Die "Linzer Klangstraße" setzt sich aus drei Elementen zusammen:
1. Fünf Volksmelodieorgeln aus der Essener Klangstraße
"Am Brunnen vor dem Tore"
"Tammerkosken sillalla"
"Kein schöner Land"
"Glück auf der Steiger kommt"
"Horch was kommt von draußen rein".
Die Röhrenglockenspiele bestehen aus herkömmlichen Stahlrohr (32,8 mm
Durchmesser und 2,6 mm Wandungsstärke), verwendet als Wasserrohr,
Gerüstrohr etc., und aus normalem U-Profileisen, also aus in der Industrie
gebräuchlichen Werkstoffen. Sie wurden komplett verzinkt und somit
für mehrere Jahre haltbar gemacht. Wenn die Röhren in der angegebenen
Reihenfolge vom Publikum angeschlagen werden, ertönen bestimmte
Volksmelodien.
2. "Linzer Klangtunnel"
In mehrwöchiger Arbeit im Verlauf des Jahres 1980 hat Michael Jüllich
bei der VOEST-ALPINE Linz, zusammen mit Ausbildungswesen-Lehrwerkstätte,
den "Linzer Klangtunnel" als Originalinstrument aus der VOEST-ALPINE
entworfen und gebaut. In 32 Ständen hängen ca. 150 Bleche und
Stahlplatten, große, kleine, dicke, dünne (0,5-10 mm Stärke,
175 x 175 cm groß oder so klein wie Xylophonstäbe). Der Klangtunnel
besteht aus zwei gegenüber aufgebauten Ständerreihen. Er ist 30 m
lang und, ca. 3 m breit. Die Klangplatten werden in Farbtönen von dunkel
(blau) bis hell (gelb) in den Regenbogenfarben lackiert. Die 0,5 mm starken
Donnerbleche in der Mitte des Klangtunnels sind in ihrer Naturfarbe - Silber -
ebenso wie alle Ständer lackiert. Der Passant macht auf dem 30 m langen
Weg durch den Klangtunnel eine Klangerfahrung. Zuerst kommen die großen
Bleche - dumpfe, undefinierbare Klänge. Dann die 5-Ton-Spiele
(Gamelanmusik ähnlich) - erste Wiedererkennungswerte: "Das sind
Töne, das ist Musik, hier fühl ich mich wohl." In der Mitte sind
ganz kleine Stahlstäbe (dem Xylophon ähnlich), die sogar eine ganze
chromatische Oktave wiedergeben (also all das, was wir durch Erziehung als
Musik bezeichnen). Dann, als Signal, die Donnerbleche. Der Weg zurück -
die Klangplatten (ab hier sind sie anerkannte Musikinstrumente) werden wieder
größer, bis hin zu den wie am Anfang großen Blechen. Am Ende
des Weges könnte die Erfahrung stehen, daß es nicht nur eine einzig
wahre Musik gibt, sondern unendlich viele fantastische Möglichkeiten von
Tönen, Klängen und Musiken.
3. "Klanggasse" aus Essen - Musik mit den Füßen
Dieses Instrument wurde von Michael Jüllich für die Spiel- und
Klangstraße 1980 in Essen gebaut. Bei der "Klanggasse"
können die Passanten einen Weg von 10 m Länge und 1 m Breite abgehen.
Wenn verschiedene in den Boden eingelassene Pedale berührt werden,
erklingen zwei chromatische Oktaven Gongs.
"Zuerst einmal möchte ich sagen, daß schon diese Fragestellung diktatorisch ist (Schulschema: Ziel erreicht - nicht erreicht; Operation geglückt - Patient tot). Natürlich habe ich eine Zielsetzung, die sich über die Jahre meiner musikalischen Arbeit aufgebaut hat und mir auch logisch erscheint. Aber, trifft das auch auf den zufällig am Hauptplatz vorbeikommenden Menschen zu? Hier ergibt sich schon das aller Kunstformen eigene Problem. Der Autor sieht sich und seine Arbeit als normal, natürlich und wichtig an. Derjenige, für den (oder für den auch nicht) diese Kunst gemacht ist, fragt sich wieso, weshalb, warum. WAS IST KUNST? Also kann mein Anspruch (= Ansprechen) nur ein möglicher Anspruch an die Mitmenschen sein ohne Erwartungshaltung den anderen gegenüber. Die Menschen, die vom 9. bis 13. September 1980 den Hauptplatz in Linz betreten, müssen nicht - sondern können - die dortige Klangstraße begehen, befühlen, sehen, hören, erfahren.
Nur zur Erläuterung der Möglichkeit: Vielen Künstlern wird es schon passiert sein, daß sie nicht verstanden werden mir ebenfalls. Das führt meistens in die Isolation. Auf der einen Seite gibt es dann die "Unterkunst" (tradierte Werte, - Musiken, -Bilder) - Unterhaltung. Auf der anderen Seite die "Intellektuellen" (Suche nach Neuem, Verbesserung, Zerstörung, Infragestellen). Ich finde beides hat seinen Wert. Das, was wir heute tun, basiert auf der Tradition. Unsere Lebenschance wäre aber vertan, wenn aus dem Zusammentreffen von Tradition und Mensch nicht ein neues Ding entstehen würde. Durch die Technisierung des Lebens haben aber die tradierten Werte ein quantitatives Übergewicht erhalten (Beispiel Musik: Schallplatten, Fernsehen, Hitparaden, Karajan, ja sogar "Anton Bruckner"?!). Die Isolation der Kreativität ist umso größer. Hier muß nun etwas passieren. Und zwar müssen wir - die "Künstler" - den ersten Schritt tun. Öffnung nach außen. Diskussion. Erklärung. Im optimalen Fall eigenes schöpferisches Tun. Ohne die Eigenbeteiligung des Passanten funktioniert die Klangstraße nicht. Hier wird nicht konsumiert, sondern selbst geschaffen (= erschaffen).
Hieraus nun in ganz knapper Form die zwei Thesen:
EIGENES ERLEBEN = LEBEN MACHEN - KÖNNEN = KUNST
EIGENES ERLEBEN = ERFAHRUNG FÜR FREMDES (ERLEBTES DES KÜNSTLERS) = VERSTÄNDNIS.