GOLDENE NICA
Titanic
Digital Domain, Robert Legato
Das Deck des Unglücksschiffs "Titanic" mit digitalen Passagieren zu füllen war eine außergewöhnliche Herausforderung an die Animationscrew von Digital Domain um Robert Legato.
Für den abendfüllenden Film Titanic standen wir vor der Aufgabe, das Deck des Unglücksschiffes mit digitalen Passagieren zu füllen. Das war eine außergewöhnliche Herausforderung an die Animation, und wir sind das Problem auch von etlichen verschiedenen Richtungen her angegangen. Letztlich gab es dann auch nicht nur eine Lösung, sondern eine Mischung aus Techniken, um eine Animation zu erzielen, die zur Erzählung entscheidend beiträgt. Von Anfang an war uns klar, daß wir menschliche Wesen in 3D darstellen mußten und dabei ein Maximum an Realismus in Form wie Bewegung zu erreichen hätten. Anfänglich haben wir deswegen auch verschiedene Motion-Capture-Techniken erwogen, um Darbietungen von Schauspielern zu digitalisieren. Wir kamen auch zu dem Schluß, wir könnten die Kleidung mit aufnehmen, um die von den langen Mänteln und Röcken jener Zeit verborgenen unteren Extremitäten einzubeziehen. Bei den meisten Aufnahmen verwendeten wir 60 oder mehr Markierungspunkte, und normalerweise wurden zwei oder mehr Schauspieler gleichzeitig aufgenommen. Dadurch konnten wir eine gewisse Natürlichkeit in den Schauspielerdarbietungen bewahren, was sich in entsprechendem Realismus der Interaktion der einzelnen animierten Charaktere niederschlug. Je nach Ablaufgeschwindigkeit der einzelnen Sequenzen wurden zwischen 60 und 120 Kader pro Sekunde aufgenommen. Für die Untergangssequenz wurden auch Stuntmen eingesetzt. Obwohl die Darstellung auf der Leinwand letztlich digital ist, konnten die Akteure ihre Fähigkeiten in einer dynamischen und doch kontrollierten Weise zum Ausdruck bringen. Ein traditioneller Stunt eines freien Falls über 60 Meter ist eine gefährliche Angelegenheit, auf unserer "Bühne" hingegen wurde ein Fall über nur sechs Meter einfach digital gestreckt. Wir haben die "Dekoration" mit Relings, Seilen und Winden ausgerüstet, um dem Aufnahmeraum etwas vom räumlichen Kontext des Originals zu verleihen, und dann die Bühne mit den erforderlichen Kissen und Sicherheitspolstern umgeben. So bekamen die Schauspieler ein Gefühl für jene Umgebung, in die sie später digital eingefügt wurden, und waren dabei doch unfallgeschützt. Auch wenn wir mit unserer Motion-Capture-Methode und den Schauspielern hervorragende Ergebnisse erzielten, war uns diese Prozedur zu zeitaufwendig und zu inflexibel, als daß sie all unsere Bedürfnisse gedeckt hätte. Deshalb wurden aus kinematischen Gruppen bei der Bearbeitung der Captures Skelette erzeugt, die in das Animationssystem eingelesen und dort "bekleidet" wurden. Es stellte sich heraus, daß jede Veränderung dieser Daten vom Regiestandpunkt aus recht problematisch war. Ein weiterer Ausbau der kinematischen Prozesse wäre zu diesem Zeitpunkt sehr schwierig gewesen, weshalb wir beschlossen, unsere Animationsbibliothek auf andere Weise zu erweitern. Als erstes ließen wir von Künstlern traditionelle Key-Frame-Animationen von Personen bei relativ simplen Aktivitäten erstellen - stehend, sprechend, an der Reling lehnend. Wir wußten bereits, daß wir eine enorme Zahl von bewegungsintensiven Animationen für die Untergangsszene und andere Bereiche brauchen würden, aber wir hatten das Gefühl, daß diese ohne Bezug zu irgendeiner Aufzeichnung "echter" menschlicher Bewegungen wohl nicht ausreichend realistisch sein würden. Deshalb sind wir auf den Gedanken eines Hybrid-Systems gekommen, das wir "Rotocapture" nannten und das es uns ermöglichte, den Photorealismus einer Performance-Capture-Animation schneller und einfacher zu erreichen. Dieses System umfaßte im wesentlichen die Aufnahme von Schauspielern und Stuntmen mit einem stark reduzierten Set von Markierungspunkten auf der Motion-Capture-Bühne, die Umwandlung dieser Captures in skelettartige Figuren und das Laden dieser Figuren nach Softimage, das wir als Animationsoftware für den Film ausgewählt hatten. Wir haben dann ein sehr simples, aber effizientes Stellvertretermodell gebaut, das wir "Poopett" genannt haben - ein Wortspiel aus "poop" (Achterdeck) und "puppet" (Puppe). Dieses Modell wurde per Key-Frame auf die Skelett-Animation gelegt, aus der wir so die Posen und die zeitliche Abfolge der Bewegungen abnehmen konnten. Mit diesem System wurden zahlreiche Einzelanimationen geschaffen, aber auch einfache Key-Frame-Animationen ohne Bezug zu aufgezeichneten Bewegungen wurden letztlich im gesamten Film eingesetzt, auch und gerade bei der chaotischen Untergangsszene. (Andre Bustanoby / Daniel Loeb)
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