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Statement der Jury für Digital Musics

Und was gibt es über einige der anderen Arbeiten zu sagen?

Der Gewinner einer der beiden Auszeichnungen, Florian Hecker, arbeitet an zahlreichen Fronten: Hecker steht in einem Dialog mit Entwicklern digitaler Instrumente und bezieht sich auf eine experimentelle akademische Ästhetik, ohne in die Fallen der scholastischen Gehirnwäsche zu tappen. Er verändert Software und Klänge nach seinen eigenen Bedürfnissen, die nicht den üblichen Regeln folgen. Jeder Track auf Sun Pandämonium verwendet einen anderen Ansatz zur wissenschaftlichen Synthese - roh, dicht und manchmal sogar verblüffend. Selbst die Klarheit der Intention, die in seinen arbiträren Formationen zum Ausdruck kommt, bahnt sich einen intuitiven Pfad durch die inneren Welten von Microsound und dessen Nachkommenschaften.

Die Norwegerin Maja Solveig Kljestrup Ratkje ist die andere bemerkenswerte Auszeichnung; ihre ausgedehnten vokalen Bearbeitungen stellen die Grundlage für ihre CD Voice dar. Die Zusammenarbeit von Ratkje mit John Hegre von Jazzkammer und dem Koproduzenten Lasse Marhaug umfasst wild durcheinandergewürfelte und als Samples zerschredderte stimmliche Äußerungen, die über zeitlich gestreckte Ebenen ihrer perkussiven lauststarken Cut-ups und Klangwände dahin babbeln, bellen, quackeln und quietschen. Zunächst hat dieser dynamische Platzregen uns überraschte Juroren gefesselt und gleichzeitig auch abgeschreckt. Auch durch wiederholtes Hören blieb diese Gegensätzlichkeit bestehen, ja, sie fesselte eher die Aufmerksamkeit bis zum Ende. Aber egal ob diese virtuosen Implikationen den einen allzu dramatisch erschienen oder den anderen allzu beunruhigend – es ist schwer, die Kraft des mutigen, geradezu besessenen Geists zu leugnen.

Eine weitere improvisierende Gestalt, die den Übergang von Gitarren-Massakern zur Laptop-Absorption geschafft hat, ist Kevin Drumm. Sein zutreffend Sheer Hellish Miasma genanntes Album kombiniert beide Ansätze in ein brutales wirbelndes Chaos knurrender Verzerrungen und anschwellender durchdringender Töne. Es erinnerte die Jury an die Tradition der Metal Machine Music, als ob diese durch einen etwas weniger explizit an den reinen Noise-Sektor gebundenen Filter gelaufen wäre. Drumms Einsatz von Drones in dieser Aufnahme ist trügerisch, spastisch und alles durchdringend und zeigt in Richtung einer persönlicher Signatur in seinem anschwellenden Werkkatalog.

Selbst zwanzig Jahre nach ihrer Gründung ist die britische Gruppe Whitehouse noch immer zu extrem, um eine Mehrheit in dieser Jury zu finden. Die Band hat sich von einem ambivalenten "80s Industrial" zu einem zeitgemäß klingenden digitalen Blast hin entwickelt und konzentriert sich stärker als je zuvor auf ihre Anliegen. Offensichtlich, aber nicht offensichtlich genug, ist Whitehouse eines von wenigen Kollektiven, die explizit politische Fragen mit ihren extremen und kontroversen Anliegen verknüpft. Angesprochen werden Themen von Macht, Medien, Gewalt, Missbrauch und Fetischismus, und Whitehouse löste die heftigsten Debatten unter den Juroren aus. Der voyeuristische Aspekt ihrer Werke erschien den einen von uns bloß als choreografierte Provokation, den anderen wiederum als abstoßende Theatralik. Aber allein die Tatsache, dass die Qualität der Abscheu, des Widerspruches oder der Faszination, die ihre Musik und deren dialektische Botschaft auslöste, in der Jury eine derartige Polarisierung bewirken konnte, war Garant dafür, dass unsere geteilte Meinung letztlich zu einem heiß diskutierten Platz unter den Anerkennungen führte. Die ungebrochen kraftvollen Live-Spektakel und die wilden Soundworks sind ein untrüglicher Beweis für die brutale Kraft dahinter. Mögen die Exzesse weitergehen!

