ANERKENNUNG
Descartes oder die Einsamkeit der interaktiven Skulptur
Beate Garmer
Interaktive Kunst konzentriert zwangsläufig einen wesentlichen Teil ihrer Aufmerksamkeit auf die Animation beobachtbarer Verhaltensweisen bei der zu interagierenden Person, die so von einer betrachtenden zu einer betrachteten mutiert.
Künstler und Künstlerin werden zu Versuchsleitern, die Vorstellung von hypothetischen Adressaten entwickelt, die sie dann am lebenden Objekt, immer in der Gefahr reiner Selbstbestätigung, überprüfen. In der vorliegenden Arbeit erfährt das interaktive Element eine extreme Reduktion auf die mögliche, aber nicht ratsame Untersuchung der Frage, ob ein Strom fließt oder nicht.
Dabei entsteht das Paradox einer interaktiven Skulptur, die sich bissig dem direkten Kontakt verweigert und damit die traditionelle, kontemplative Haltung bei der Betrachtung von Kunst herausfordert.
Anhand von Descartes, dessen „Ich denke, also bin ich“ als Reaktion auf den universellen Zweifel Wirklichkeit quasi digitalisiert (s. auch das Zitat weiter unten), stellt die Aufschrift „De omnibus dubitandum est“ („An Allem muß gezweifelt werden“) einen Zusammenhang her zwischen der digitalen Kernidee und dem ideengeschichtlichen Hintergrund der Entwicklung und Bedeutung selbstreflexiver Systeme.
Die Frage, ob ja oder nein, 0 oder 1, also die Frage des handelnden Subjekts, besaß in der Tragödie noch existentielle Bedeutung.
Im Zuge der Entwicklung digitaler Systeme, durch Vervielfältigung und Beschleunigung außerhalb menschlicher Vorstellungskraft angesiedelt und so dem Anschein nach zu reiner Beliebigkeit verflacht, erhält sie an dieser Stelle neue, konkret fassbare Brisanz.
Das Wesen selbstreflexiver Systeme wird durch eine bestimmte Art von Energie geprägt, für die hier konkret und metaphorisch der elektrische Strom steht.
„... Als Bewußtseinsgegenstand verliert das Ding (in der Kartesischen Selbstreflexion) seine Substantialität, und der gesehene Baum unterscheidet sich in nichts mehr von einem nur erinnerten oder auch frei erfundenen (um das Gespenst des Zweifels an der Realität der Außenwelt zu bannen); gerade dadurch aber wird er zu einem integralen Bestandteil des Bewußtseins, das überhaupt nur als Prozeß, als Bewußtseinsstrom existiert und in dem daher automatisch alles substantiell Gegenständliche zermahlen wird.
Was hätte die moderne Denkart besser auf die Auflösung der Materie in Energie, des Gegenständlichen in einen Wirbel atomischer Vorgänge, vorbereiten können als diese Auflösung objektiv gegebener Wirklichkeit in subjektive Bewußtseinsdaten, bzw. in die ewig bewegten und sich bewegenden Partikel eines Bewußtseinsstroms?“ (aus H. Arendt, Vita activa oder vom tätigen Leben)
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