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Antye Greie in der Digital-Musics-Jury
Sie arbeiten - auch kuratorisch - an der Schnittstelle Musik / Netz / Open Source und Kunst. Worin liegt da für Sie die Herausforderung? Antye Greie: Dieses Thema bestimmt seit vielen Jahren mein Leben, und es ist nicht einfach, es in wenige Worte zu fassen, weil es komplex ist, aber einige Gedanken ... ... Das Netz ist ein relativ junges Medium - und digitale Komposition auch. Ich schätze neue unerforschte Dinge, weil man sich darin freier bewegen kann und unvoreingenommener spielt, experimentiert bzw. arbeitet und damit hoffentlich Grenzen berührt, einreißt oder auch völlig revolutioniert. Natürlich kann man sich verirren - und das ist gut ... Sicherheiten, System und Regeln in der Kunst/ Musik haben mich persönlich immer wenig interessiert ... Das Gute am Netz war, dass es so schnell und überwältigend sich entwickelt hat, bevor man Regeln dafür finden konnte. Niemand hat geahnt, dass die Welt ihre Festplatten vernetzt und Musik, Filme und was immer austauscht. Großartig ... Und die Industrie / Institutionen sind so veraltet und verknorkelt, und es hat so viele Jahre gebraucht, um es zu checken, und noch immer sind sie beschluss- und handlungsunfähig. Für mich vielleicht eine geschichtliche Gegenreaktion für all die Kontrolle und Kommerzialisierung. Die Zeiten bewegen sich ... Menschen bewegen sich und nzeitgemäße regelementierungen wie Region Codes auf Movies / DVD / Filmen sind respektlos. Rechte an Rechten verhindern Innovation mehr als Missbrauch. Deshalb war ich und bin ich immer noch begeistert vom Internet! Wie zum Beispiel Open Source gerade die ganze Welt "evolutioniert" und Napster und p2p die Musikindustrie umwälzen ... vielleicht ist es auch nur ein bisschen, aber immerhin ... Das Gleiche passiert eben in Komposition + Interpretation und vorzugsweise auch im echten Leben. Ich habe 2001 einen Abend im Podewil / Berlin geführt, der hieß "Quelle Berlin" ("Source Berlin"). Die Idee dahinter war, den Open-Source-Gedanken in die reale undigitale Welt zu tragen. So habe ich einen Event veranstaltet, wo jeder Besucher, der wollte, Samples /Aufnahmen - ob visual oder audio - mitbringen und den Abend mitgestalten konnte ... Wir hatten drei Audiokünstler und mindestens fünf Videokünstler, die mit den Gästen gearbeitet und ihre sehr persönlichen Dinge konvertiert und dann verarbeitet haben. In der Musik werden immer mehr die digitalen Produktionsmodi selbst thematisiert. Lev Manovich spricht in Bezug auf Ihre Arbeiten davon, dass Daten und Datenbanken selbst schon stilistische Elemente in der musikalischen Arbeit sind und spricht von "dataesthetic". Sind Sie eine Datenästhetin? Antye Greie: Mhh ... bin mir nicht so sicher. Tendenziell ja. Mathematische Ordnungssysteme sind nicht menschlich, sie können nicht korrupt sein, sie bieten Hilfe an. Zeitersparnis. Chaos. Verhinderung. File-Sharing. Kooperieren ... Ich gehe davon aus, dass es ein Anfang ist, der den Blick frei macht für etwas anderes, etwas, was sich langsam einschleicht und verändert ... Ästhetisch ist eine Datenbank so kalt ...wenn man sie mit Gefühlen kombiniert, kann man einen starken bezaubernden Kontrast bilden ... Bei meiner Arbeit mit Sprache ist mir aufgefallen, wie schön ein Code klingen kann in Musik: Obwohl er pragmatisch ist, birgt er doch so viel Menschlichkeit in sich. Sie beschäftigen sich auch mit Fragen des Urheberrechts und Wertefragen im digitalen Raum. Der Musikbereich ist ja da ein besonders sensibles Terrain. Wie schätzen Sie die Situation im Moment ein? In welche Richtung wird sich dieser gesamte Komplex des Copyright entwickeln? Antye Greie: Es gibt sehr verschiedene Wege. Zum Beispiel hat Apple hat gerade Unix/ Linux als Betriebssystem integriert und somit eine positive Anwendung gefunden. In der Musikindustrie wird versucht, Wasserzeichen und Kontrollmechanismen einzuführen, um Kopieren und Downloaden zu verhindern. Man versucht, über fette Anzeigenkampagnen mit Britney Spears die Kids davon zu überzeugen, nicht mp3s zu tauschen. HAHA... tolle Geldverschwendung Einige existierenden Institutionen werden sich in gewisser Weise durchsetzen und das Web reglementieren ... mit Hilfe des Staates. Persönlich werde ich von Fall zu Fall entscheiden, nach dem Motto: "Design our own world". Sie sind das erste Mal in der Jury des Prix Ars Electronica. Was erwarten Sie sich davon? Welche Kriterien muss eine Digital-Musics-Arbeit erfüllen, damit Sie ihr eine Goldene Nica verleihen würden? Antye Greie: Ich denke, unabhängig vom digitalen Charakter sollte mich die Arbeit berühren und neugierig machen. Schönheit oder Stärke, Hässlichkeit oder Provokation kann Ausdruck jeder Kunstform sein ... Innovation im technischen Umgang mit digitalem Sound kombiniert mit einer originalen persönlichen Aussage ... Ich freu mich auf diese Arbeit! | ||||||||||
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