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Cindy Cohn beim CODE-Symposium
Cindy Cohn (USA), die juristische Leiterin der Electronic Frontier Foundation (EFF), über Code und Gesetz und deren kompliziertes Verhältnis ...

"Code ist gleich Gesetz" – was könnte das bedeuten? Da die Verflechtung zwischen unseren Gesetzen und unseren Computern immer intensiver wird, ist eine Klärung der Beziehung zwischen Code und Gesetz vonnöten. In der Anfangsphase des Internets waren viele Programmierer überzeugt, dass das Gesetz durch den Code belanglos würde. In jüngerer Zeit hingegen haben wir Gesetzgeber, Regulierungsbehörden und Richter beobachten können, die überzeugt zu sein scheinen, dass das Gesetz den Code diktieren kann und sollte. Keine dieser absolutistischen Haltungen scheint sich durchzusetzen – Viren-Programmierer wandern ins Gefängnis und DeCSS ist nach wie vor weltweit erhältlich. Vielleicht kann eine Untersuchung der Verbindungen zwischen den beiden Begriffen aufzeigen, wo der eine Bereich vom anderen lernen kann. Vielleicht können wir darüber hinaus auch lernen, wie beide Bereiche uns helfen können, auf unserem Weg in das digitale Zeitalter Freiheit zu schaffen und zu bewahren.
1. Eine erste Verbindung zwischen den beiden Begriffen zeigt das Wörterbuch auf. Das Oxford English Dictionary (OED) definiert "code" als "[a] systematic collection or digest of the laws of a country", eine systematische Sammlung der Gesetze eines Landes. Vom Code Napoléon bis zum California Motor Vehicle Code*, Rechtsvertretern behagt der Gedanke durchaus, dass die Inhalte des "code" das "Gesetz" bestimmen.

2. Eine zweite Bedeutung für "Code ist gleich Gesetz" wäre eine Art Wortspiel: Ein Computercode ist nicht mehr und nicht weniger als ein *legal code*, der in das Reich der Elektronik verpflanzt wurde.

3. Eine dritte Bedeutung von "Code ist gleich Gesetz" erinnert daran, dass das Gesetz eine Art Code darstellt und dass Anwälte in Bezug auf Entwurf / Design von den Erkenntnissen der Programmierer lernen können.

4. Eine dritte Bedeutung von "Code ist gleich Gesetz" erinnert daran, dass das Gesetz eine Art Code darstellt und dass Anwälte in Bezug auf Entwurf / Design von den Erkenntnissen der Programmierer lernen können.

5. Deshalb wäre eine fünfte Bedeutung von "Code ist gleich Gesetz", dass Code der "Gegenstand" des Gesetzes ist. Dass Code *speech*, also Sprache, Meinungsäußerung ist, ist eines der ersten Beispiele. Mit einem Code, der so viele Bereiche der Gesellschaft durchdringt, werden mehr und mehr Gesetze und Gesetzesentscheidungen allerdings Entscheidungen über Code.

6. Der sechsten Interpretation von "Code ist gleich Gesetz" zufolge ist diese Behauptung schlichtweg falsch, weil Code zwar eine Art Gesetz ist, das "Gesetz" aber viel mehr beinhaltet und über den Code hinausgeht.

7. Eine der wichtigsten dieser Institutionen, die von Tag zu Tag an Bedeutung gewinnt, ist natürlich der Code. Der Code bestimmt, was in einer E-Mail stehen darf und was nicht, was der Computer leistet und was nicht, wer eine Webpage anschauen darf und auf welche Weise. Der Code gestattet gewisse Dinge und verbietet andere. Er ermöglicht all die neuen virtuellen Räume und Interaktionsformen, die wir mit dem Internet und anderen Technologien verbinden, stellt aber auch Regeln dafür auf und legt fest, in welcher Form diese Interaktionen stattfinden dürfen.

8. Die achte und letzte Bedeutung von "Code ist gleich Gesetz" ruft uns in Erinnerung, dass Code, wenn er Gesetztesstatus erlangt, auch gewisse Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten übernehmen muss. Juristen beschäftigen sich heute mit Codes und können von diesem Wissen profitieren, doch müssen Codierer auch Juristen im besten Sinne des Wortes werden, wenn wir die Freiheit des Internets bewahren und jene Art von digitaler Welt aufbauen wollen, in der wir leben möchten.

(Auszüge aus dem Katalogtext zur Ars Electronica 2003)


28.8.2003
Ingrid Fischer-Schreiber

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