Für Klaus Schulze ist die "Linzer Stahlsinfonie" das einzige Live-Konzert, das er in diesem Jahr gestaltet. Zum ersten Mal liegt für den Komponisten und Musiker Klaus Schulze die Basis für ein Konzert nicht in seinem eigenen Bereich, sondern außerhalb von ihm - nämlich im akustischen Umraum von Eisen - und Stahlarbeitern.
Der Künstler hat sich die bei den einzelnen Maschinen entstehenden und teilweise auch rhythmisch ablaufenden Klangfolgen als Basis für die Komposition live am Ort angehört und sich für die Ausarbeitung einer Partitur notiert.
Beim Konzert bekommt der Elektronik-Musiker diese Klänge aus den Industrieanlagen der VOEST-ALPINE und verwendet diese zur Steuerung (Trigger) seiner Synthesizer-Burgen bzw. seiner in Form eines Headarrangements verarbeiteten Komposition.
Zusätzlich werden die Naturklänge über Ringmodulatoren, Vocoder, neu entwickelte Musikcomputer, pitch to voltage Module, digitale Verzögerungs- und Hallgeräte, diverse Filter etc. zu elektronischen Klangteppichen verarbeitet.
Klaus Schulze als Solo-Elektroniker verfügt über die größten Live-Synthesizer-Burgen der Welt, die für das Linzer Konzert mit den zwei neuesten Digital-Live-Musikcomputern von Fairlight und GDS sowie 2O speziell entwickelten Gongs unterstützt werden. Die Klangteppiche aus Maschinengeräuschen und elektronisch verfremdeten Maschinengeräuschen werden durch die frei spielbaren Synthesizer spontan zu einer Rock-Sinfonie geformt.
2. Das technisch-künstlerische Experiment:
Für die elektronische Musik-Aktion "Linzer Stahlsinfonie" sind über eine Vielzahl Bild- und Tonleitungen an 6 Industrie-anlagen der VOEST-ALPINE, das Ton-TV-Studio des österreichischen Rundfunks, Landesstudio Linz, und der Große Saal des Brucknerhauses verbunden.
Das die halbe Stadt Linz umspannend Leitungsnetz ist die Grundlage
für die musikalische Aktion. Als Live-Aktion ist das Geschehen in hohem
Maße an Zufall, Spontanität und Unmittelbarkeit gebunden. Die
"Linzer Stahlsinfonie" ist aber nicht mehr allein das Werk eines
Musikers und Komponisten: Neben der akustischen Umwelt der Industrieanlagen
tauchen als Mitwirkende zum ersten Mal bei einer
Uraufführung eines Konzertes stellvertretend für die in der
Industriestadt Linz tätigen Arbeiter ungewohnte Berufsbezeichnungen auf:
Adolf Gabriel, 1. Ofenmann; Ferdinand Hieslmair, Vorwalzer; Walter
Obermühlner, Kontrollor Scherenstraße; Erich Slavik, Flämmer;
Franz Stütz, Steuermann bei der Drückbank in der Schmiede; Helmuth
Wagner, 1. Tiegelmann im LD-Stahlwerk ll
Die "Linzer Stahlsinfonie" ist damit ein Experiment einer Synthese von Arbeiter und Künstler, gleichzeitig aber auch von Maschine und Mensch. Die Stahlarbeiter am Hochofen IV, im LD-Stahlwerk, im Kaltwalzwerk II, in der Schmiede oder an der Breitbandstraße werden plötzlich mit ihrer Arbeit und ihrer Umwelt zum Impulsgeber eines musikalischen Geschehens. Ein radikaler Versuch für die Integration von Kunst und Arbeitswelt.
3. Das kulturpolitlsche Experiment:
Die "Linzer Stahlsinfonie" ist neben dem musikalischen,
künstlerischen und technischen Aspekt nicht zuletzt ein kulturpolitisches
Experiment sowie ein Denkanstoß: Das Internationale Brucknerfest bezieht
mit ARS ELECTRONICA und der "Linzer Stahlsinfonie" nicht mehr nur
klassische Musikdarbietung ein: Zum ersten Mal tauchen, würde man
Mitwirkende beim Internationalen Brucknerfest Linz 1980 aneinanderreihen, neben
Namen wie Claudio Abbado oder Christa Ludwig Namen wie Adolf Gabriel, 1.
Ofenmann oder Ferdinand Hieslmair, Vorwalzer, auf.
Die "Linzer Stahlsinfonie" will am Beispiel der Stadt Linz
demonstrieren, inwiefern bei einem Kulturfestival die zwei Schwerpunkte einer
Stadt verbunden werden können: Das Industriezentrum und das Zentrum
kultureller Aktivitäten - Die Linzer Stahlsinfonie stellt eine Verbindung
her zwischen der VOEST-Alpine,
Österreichs größtem Eisen- und Stahlkonzern, und dem
Brucknerhaus, dem kulturellen Mittelpunkt der Stadt Linz.
Damit ist die "Linzer Stahlsinfonie" gleichzeitig der Versuch, an diesem Modell exemplarisch die Verbindung von Industriestadt und Kulturstadt zu demonstrieren.