ANERKENNUNG
GENTLY PENETRATING
Hildegard Westerkamp
Die Verkäuferstimmen in der Komposition Gently Penetrating Beneath the Sounding Surfaces of Another Place wurden während meines ersten Aufenthaltes 1992 an ganz speziellen Stellen in Neu Delhi aufgenommen: im Wohnviertel Januk Pun, am morgendlichen Lebensmittelmarkt in Tilak Nagar, am Markt nahe der Freitagsmoschee sowie bei den Marktständen unweit Janpath nahe dem Connaught Place. Mir ist aufgefallen, dass die wichtigsten Hintergrundgeräusche dieser Orte -abgesehen von den Stimmen - Fahrradglocken und Rollerhupen waren oder von Metallen stammten (umfallende Eimer, rollende Dosen, Blechtöpfe, quietschende Tore, manchmal das Rattern und Klickern unidentifizierter vorbeifahrender Objekte). Da sie also eine ziemlich charakteristische klangliche „Begleitmusik" zu jenen Umgebungen bildeten, an denen die Händler täglich vorbeikamen oder wo sie ihre Stände hatten, wurden diese Klänge zu wichtigen Funktionsträgern in der Komposition. Aus einem europäisch-nordamerikanischen Kultur kreis stammend, war ich von der täglichen Präsenz der Verkäuferstimmen begeistert. Seit der menschliche Marktschreier in Mitteleuropa und Nordamerika fast völlig von medialer Werbung verdrängt wurde, ist es fast ein Wunder für einen Besucher aus diesen Regionen, wieder solche Stimmen zu hören.
In einer Stadt wie Neu Delhi (wie auch an anderen Orten Indiens) erlebt man schimmernde Schönheit und tiefsten Dreck Seite an Seite. Dieser Kontrast ist in den meisten meiner Aufnahmen zu hören, besonders aber im Klangmaterial, das für dieses Stück verwendet wurde. Ich wollte akustisch/musikalisch sowohl die schimmernde als auch die abgrundtief dreckige Seite zeigen, die so klar und deutlich die Widersprüche innerhalb dieser Kultur und des dar aus resultierenden Lebens widerspiegeln.
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