Die Konzeption eines Spiegelraumes entwickelte sich aus den Erfahrungen früherer Werke Walter Haupt's (wie "Laser", "Sensus... Dunkel", die nachfolgend kurz beschrieben werden) und der permanenten Auseinandersetzung mit der Wahrnehmung des Raumes und dem Raumerlebnis. In seiner Funktion als Leiter der Experimentierbühne an der Bayerischen Staatsoper München machte es sich Haupt auch zur Aufgabe, neben musikalischen, szenischen, verbalen und non-verbalen Theater- und Konzertversuchen die Technik, als ein wichtiges Medium unserer Zeit, in seine kreativen Arbeitsprozesse miteinzubeziehen.
Seine ersten Projekte, in denen die Technik als wichtiger künstlerischer Faktor auftrat, entstanden 1972. Das neuartige Instrumentarium Laser faszinierte ihn und nach einem halben Jahr intensiver Vorbereitungsarbeit entwickelte sich daraus ein aufsehenerregendes Experiment, er nannte es LASER, ein Light-Environment für einen Schlagzeuger und einen Tänzer, ein audio-visuelles Ereignis.
Ein Jahr später, 1973, konstruierte er einen Kuppel-Projektionsraum, in dem das Experiment SENSUS stattfand. Die Absicht lag darin, das Publikum sensuell zu aktivieren. Die Besucher lagen auf einer Art Schaumstofflandschaft und hörten über Kopfhörer und Raumklang meditative Klangflächen, während abstrakte Filme, Dia-Projektionen, Laser-Strukturen, rotierende Lichtfigurationen, wechselnde und sich auflösende Farben über die gesamte Kuppel projiziert erschienen und passend zu den einzelnen Lichtsequenzen diverse Dufteinspiegelungen vorgenommen wurden.
Im Jahre 1974 versuchte Walter Haupt in dem Werk DUNKEL dem Zuschauer Raumwahrnehmungen, die nicht im Einklang mit dem tatsächlichen Raum der Aufführung standen, zu suggerieren. Die Komposition wandte sich an den Gehör-, Gesichts-, Tast- und Geruchssinn und bediente sich der fast vollständigen Dunkelheit, um dem Zuschauer die realen Ausmaße des Theaters vergessen zu lassen - darüber hinaus erwartete er von der Dunkelheit eine Befreiung des Zuschauers von dem zwanghaften Verhalten, das mit dem Besuch von Konzert- und Opernveranstaltungen normalerweise verbunden ist. Andererseits konnte die Dunkelheit aber auch aufgestaute Angstzustände verstärkt ins Bewußtsein bringen.
Unmittelbar voraus ging dem Münchner Spiegelraum-Projekt ein Auftragswerk für die "pro musica nova" in Bremen 1974. Hierfür erarbeitete Haupt einen Licht-Klang-Raum-Konnex, den der KONTEMPLATION nannte: Ein Raum der Bremer Kunsthalle wurde mit beweglichen Spiegelfolien ausgestattet; einzelne Spiegelflächen atmeten in einem gleichmäßigen meditativen Rhythmus; die großen Spiegelflächen ergaben durch geringfügige Veränderungen einen jeweils neu dimensionierten Raum, an dessen Gestaltung Licht- und Laserstrukturen gleichermaßen teilhatten. In diesem Experiment besaß nicht nur der Ort der Aufführung, sondern auch der einzelne Zuschauer durch seine Körperbewegungen eine musikalisch-raumgestaltende Funktion. Acht Schallquellen mit getrennten Informationen wurden (mittels Fotozellen) durch die Besucher ausgelöst und verschiedenartig aktiviert. Der ruhige monochrom Raum bekam durch die Anwesenheit von Publikum Bewegung und Leben. Befand sich kein Besucher im Aktionsbereich, zeigte die Komposition KONTEMPLATION sowohl visuell als auch akustisch ein ruhiges Klangbild.
Im Gegensatz dazu sollte die Neukonstruktion eines Spiegelraumes für die Experimentierbühne der Bayerischen Staatsoper ein durch Darsteller veränderbarer aktiver Raum werden, mit einem beweglichen und absenkbaren Kassettenspiegelplafond, der sich wiederum in stereometrische Körper (wie Pyramide, Polyeder) verwandelt. Der Raum war als eine Art geodätisches Zelt mit großen flexiblen Dreieckssegmenten gedacht. Die im Modell bereits erprobte Version mit einem beweglichen Kassettenspiegelplafond konnte jedoch auf Grund technischer und finanzieller Schwierigkeiten nicht ausgeführt werden.
Als Alternative realisierte Haupt die jetzige Form, ein variables
Zehneck (die unteren Spiegelwände sind dreh- und ausschwenkbar, die oberen
zur Aktionsflache hin absenkbar) mit einem reduzierten polygonalen Plafond, der
zu der verspiegelten Bodenfläche ein Pendant bildet. Alle Spiegel,
ausgenommen die Bodenfläche, bestehen aus Folien, die in einem besonderen
Verfahren hergestellt wurden.
In dieser Konstruktion multiplizieren sich in unterschiedlichen Dimensionen
Licht-, Film- und Laserprojektionen gleichermaßen wie die Darstellung der
Tänzer.