Gert-Jan Prins brachte uns sein Risk zu Gehör. Er verwendet absolut nichts als Instrument, was man im Laden kaufen kann. Technisch gesehen, könnte dies ein Nebenprodukt eines eigens entwickelten mechanischen Prozesses sein, der Radiosender und andere Objekte versammelt, um aurale Projektionen von Frequenz-Interferenzen auf Publikumsmassen (und irgendwann auch auf ProTools) loszulassen. Das ist scharf. Das hat schon was. Es ist wirklich differenziert und geformt. Es pulsiert wie wild und ist sehr roh. Nein, das ist keine Musik, wie wir sie normalerweise kennen, aber es verwendet eine technische Struktur, die man als nicht-lineare Klangerfahrung wahrnehmen kann. Jump Cuts und wildes Drehen. Beurteilen wir Künstler, Techniken, Objekte oder Stücke? In diesem besonderen Fall einer Einzelperson mit kleinen analogen Geräten auf einem Tisch müssen wir den Angeklagten in allen Punkten schuldig sprechen! Reagieren wir auf Namen oder auf das, was wir hören? Nun, dies war nicht einfach eine weitere elektroakustische "Quietsche-Spielzeug"-Narration, dies war auf eine grobe, massive Weise sehr geschickt – das zeigt eine frische Art, Geräte zusammenzufügen, und überhaupt, wer ist der Kerl eigentlich? Und worum geht es? Es versucht nicht, den Hörer in irgendeinen besonderen Zustand zu versetzen, der ihm dann irgendwas erzählen soll. Hier haben wir den direkten Ansturm.

Die Klangarbeit von Toshiya Tsunoda stellt eine radikale Neuinterpretation des Konzepts von Vor-Ort-Aufnahmen dar. Mit dem peinlich genauen wissenschaftlichen Ansatz eines Sammlers fängt Tsunoda die Tiefe der Landschaft, den lebensspendenden Atem der Dinge ein. Jedes seiner Werke ist allein schon wegen der kompositorische Struktur bemerkenswert, die, wie er beweist, den Klängen gefundener Objekte inhärent ist. Das Ergebnis sind erstaunlich schöne elektronische Werke, die nur wenig Ähnlichkeit mit dem aufweisen, was wir normalerweise unter "Umweltaufnahmen" verstehen. Tsunoda basiert seine Methodologie auf elektrisch vibrierende Objets Trouvés, an denen er Sensoren anbringt, die schwache elektrische Ströme transportieren, was sie letztlich hörbar macht. Die Ergebnisse zeichnet Tsunoda typischerweise im Freien und in der Nähe von Wasser auf. Zu den Objekten, die Tsunoda als Aufnahmequellen verwendet, gehören die Luft innerhalb einer Glasflasche ebenso wie die Risse in Kanaldeckeln oder die Luftbewegungen über – oder in besonderen Fällen innerhalb – feste(r) Oberflächen an speziellen Orten wie Häfen oder Lagereinrichtungen.

Nymphomatriarch war zufällig aus jener physikalischen Alchimie des Einfangens der Sexgeräusche der Partner Rachael Kozak (Hecate) und Aaron Funk (Venetian Snares) gemacht. Ein freakiges Set aus Stöhnen, Grunzen und Schlägen auf die Haut wurde in Chöre, Drumbeats und andre timbrale Konstruktionen geformt. Auch wenn die Jury diese sexuelle Morphologie bemerkte, maß sie ihr doch kaum Bedeutung zu. Was aus dieser sehr persönlichen Untersuchung jedoch herausragte, waren der Stil und der Punch der Musik selbst - unabhängig von ihren provokativen Quellen. Sie stand eigenständig vor uns, als ein beklemmendes Werk, das sich mit markerschütternder Dynamik und einer aus dem Bauch her behandelten Stimmung beschäftigte und nichts mit Pornomusik zu tun hatte, aber alles mit dem organischen musikalischen Ausdruck animalischer Instinkte.

