GOLDENE NICA
Wikipedia
Wikipedia ist eine auf Wiki-Software basierende gemeinschaftlich entwickelte Copyleft-Enzyklopädie, die von der von Jimmy Wales gegründeten und geleiteten gemeinnützigen Wikimedia-Stiftung verwaltet und betrieben wird. Neben enzyklopädischem Standardwissen enthält Wikipedia auch Informationen, die man eher mit Almanachen und geografischen Lexika verbindet, sowie Berichte über aktuelle Ereignisse. Die Inhalte der Wikipedia werden gänzlich durch ihre Nutzer geschaffen. Sie gehören keiner Einzelperson, und kein Artikel ist je ganz fertig. Die so genannte GFDL-Lizenz stellt sicher, dass jeder, der die Lizenz akzeptiert, das Recht zur Nutzung und Verbesserung des jeweiligen Artikels hat.
Die Wikipedia ist Free Content, das heißt, ihre Inhalte können frei benutzt, editiert, kopiert und redistribuiert werden. Insofern ist die Wikipedia einer Reihe einzigartiger Belastungen ausgesetzt, die herkömmliche Enzyklopädien nicht haben. Um diese Herausforderungen zu meistern, besitzt sie Selbstheilungssysteme und sogar eine Seite, auf der diese Systeme erklärt werden.
Die Wikipedia startete am 15. Jänner 2001 als englischsprachiges Projekt, bekam aber bereits am 23. März 2001 ihren ersten anderssprachigen Zuwachs: Französisch. Seither wurden große Anstrengungen in Richtung Mehrsprachigkeit unternommen, und im Mai 2004 enthielt die Site 270.000 Artikel auf Englisch und insgesamt 500.000 in mehr als 50 anderen Sprachen.
Vorgeschichte
Die Idee, das gesamte Wissen der Welt griffbereit unter einem einzigen Dach zu versammeln, reicht bis zur Bibliothek von Alexandria und Pergamon zurück. Die moderne Idee einer weit verbreiteten gedruckten Allzweckenzyklopädie entstand wenige Jahre vor Denis Diderot und den Enzyklopädisten des 18. Jahrhunderts.
Die Idee, auf maschineller Basis jenseits der Druckerpresse eine noch praktischere Enzyklopädie zu erstellen, lässt sich auf H. G. Wells’ Kurzgeschichte World Brain (1937) und Vannevar Bushs in dem Artikel As We May Think (1945) entwickelte Zukunftsvision des auf Mikrofilm basierenden Memex zurückverfolgen. Ein wichtiger Meilenstein auf diesem Weg war auch Ted Nelsons Xanadu-Projekt (1960).
Seit der Entstehung des Internet versuchten viele, Online-Enzyklopädien zu entwickeln. Der Free-Software-Proponent Richard Stallman sprach schon 1999 in seinem Artikel The Free Universal Encyclopedia and Learning Resource von der Notwendigkeit und Nützlichkeit einer freien Enzyklopädie. Er beschrieb die Gründung der Wikipedia als „aufregende Nachricht“, und seine Free Software Foundation empfiehlt „den Besuch und die Mitarbeit an der Site“.
Grundmerkmale
Das Wikipedia-Projekt besitzt drei essenzielle Merkmale, die seinen Platz im World Wide Web definieren:
Es ist in erste Linie eine Enzyklopädie bzw. versucht, eine zu werden. Es ist ein Wiki, da es (mit wenigen Ausnahmen) von jedem/r editiert werden kann. Es ist Open Content, und verwendet die Copyleft-GNU-Freie-Dokumentationslizenz.
Vandalismus
Ein wesentliches Thema der Wikipedia ist der „Vandalismus“: dumme oder beleidigende editorische Eingriffe in die Enzyklopädieartikel. So hat zum Beispiel Sarah Lane, die Präsentatorin von „Sarah’s Blog Report“, in einem Teil der Fernsehsendung The Screen Savers auf TechTV, live die Wikipedia-Seite über Affenpocken „vandalisiert“, was zu einer wahren Flut von Vandalisierungen der Seite durch Zuschauer der Sendung führte. Später schrieb Lane: „Obwohl mich das in seiner Einfachheit fasziniert, ist es doch etwas erschreckend. Was, wenn ich stattdessen geschrieben hätte, ‚mein Boss ist ein großes, fettes **** und seine Telefonnummer lautet ****’? Sicherlich hätte es jemand gelöscht, aber das bedarf einiger wirklich engagierter Moderatoren.“
Laut einem Artikel des Wall Street Journal vom Februar 2004 haben Forscher allerdings befunden, dass Vandalenakte bei Wikipedia meist sehr rasch behoben werden: Eine neuere Studie durch ein IBM-Team kam zu dem Ergebnis, dass die meisten Vandalenakte innerhalb von fünf Minuten repariert wurden. Das ist schnell: „Wir waren überrascht, wie oft wir Vandalenakte fanden, aber dann ebenso überrascht, wie schnell sie behoben wurden“, erklärte Martin Wattenberg, ein Wissenschaftler des IBM TJ Watson Research Centre in Cambridge, Massachusetts.
Politik
Die Teilnehmer der Wikipedia („Wikipedianer”) halten sich gewöhnlich an einige wenige grundlegende Strategien und verschaffen diesen auch Geltung.
Erstens bemüht sich die Wikipedia wegen der großen Vielfalt an Teilnehmern, die allen möglichen Ideologien anhängen und aus allen Teilen der Welt stammen, die Artikel so neutral wie möglich zu halten. Dennoch ist Kritik laut geworden, dass die systemischen Vorlieben der Teilnehmer die Neutralität eines Artikels beeinträchtigen können. Ziel ist nicht, Artikel von einer einzigen, objektiven Warte aus zu schreiben – das ist ein häufiges Missverständnis unserer Politik –, sondern eher alle Standpunkte zu einem Thema fair darzustellen und auf neutrale Weise ihren Anhängern zuzuschreiben. Eine wichtige Frage ist natürlich, welche Standpunkte einer solchen Zuschreibung bedürfen.
Zweitens gibt es eine Reihe von Konventionen für die Benennung eines Artikels; wenn z. B. mehrere Namen existieren, ist der in der jeweiligen Wikipedia-Sprache gebräuchlichste zu verwenden.
Drittens verwenden Wikipedianer eher „Diskussions“-Seiten oder andere „computerexterne“ Methoden, um Änderungen von Artikeln zu besprechen, statt dies in den Artikeln selbst zu tun. Das bedeutet einen Bruch mit den Gepflogenheiten anderer Wikis, wie etwa Ward Cunninghams WikiWiki.
Viertens gibt es einige Arten von Einträgen, von denen generell abgeraten wird, da sie keine Enzyklopädieartikel im strengen Sinn sind. Einträge in die Wikipedia sind zum Beispiel keine Wörterbuchdefinitionen, und die pauschale Hinzufügung von Quellenmaterialien wie Gesetzestexten oder Reden wird gewöhnlich schief angesehen.
Fünftens gibt es eine Reihe von irgendwann einmal vorgeschlagenen und manchmal widersprüchlichen Regeln, Richtlinien, Strategien und allgemeinen Praktiken, die in der Wikipedia-Gemeinschaft eine unterschiedlich starke Anhängerschaft haben. Werden diese Regeln verletzt, wird innerhalb der Gemeinschaft von Fall zu Fall entschieden, ob sie strikter durchgesetzt werden sollen oder nicht.
Mitarbeiter
Die Wikipedia ist von Tausenden von Menschen redigiert worden. Diese Redakteure werden Wikipedianer genannt. Jimmy Wales gründete die Wikipedia (und ein Vorläufer-Projekt, die Nupedia) mit dem Engagement von Larry Sanger als Leiter des Nupedia-Projekts. Heute sind alle Mitarbeiter an der Wikipedia Freiwillige.
Die spezielle Wiki-Software, mit der die Wikipedia ursprünglich lief, war das von Cliff Adams geschriebene UseModWiki („Phase I“). Sie benötigte zunächst die CamelCase-Schreibweise für die Links, doch war es schon bald möglich, auch die gegenwärtige Verlinkungsmethode mit doppelten Klammern zu verwenden. Ab Jänner 2002 wurde die Wikipedia auf PHP Wiki-Software umgestellt, die mit einer MySQL-Datenbank operierte, zahlreiche neue Features aufwies und die automatische Umwandlung von CamelCase-Wörtern in Links abschaffte; sie wurde von Magnus Manske speziell für das Wikipedia-Projekt geschrieben („Phase II“). Mit der Zeit begann sich die Site aber dermaßen zu verlangsamen, dass das Editieren praktisch unmöglich wurde.
Nachdem mehrere Modifikationen der Software nur vorübergehend Erleichterung brachten, schrieb sie schließlich Lee Daniel Crocker komplett neu; diese neue Version, eine wesentliche Verbesserung, läuft nun seit Juli 2002 („Phase III“) und wird heute auch als „MediaWiki“ bezeichnet. Mittlerweile ist Brion Vibber hauptverantwortlich für die Beseitigung von Bugs und die Verbesserung der Datenbankperfomance.
Streitigkeiten innerhalb der Wikipedia-Gemeinschaft werden durch Diskussionprozesse geklärt, die auf eine konsensuale Lösung abzielen. Wenn kein Konsens erzielt werden kann, kommt es manchmal zu einer Abstimmung. Streitigkeiten zwischen den Nutzern gelangen vor ein Schiedsgericht, wenn das Problem nicht von einem sanfterer Mediationsausschuss gelöst werden kann. Einige der bekanntesten und wichtigsten Personen innerhalb der Gemeinschaft sind Leute, die an Konfliktlösungen arbeiten.
Ende 2003 wurden Serverausfälle zu einem großen Problem für Wikipedia-Beiträger. Viele von ihnen beklagten sich über Schwierigkeiten beim Editieren der Artikel, weil sie mit Time-outs und extremer Langsamkeit zu kämpfen hatten. Der Grund dafür waren Staus auf dem einzigen Server, auf dem damals alle Wikipedias liefen.
Das neue Projekt läuft jetzt auf 14 dedizierten Servern, die in Florida stationiert sind. Derzeit umfasst die neue Konfiguration zwei Datenbank-Server und neun Webserver, die die Seiten wie gewünscht zur Verfügung stellen und das Seitenrendering für alle Wikipedias durchführen. Um die Geschwindigkeit weiter zu steigern, werden die gerenderten Seiten für anonyme Nutzer in einem Ordnersystem gecacht, bis sie wieder aufgelöst werden, wodurch das Seitenrendering für die meisten allgemeinen Seitenzugriffe komplett entfallen kann. Die gecachten Seitenaufrufe werden von zwei Squid-Servern bedient, die miteinander über zwei NFS-Server verbunden sind (einer davon primär und der andere fürs Backup – der primäre NFS-Server ist gegenwärtig auch der E-Mail-Server).
|