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Can You See Me Now?: Goldene Nica / Interaktive Kunst

Can You See Me Now?baut auf der fast uneingeschränkten Verfügbarkeit mobiler elektronischer Geräte in vielen entwickelten Ländern auf. Die Gruppe Blast Theory ist fasziniert davon, welchen Verbreitungsgrad das Handy auch bei ärmeren Usern – z. B. bei der Landbevölkerung, bei Teenagern und anderen gesellschaftlichen Gruppen - gefunden hat, die üblicherweise von den neuen Technologien eher abgekoppelt waren. Untersuchungen deuten darauf hin, dass der Nutzungsgrad von Mobiltelefonen etwa bei Obdachlosen höher ist als bei der Durchschnittsbevölkerung. Die Einführung des 3G-Standards bringt konstanten Internetzugang, ortsbezogene Dienste und eine große Bandbreite in diese Gleichung ein.

Can You See Me Now?ist Teil einer Serie von Arbeiten (die nächste wird *Uncle Roy AH Around You* bei der ICA in London im Mai 2003 sein), die einen kulturellen Raum auf Basis dieser Geräte aufbauen wollen. In einer zukünftigen Version des Spiels werden die Mitspieler auf der Straße mit ihren eigenen Geräten ebenso wie online spielen können.

Diese sozialen Kräfte haben dramatische Auswirkungen auf die Stadt. In dem Maße, in dem die Grenzen zwischen den ehemals getrennten Bereichen von privatem und öffentlichem Raum (Zuhause, Büro usw.) verschwimmen, wurde es immer üblicher, private Kommunikation im Bus, im Park, am Arbeitsplatz mitzuhören. Und diese Privatgespräche verändern sich allein schon dadurch, dass jemand mithört: Wir sind uns bewusst, dass jemand mithorcht, und gestalten unsere Konversation zu einer Drei-Wege-Kommunikation um, mit Blickrichtung auf den Sprecher, den Konversationspartner und das zufällige Publikum. Can You See Me Now?bedient sich des Gewebes der Stadt und macht unsere Position innerhalb der Stadt zum zentralen Punkt des Spiels.

Ausgehend von der Überlagerung einer realen und einer virtuellen Stadt untersucht das Spiel die Problematik von An- und Abwesenheit. Da die Online-Spieler und die Läufer auf der Straße den gleichen "Raum" nutzen, treten sie in eine gegnerische Beziehung zueinander, die aber auch ihre spielerischen und letztendlich fast pathetischen Seiten hat.
Wenn sich ein Spieler zu Can You See Me Now?anmeldet, muss er folgende Frage beantworten: "Gibt es jemanden, den Sie schon lange nicht mehr gesehen haben, an den Sie aber noch denken?" Von diesem Augenblick zieht sich An- und Abwesenheit als Thema durch das ganze Spiel. Die – zeitlich und örtlich abwesende – Person scheint für das folgende Spiel zwar irrelevant zu sein; erst in dem Moment, in dem der Spieler von einem Läufer gefangen oder "gesehen" wird, hört man den Namen als Teil der Live-Audio-Zuspielung aus den Straßen von Rotterdam wieder. Die letzten Worte, die der Mitspieler hört, sind: "Läufer eins hat ... gesehen."

Mit dem Auftauchen virtueller und neuerdings hybrider Räume, in denen sich virtuelle und reale Welt überlappen, ist der emotionale Tenor dieser Welten zu einer wichtigen Frage geworden. Auf welche Weise können wir im Reich der Elektronik über Privates, über Intimes sprechen? In Großbritannien wird das Internet in den Medien regelmäßig als ein Raum beschrieben, in dem Pädophile sich um nichtsahnende Kinder und Jugendliche "kümmern". Dem können wir ein etwas subtileres Verständnis der Nuancen von Online-Beziehungen entgegenstellen. Wenn zwei Spieler, die einander kennen, ihre Avatare zueinander stellen und warten, bis die Kamera auf Kopfhöhe hinunter fährt, sodass die beiden Spieler sich anblicken – was geschieht da? Kann ein Dritter diese stumme Zärtlichkeit überhaupt wahrnehmen? Ja, sollte er sie überhaupt wahrnehmen?

Neben diesen kleinen Augenblicken gibt lautere und kraftvollere Interaktionen zwischen Läufern und Spielern, die auf Beschimpfungen, Necken, Anstacheln und Humor aufbauen. Diese öffentlichen Erklärungen scheinen friedlich mit den privaten Momenten zu koexistieren, die einem Zufallsbetrachter marginal erscheinen mögen. Und dennoch kann dieser sozusagen demokratische Diskurs auch überraschen: Das Verständnis der Online-Spieler dafür, dass die Läufer müde sind und frieren, dass sie mit der Umgebung zu kämpfen haben, kann zu einer kraftvollen Emotion werden. Eine Spieler aus Seattle schrieb: "Mir blieb beinahe das Herz stehen, als mich in meiner verzweifelten Bemühung, mich nicht fangen zu lassen, plötzlich die Panik befiel, der mich jagende Läufer könnte von einem reversierenden LKW überfahren worden sein - denn genau so hat sich das, was passiert war, angehört."





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