sich mit der Superstring-Theorie befasst. Von dieser Theorie erhoffen sich die Forscher die Vereinigung der vier Grundkräfte unseres Universums (Gravitation, elektromagnetische Kraft, schwache Kernkraft und starke Kernkraft) in einer Formel. Diese Formel wirkt in einem Raum, der je nach Ansatz mindestens zehndimensional, aber auch bis zu sechsundzwanzigdimensional sein kann.

Bei dem mathematischen Körper in Gestalt handelt es sich um die Visualisierung der mathematischen Formel (x[n+1]=x[n]^p-c). In Anlehnung an die Ambitionen der Superstring-Theorie, die unser Universum in eine elegante Formel einschließen möchte, möchte ich den umgekehrten Weg gehen und das fremdartige Universum einer anderen, wesentlich simpleren mathematischen Formel zeigen. Bei der Arbeit an der Gestalt (durch Veränderung der Variablen der Formel, womit ich Einfluss auf die Ausformungen nahm) fühlte ich mich auch an die Anfänge der Malerei erinnert, als dort noch religiöse Motive vorherrschten - Malerei als direkter Ausdruck von Spiritualität. Da Mathematik auch spirituelles Potenzial in sich birgt, übte die unmittelbare Beschäftigung mit ihr eine starke Faszination auf mich aus.

Es entbehrt nicht einer gewissen Spannung, direkt mit den Bausteinen zur Beschreibung unseres Universums zu arbeiten. Um ein Gefühl für die Formengenese der Gestalt zu bekommen, beschäftigte ich mich nahezu ein Jahr lang mit der Manipulation der Variablen. Fast ein weiteres Jahr war außerdem nötig, um die ausgewählten Sequenzen schließlich in höherer Auflösung zu rendern. Um die Bilder zu erstellen, benutzte ich die Freeware quat 1.1 von Dirk Meyer. Da das Programm leider keine Bildsequenzen erstellen kann, war ich gezwungen, ein kleines Plugin zu schreiben, das quat 1.1 mit den notwendigen Daten für die Bildsequenzen meiner Wahl füttert.

Vor meiner Arbeit an Gestalt habe ich mich schon länger mit Mandelbrot-Fraktalen (so genannten Apfelmännchen), der Geometrie der vierten Dimension (welche relativ kurz nach ihrer Beschreibung durch Georg Bernhard Riemann Mitte des 19. Jahrhunderts von Okkultisten und Spiritisten für ihre Theorien über z. B. Geisterwesen vereinnahmt wurde) und der Superstring-Theorie beschäftigt. Als ich dann die Quaternionen für mich entdeckte, vereinigten sich in ihnen einige Bereiche meiner eben genannten populärwissenschaftlichen Interessen mit meinen kunstschaffenden Interessen.