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CODE - The Language of Our Time
CODE=Law, CODE=Art, CODE=Life

Unter dem Titel "Code – The Language of Our Time" hat sich die Ars Electronica 2003 mit Software und digitalen Codes beschäftigt. Software als Gesetz des Cyberspace, digitale Codes als Grundelemente der Medienkunst und das Zusammentreffen von Informations- und Biotechnologie waren die drei Themenschwerpunkte, die mit den Formeln Code=Law, Code=Art und Code=Life beschrieben wurden.

Wird die Sprache der Computer zur Lingua Franca der globalen Informationsgesellschaft?

Software ist allgegenwärtig, digitale Codes sind die Materia Prima unserer modernen, globalen Informationsgesellschaft. Erst durch die freie Programmierbarkeit wird die Maschine Computer zu jenem einzigartigen Medium, das mit großem Erfolg und großer Macht in alle Bereiche unseres Lebens vorgedrungen ist und gleichzeitig Kriegsgerät, ökonomisches Arbeitsmittel und künstlerisches Instrument sein kann.

CODE=LAW

Software setzt die Standards und Normen und bestimmt über die Spielregeln, nach denen wir in der vernetzten Welt kommunizieren, Geschäfte abwickeln, Informationen erhalten und weitergeben. Das globale digitale Netz basiert bei genauerer Betrachtung nicht so sehr auf Computern und Datenleitungen, sondern vor allem auf gemeinsamen offenen Übertragungsprotokollen.

Der Cyberspace als sozialer Raum, als neue Öffentlichkeit gewinnt seine Eigenart nicht durch die Daten, die in ihm gespeichert sind oder ausgetauscht werden, sondern durch die spezifischen Möglichkeiten und Un-Möglichkeiten der Programmcodes des TCP-IP, der Browser und Chat-Rooms, der Verschlüsselungsprogramme. Das Internet ist kein gesetzloses, chaotisches, ungeordnetes Niemandsland mehr. Längst steht es im Zentrum von handfesten Versuchen, es einer lückenlosen Regulierung und Kontrolle zu unterwerfen. Waren es bis vor kurzem vor allem die Interessen der Marktwirtschaft, die nur unter kontrollierten Bedingungen funktionieren kann, so sind es seit dem 11. 9. 2001 vor allem die Interessen der Homeland-Security, die dabei den Ton angeben. Copyright und Privacy sind zentrale Schlagworte im Kampf um eine demokratische Wissensgesellschaft.

Wie stark ist also die gesellschaftsregulierende und -normierende Macht der Software-Monopole tatsächlich?
Wenn Code an die Stelle des Gesetzes tritt, vor welchem Gericht können wir ihn anfechten? Wo können wir unser Recht einfordern? Wer schreibt den Kodex des Cyberspace? Welche Möglichkeiten gibt es, diesen zu unterlaufen?

CODE=ART

Für die künstlerische Arbeit ist Software ein fantastisches Instrument. In der digitalen Simulation sind Fantasie und Schöpfungsdrang keine Grenzen gesetzt. Doch weit darüber hinaus hat sich im Sog des Computers und seiner programmierbaren Modellwelten nicht nur die künstlerische Arbeit verändert, sondern eine ganz neue Form der Kunst herausgebildet. Digitale Medienkunst oder "Cyberart" - ein hybrider Begriff, der schon zu einer festen sprachlichen Wendung geworden ist – hat sich als eigenes Genre etabliert und in ein breites Spektrum sehr unterschiedlicher künstlerischer Praktiken diversifiziert. Die Idee von Kunst als einem fortlaufenden, dynamischen Prozess hat mit den digitalen Technologien endlich die optimale Voraussetzung für ihre Umsetzung gefunden.

Begünstigt durch die öffentliche Aufmerksamkeit, die der so genannten digitalen Revolution zuteil wurde, hat die Medienkunst inzwischen einen festen Platz in der Kunstwelt eingenommen. Parallel zu diesem Erfolg ist jedoch der zentrale Diskurs über die Prozesshaftigkeit der Medienkunst und die damit einhergehende Verlagerung der Wertigkeiten vom Objekt zum dynamischen System in den Hintergrund getreten.
Derzeit dominiert ein Datenbegriff, der eine klare Analogie zu den Objekten des realen Raums aufnimmt. Daten sind zwar virtuell und fluktuieren in telematischen Netzwerken, sie sind beliebig kopierbar und (um-)formbar, aber sie sind letztlich jederzeit etikettierbare und handelbare Entitäten.

Ein dynamisches System hingegen, wie es von einem interaktiven Prozess gebildet wird, reagiert autonom auf die Teilnehmer und deren Umgebung und wird dadurch nicht bloß veröffentlicht, sondern öffentlich zugänglich. Es wird von jedem Teilnehmer in seinen eigenen individuellen Zeit- und Erlebnisfenstern genutzt und gestaltet. Eine solche offene, dynamische Struktur lässt sich nicht mehr im Sinne eines Werkes erschaffen, sondern kann nur als Framework gecodet werden.

Die enorme Geschwindigkeit, mit der sich Medienkunst in den letzten zehn Jahren entwickelt und verbreitet hat, macht die Wiederaufnahme und Ausweitung dieser grundlegenden Diskurse über eine zeitgemäße Medien-Kunst-Theorie dringend notwendig.

Was also sind die wesensbestimmenden Merkmale einer digitalen Medienkunst?

Ist es die Formbarkeit der digitalen Daten, in der sich die Kriterien der traditionellen Künste fortschreiben lassen, oder sind es eher die Dynamik und Offenheit der interaktiven, kybernetischen Prozesse und der generativen Algorithmen, die eine weitgehende Zäsur mit gängigen Erwartungshaltungen über die Produktion wie Rezeption von Kunst nahe legen?
Wie könnte sich eine zeitgenössische digitale Medienkunst definieren, die sich auf diese neuen Praktiken konzentriert, aber ihre konzeptiven Vorläufer nicht verdrängt?

Ist Kunst programmierbar? Kann Software selbst Kunst sein und nach welchen ästhetischen Kriterien ist dies zu beurteilen?

CODE=LIFE

Code steht im Sprachgebrauch des Computerzeitalters für Kontrolle und Programmierbarkeit. Bioinformatik und Digital Biology nennen sich die „heißen Bereiche“, die nach Artificial Intelligence und Neurobionik für die neuen Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts sorgen sollen.

Mit diesem Vokabular gehen wir an die Bearbeitung der genetischen Grundlagen des Lebens und reden ein Verständnis herbei, das uns glauben lässt, das Leben sei beherrsch- und programmierbar wie der digitale Code des Computers.

Werden wir mit dem genetischen Alphabet das Buch des Lebens neu schreiben oder ein biologisches Babylon heraufbeschwören?

Medienkunst, konsequent gedacht, wird nie auf die künstlerische Nutzung technischer Medien beschränkt sein. Sie ist immer auch ästhetische Recherche, kritische Analyse und gesellschaftliche Kritik an unserem wissenschaftlich-technisch indizierten Weltbild. Medienkunst ist nicht trennbar von den technologischen Entwicklungen unserer Zeit - und das macht sie zu einem Labor für die Zukunft. Als Festival für Kunst, Technologie und Gesellschaft versteht sich die Ars Electronica als Plattform für die Auseinandersetzung mit dieser Kunst unserer Zeit.


23.3.2003
Ingrid Fischer

© Ars Electronica Linz GmbH, info@aec.at