Vorlesung
F.F. Beckmans wird während des Festivals als Franz Höllenkampf von
Rabotnik TV eine interaktive Vorlesung halten über mediakalen Wahnsinn,
psychoanalytische Betrachtungen und Hirntumorformen. Die Vorlesung selbst wird
Apparaturen ansteuern, welche wiederum die Vorlesung bestimmen werden, und als
äußerste Konsequenz die Verhinderung der Vorlesung und das
selbständige Weiterfunktionieren der elektronischen Apparatur beinhaltet.
Es wird damit ein Prozeß in Gang gesetzt, wobei sowohl der Mensch wie
auch die Maschinerie reagieren muß, um das Ganze im Laufen zu halten. Die
gegenseitige Beeinflussung kann man am Anfang nicht gerade eine Art von
Kommunizieren nennen; es ist eher ein lautes Durcheinanderschreien um
Aufmerksamkeit. Nach einer gewissen Zeit werden sich Mensch und Maschine
verketten, wobei beide Interpretierbares von sich geben. Aktive Intervalle
unterstützen das Ganze.
Das Mittwoch Zimmer
Klänge knallen bis tief in meine eigene Hirntumorform. Die Hornhaut auf
meinen Augen läßt noch nicht viel Licht durch. Aber dann
plötzlich unverkennbar ist auch ein Bild anwesend, das mich hinweist auf
die nicht nachfolgbare stillose Bildersequenz mit all ihren modrigen und
hinfälligen Merkwürdigkeiten, die durch Rabotnik TV gesteuert sind
und in mein alltägliches Mittwoch-Zimmer geschleudert werden. Das
mediakale Verlangen zwingt mich jedes mal wieder sehen zu müssen.
Messerscharf gestochen sind die Russen, Rakten, erigierte Schwänze,
singender Scharlatan, mutierte Schwächlinge, eingemachte Waldameisen,
geschorene Fotzen, Kalbshirne. