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Prix2004
Prix 1987 - 2007

 
 
Veranstalter:
Ars Electronica Linz & ORF Oberösterreich
 


ANERKENNUNG
London Fix
Tom Hamilton


Vor einigen Jahren half meine Frau einem Nachbarn und trieb für ihn einen Handwerker auf, der dessen stark beschädigte Violine restaurieren konnte. Als die Restaurierung abgeschlossen war, besuchten wir den Nachbarn, und nachdem wir die Restaurierung gebührend bewundert hatten, fragte er uns, ob wir sehen wollten, womit er seinen Lebensunterhalt verdiene. Er drehte den Computer auf und zeigte uns Seite um Seite kunterbunter Aktien-Charts, wie sie für die Analyse von Märkten verwendet werden. Mir war die visuelle und dynamische Darstellung des Marktes fremd, aber dieses Gekrakel hat mich sofort süchtig gemacht: Was dem Aktienhändler ein wichtiges Werkzeug ist, sah für mich eher wie eine Musikpartitur aus. Die nächsten drei Jahre verbrachte ich damit, über ebenso standardmäßigen wie geheimnisvollen Texten zum Thema „Marktanalyse“ zu brüten. Da ich zwar kein Geld zum Handeln besaß, wohl aber viel Musik zum Schreiben, interessierte mich die Methode mehr als der Wahn dahinter.

Diese Musik folgt den Konturen des Spothandels mit Gold, wie er zweimal täglich durch das Londoner Fixing festgelegt wird. Ich habe die Preisgrafik der zwölf Monate 2002 verwendet und damit ein selbst erfundenes elektronisches Pitch-Steuerungssystem angetrieben, das die Charts zur Steuerung individueller Tonlagen, Tonbreiten und sogar eines Portamento verwendet (letzteres als kleine Verbeugung vor der Violine).

Dieses System erlaubt mir, dynamisch Pitch-Sets auf der Basis von diversen Grenzwerten zu sammeln, die von den Charts durchbrochen werden. Mit Hilfe der Computerprogrammierung von Michael J. Schumacher habe ich diese historischen Chartdaten nochmals eingesetzt, um die Präsentation des Materials sowohl in linearer wie rekursiver Weise zu steuern, was in klangliche Fluktuationen mündete, die die Zeit auf eine Weise komprimieren und überlagern, dass sie sich jeder buchstäblichen Interpretation entzieht. Das Werk wurde ursprünglich als Multikanal-Klanginstallation präsentiert.