Oren Ambarchi behandelt die Gitarre als Sound-Generator. Seine Interpretation des Instruments klingt nicht unähnlich einem Fender Rhodes von früher, wenn er in Echo und Hall ertrinkende Melodien schafft, die sich selbst aufzuhängen scheinen, dazu langsam drehende Narrative und sich wiederholende Muster, die bisweilen klingen wie hängengebliebene Vinylscheiben, innerhalb deren Wiederholungen abstrakte Muster aufsteigen und fallen. Schaltklicks und Knacken, Saitenquietschen, Kabelgeräusche und Rückkopplungsbrummen haben auch ihre eigene Musikalität, die Ambarchi einfängt und zum Komponieren verwendet. Das Ergebnis ist schlichtweg atemberaubend, einzigartig, und bisweilen meint man, Ambarchi spiele ein bislang unentdeckt gebliebenes Instrument. Um mit Ambarchi selbst zu sprechen – seine Gitarrentechnik besteht *nur* darin, das "Instrument in eine Zone fremder Abstraktion umzuleiten, in der es nicht mehr so leicht als das identifiziert werden kann, was es ist, sondern ein Laboratorium für eine erweiterte klangliche Untersuchung darstellt".

Die Gruppe Rechenzentrum verarbeitet Klangdesign, Musik und Videobilder in raue, emotional komplexe Melodramen, in denen sich die Ereignisse zu sich ständig verschiebenden Konflikten verbinden. Klänge und Rhythmen werden zu Darstellern, schaffen kaum lösbare Spannungen, rufen Szenen unterdrückter Bedrohlichkeit hervor. In dem, was ihr interdisziplinäres Werk einfängt, liegt etwas inhärent Lebendiges, das über die Unterscheidbarkeit ihrer ästhetischen Hybris hinausgeht. Verstimmte Saiten, Dance-Floor-Dumb, minimaler Techno, Hip-Hop und post-industrielle Klangcollagen verbinden sich mit einer Bildwelt aus Text, Autobahnen, Maschinen und Instrumentalensembles und schaffen wunderbar dunkle kinematische Allegorien, die uns dazu zwingen, ästhetische Erfahrungen durch die narrativen Art und Weise zu rekonstruieren, in der die Gruppe ihr aurales und visueller Grundmaterial verarbeitet. Der systematische Überfluss gesteuerter Bedeutungen, wie sie die Produktionen von Rechenzentrum kommunizieren, zeigt auf seltsame Methoden der Kunstproduktion, die viele jener ästhetischen Möglichkeiten realisieren, die uns von der AV-Produktions- und Multimedia-Theorie seit den späten 1960ern versprochen wurde.

Im Sektor der Liederschreiber fiel uns die Persönlichkeit von Tujiko Moriko auf, deren Make Me Hard-Projekt einen Schwerpunkt auf experimentelle Orchestrierung mit Elementen aus Harmonien, Noise und Beats legte. Die Herausforderung, die darin liegt, aus dieser doch eher seltsamen Mischung an sich recht einfacher Elemente etwas Interessantes zu machen, wurde positiv bewältigt: Es entstand etwas anderes als die rein abstrakten Werke, die die Jury zumeist zu hören bekommt. Durch den Einsatz ihrer Stimme auf so vielfältige und unterschiedliche Weise erzielt Noriko eine verschwommen romantisch gefärbte Stimmung, die gelegentlich von Dissonanzen und der Intervention ungewöhnlicher Arrangements unterbrochen wird. Ob man nun eine Beziehung zu den Songs aufbauen kann, wie das vielen Leuten im Rahmen der Popmusik gelingt, ist nebensächlich – die Gesamtatmosphäre war fesselnd genug.

