Das Symposium "Im Netz der Systeme"
    diskutierte aktuelle Standpunkte in Philosophie,
    Ästhetik und neuerer Systemtheorie.
    Der Soziologe Dirk Baecker erweiterte die
    Luhmannsche Systemtheorie, Eva Meyer beleuchtete
    das Thema "Systeme" aus einer feministischen Perspektive
    und nahm vor allem auf "Selbstbeobachtung" und
    "Sprache als System" Bezug, Mario Perniola
    ging es um neue Aspekte der zeitgenössischen Erfahrung
    und ihre Umsetzung in neuen Medien.
    Weiters diskutierten Peter Gente, Peter Weibel, Adelheid Paris,
    Laszlo Beke, Annetta Pedretti und Franz Pichler.
    
    Das Projekt POOL PROCESSING von Idensen/Krohn
    dokumentierte das Symposium '89 im Hypertext-Stil.

        Mairo Perniola

        VIDEO-KULTUREN ALS SPIEGEL

        Sehr häufig wird das Video als dem Fernsehen entgegengesetzt dargestellt: während das Fernsehen ein Medium der Information und des Spektakels ist, bestünde dieser Ansicht nach die Eigenschaft des Videos in seiner Orientierung auf eine innere Welt hin, auf die Intimsphäre des Subjektes, das Video wird daher als eine Art Spiegel betrachtet.
        Diese Auffassung vom Video ist mit der Bedeutung und der Wichtigkeit verbunden, die das Phänomen des Narzißmus in den letzten zwanzig Jahren erlangt hat. Die Geschichte des Videos fällt zusammen mit der Geschichte der Kulturen des Bildes, mit neuen Verhaltens-Stilen, die einige Psychoanalytiker als "narzißtisch" definiert haben.

        Kann nun der Narzißmus eine eigenständige und einheitliche Kategorie darstellen, unter der man verschiedene Verhaltensstile wie Protestbewegungen und den Neo-Zynismus, die Performance-Bewegung und den Fundamentalismus zusammenfaßt? Diese - ganz offensichtlich einander entgegengesetzten - Phänomene, können die alle auf die Kultur des Bildes zurückgeführt werden? Findet die von den 60er Jahren eröffnete Epoche ihre Einheit im essentiellen Bezug zu dem neuen Spiegel, den das Video darstellt? In Wirklichkeit ist das Problem viel komplexer. Das Thema der verbrannten Spiegel ist in der gesamten westlichen Tradition vorhanden und keineswegs eine Erfindung der letzten zwanzig Jahre. Das neue Element ist ein ganz anderes: In der Video-Kultur ist das Essentielle nicht das Sich-Widerspiegeln, sondern das Zum-Spiegel-Werden. Die (verspiegelten) Ray-Ban-Sonnenbrillen sind da Symbol unserer Epoche. Aber was heißt es schon, Spiegel zu sein? Es ist eine kaum erforschte Dimension: Mit ein paar barocken Ausnahmen (Leibnitz, Perrault) bleibt das Spiegel-Sein eine nicht gedachte Möglichkeit. Und sie scheint mit einer Art der Entfremdung vom Menschlichen zu tun zu haben, die noch viel radikaler ist, als jene, die wir bisher untersucht haben.