Jede kleinere Einheit ist musikalisch als Fermate angelegt oder als Stop, als Halt, bei dem erstarrte Bewegung oder langsames Tempo den starken Gegensatz zu der herrschenden manischen Energie vermitteln. Videobilder beantworten und erweitern die Geschwindigkeit, den Grad, das Ausmaß der musikalischen und physischen Gebärde in direkter Beziehung zu dem Performer. Das Video wird also auf drei Ebenen eingesetzt: 1) Weiterführung der physischen Bewegung in direkt wahrnehmbare Beziehung; 2) Entwicklung vielfältiger Schattengestalten als Durchführung der musikalischen / verhaltensmäßigen Charakteristika ohne direkt auf Ebene 1 Bezug zu nehmen; 3) Projektion einer Reihe Unzusammenhängender, narrativer Bilder, die als Ursache und Wirkung fungieren. Diese drei strukturellen Ebenen ermöglichen Transformationsprozesse, die hier durch Ebene 2 ausgelöst werden. Im ersten Teil von BOX MAN wird Ebene 1 vierundzwanzigmal, Ebene 2 fünfzehnmal und die dritte Ebene dreimal auftreten. Außerdem wird jeder der zwei Hauptteile des Stückes durch ein pre- und ein postkausales Bild eingeleitet.
Der zweite Teil greift das langsame Tempo auf, das schon vorher im
Hintergrund der Bühne in der Bühnenausstattung vorgegeben war.
Während sich der erste Teil mit der Aufsplitterung eines einzelnen
befaßte, zeigt der zweite Teil diese Aufsplitterung gebrochen durch die
Linse des Kollektivs.
Nur das letzte Bild des Nachspiels bzw. des Zwischenspiels von Teil 1 wird
langsam ausgeblendet, sonst werden keine Bilder projiziert. Ein abstrakter
Wechsel des Tempos, der Perspektive, der räumlichen Dimensionen, der
Instrumentation (von Tenor auf Altposaune), der vorher aufgezeichneten
Tonbandeinspielungen (16 mehrspurige, vorprozessierte Posaunen) etc.
verdeutlichen den radikalen Wechsel von Tag zu Nacht und von einer inneren zu
einer äußeren Landschaft. Zart angedeutete Töne werden zu einem
Glissando und die Bewegung wird durch sitzende und liegende Stellungen negiert.
Der Posaunist schreitet ein Stück die Bühne hinauf und spielt den
letzten Ton des ersten Teils, da endet der Performanceabschnitt in einem Stop
und langsamer Auflösung. Es verbleibt ein schier bewegungsloses, sehr
schönes Videobild als Abschluß.
Dieses Werk beschäftigt sich mit mehreren Beziehungen: 1) Den Beziehungen zwischen einem Performer und seiner technologischen Fortführung durch direkte Audioverarbeitung über digitale Verzögerung und Signalprozessoren. 2) Beziehungen zwischen dem Live Performer und seinen vorher aufgenommenen und vorher komponierten Phantomgestalten, die nun durch Multiprojektionsvideo und mehrspurige Tonbandeinspielungen entstehen. 3) Den psychotemporalen und psycho-räumlichen Konsequenzen der vorher genannten Beziehungen, die den inneren Kampf zwischen dem einzelnen und dem Kollektiv darstellen und zwischen den Phantomgestalten, die durch Video, Beleuchtung, Bewegung und Ausstattung sichtbar gemacht werden. Der musikalische Ausdruck des Posaunisten bleibt strikt eindimensional trotz der aufgebrochenen visuellen Welt und der traumartig komprimierten, nicht-verbalen, imagistischen Zeit, in der er sich befindet; eine Zeit, die Erinnerungen an die Vergangenheit zerbricht und zukünftige Ereignisse vorwegnimmt.
BOX MAN bringt die obengenannten Beziehungen im Rahmen des Kontextes des erstaunlichen, gleichnamigen Romans des japanischen Schriftstellers KOBO ABE. Der Komponist stellt sich eine Inszenierung vor, die Video und Bewegung spiegelt, die strukturell alle formalen und artikulatorischen Attitüden, die in der musikalischen Komposition eingesetzt werden, zu einern straff durchkonzipierten Werk vereint. Die physische Inszenierung und der strukturelle Aufbau sind faktisch untrennbar verflochten.