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Prix1994
Prix 1987 - 2007

 
 
Veranstalter:
ORF Oberösterreich
 


AUSZEICHNUNG
Fictitious Portrait
Keith Cottingham


Das Bild "Fictitious Portrait" von Keith Cottingham - im Stil der Portraitmalerei - beunruhigt den Betrachter. Vielleicht erahnt er, daß diese Photographie in der Realität nie entstehen hätte können. Dieses Portrait setzt sich, dank elektronischer Reproduzierbarkeit, aus Bildern unterschiedlicher Persönlichkeiten zusammen.

Keith Cottinghams Arbeit "Fictitious Portraits" nagt an zwei dergrundsätzlichen Mythen des Modernismus: an der "wissenschaftlichen Objektivität der Photographie" und an der "kreativen Echtheit der Subjektivität". Sein photographisches Triptychon führt vor Augen, daß beide Vorstellungen nur gesellschaftliche Konstrukte sind.

Erst die Computertechnik macht Cottinghams Forschungstätigkeit technisch möglich. Durch die Methoden elektronischer Bilderstellung hat er seine Photographien buchstäblich von jener Kette befreit, die sie an die "Wieder- Gabe" einer räumlich-zeitlichen Konstellation durch lichtempfindliches Material - kurz das, was die Modernität als "Wirklichkeit" bezeichnet bindet. Cottingham hat die Nabelschnur zur Moderne durchtrennt und ist in den imaginären, virtuellen Raum jenseits des "Wirklichen" eingetreten.

Doch das Aufregendste an "Fictitious Portraits", das, was sie von der billigen Illusion der Massenware abhebt, in der der Effekt zum verführerischen Eskapismus wird, ist die Tatsache, daß sich diese Virtualität auf die ebenso schillernden wie erschreckenden Geheimnisse der "modernen" Gesellschaft bezieht.

Indem "Fictitious Portraits" geschickt die darstellende Photographie nachahmt, zeigt sich jedoch, daß der Begriff "Realismus" sich als erstaunlich dehnbar erweist und daß Photographen, genauso wie Maler, Regeln und Schemata entwickeln, um ihre visuellen Zeichen zu hinterlassen. Photographien garantieren genauso wenig Realität, wie die Malerei es tut. Wie es E. H. Gombrich sagte: Photographie, ebenso wie die Malerei, sei "etwas, das einer visuellen Halluzination verwandt" sei.

Wir sehen also, daß Cottinghams Anliegen nicht "Realismus", sondern, wie er es nennt, "konstruierter Realismus" ist." Der Realismus in meiner Arbeit dient als enthüllender Spiegel für uns selbst und unsere Erfindungen, die ebenso charmant wie ekelerregend sind. Die Technik dient einfach der Projektion der imaginären Realität.

Mit der elektronischen Reproduktion zapft Cottingham das, was er sich vorstellt, an und überschreibt damit die Wirklichkeit. Die Illusion photographischer Authentizität erlaubt es ihm, ansonsten eigenständige, ja, sogar konkurrierende Konstellationen miteinander zu kombinieren. Doch das Kunstwerk wird nicht zur Collage eines Bildes, sondern zur Collage der Wirklichkeit. Die Fähigkeit, die Essenz der Wirklichkeit heraufzubeschwören und sich deren Inhalt vorzustellen, ist das, was Cottinghams Arbeiten ihre beunruhigende Kraft verleiht.

In "Fictitious Portraits" kann Cottingham dank der Möglichkeit zur elektronischen Reproduktion den Mythos der Photographie gebrauchen und mißbrauchen, kann den privilegierten Anspruch auf das Wirkliche, auf das, was er "die wichtigste Erfindung der modernen Zeiten – das Subjekt" nennt, kritisch hinterfragen. Das "Selbst", der moderne Begriff des Menschseins, ist das, was Cottinghams photographisches Triptychon in Frage stellt.

Cottingham stellt sich Körper vor, indem er sie nicht als Wesen abbildet, sondern sich selbst mit anderen vermischt, indem er Gestalten aus Ton, aus anatomischen Zeichnungen, aus zahllosen Photographien von verschiedenen Rassen, Geschlechtern und Altersgruppen formt. Diese scheinbar normalen photographischen Portraits stellen die menschliche Wirklichkeit als Konstrukt in den Vordergrund, als das Produkt bedeutungsvoller Aktivitäten, die auf den Körper anspielen. Wie Cottingham peotisch sein Bild beschreibt: "Da ist diese leblose äußere Schale, mit ihrer Schuld, und hinterfragt zornig die Verantwortlichkeit des Betrachters, den Körper verlassend, leere Augen, Atem. Älter, hart, ernst -jünger, unschuldig, entspannt. Unwissend. Flux der Wärme, Schuld, besorgt fragend. Einen Augenblick lang, die Bewegung zwischen Leben und Stillstand."

Mit seinem Zusammenstellen von Körpern, das erst durch elektronische Reproduktion möglich wird, zeigt Cottingham auf, daß unser aller "Selbst", genauso wie "Fictitious Portraits", nichts anderes ist als eine geistige Collage aus zahlreichen Bildern der Vergangenheit, der Zukunft und der Phantasie. Indem er ein Portrait aus mehreren Persönlichkeiten zusammensetzt, wird das "Selbst" als ein nichteinheitliches Wesen, als Produkt von gesellschaftlicher und innerer Wechselwirkung entlarvt. Cottingham veranschaulicht, daß eine Auseinandersetzung damit die Anpassung des "Ich" und des "Du" an ein Idealbild beinhaltet und sich der Betrachter durch diese Art von Bildern selbst findet.
(Greg Grieve / Keith Cottingham)

Technischer Hintergrund
HW: Macintosh II
SW: Adobe Photoshop