Niemand hat die Tradition des Wiener Aktionismus als Vorlage für musikalische Werke weiter entwickelt als Rudolf Eb.er und die Schweizer Schimpfloch-Künstler, die 1987 damit begannen. Die Themen von Eb.ers Werken sprechen für sich: Gewalt in der Familie, das Wiedererleben grundlegender traumatischer Erfahrungen, die bewusste Rückkehr zu nackten Schmerzerfahrungen. In seiner anderen Identität als Runzelstirn & Gurgelstock führt Eb.er Konzerte auf, die den gewaltsamen Widerstand des Publikums geradezu herausfordern, indem sie improvisierte Unmittelbarkeit, extrem tabubrechendes Verhalten und selbstbewusste Theatralik einsetzen. Audiodokumente dieser Events zeichnen sich durch kreischende Stimmakzente, stoßweise Atmung und ausgedehnte gespannte Stille aus. In kompositorischer Hinsicht ist Eb.ers Schnitttechnik einzigartig durch ihre präzise Sezierung seiner Aufnahmen. Durch traditionelle analoge Schnittmethoden – Tonbandschnitt mit Schere und Skalpell – entstehen Collagen aus diesem Material, die Eb.er gerne mit der biologischen Teilung und Zucht seiner Klänge vergleicht. Angesichts der eher bauch-orientierten Natur seines Outputs und der extrem körperbetonten Art seiner Performances ist in Eb.ers Fall der Begriff des Heranzüchtens musikalischer Zellen durchaus angebracht.

Konzeptuell hat der Gedanke hinter Phill Niblocks Stück The Movement of People Working bei den Juroren sofort Widerhall gefunden. Dieser langgediente Komponist und Filmemacher nimmt die Instrumente vieler Musiker auf und assembliert sie in Drone-ähnliche Klanggemälde, die seine visuelle Odyssee begleiten. Die Bilder auf der DVD zeigen arbeitende Menschen von verschiedenen Orten des Globus, wie sie ihrer täglichen repetitiven Tätigkeit nachgehen, begleitet von einem breiten Kontinuum sich langsam entfaltender musikalischer Ebenen. Ein kompromissloser ästhetischer Effekt, der auch die vielen Publikumsgruppen anspricht, die seine häufigen Live-Präsentationen besuchen, und bei ihnen Anklang findet.

Die Kompositionen von Yuko Nexus 6 Kitamura erinnern uns an ein Klangtagebuch. Als Kind hatte sie ihr musikalisches Interesse dadurch gezeigt, dass sie über die Bach- und Beethoven-Kassetten ihres Vaters aufgenommen hat; jetzt beginnt Kitamura, ihr Werk zusammenzusammeln, indem sie Kassetten mit Freunden austauscht, von denen jeder über das vorherige Material aufnimmt, und zwar Quellenmaterial, das an diversen Orten, z. B. auf der Straße, aufgenommen wird. Kitamura nennt die bei diesem Prozess entstehende Musik "Kotatsu"-Musik: nach einem kleinen japanischen Tisch mit darunter eingebautem Heizgerät, um den sich japanische Familien im Winter versammeln. Die ausdrücklich soziologische Bedeutung ist in Kitamuras Projekt der musikalischen ebenbürtig: Durch diese in Kollaboration entstehenden Aufnahmen auf den immer wieder überkopierten Kassetten will sie die Aufmerksamkeit auf die Beziehung der Musik zur Lebensweise der Menschen und auf die gemeinschaftsbildende Funktion lenken, die aufgezeichnete Musik für diese hat, wenn sie über die Zeit hinweg unter ihnen ausgetauscht wird.






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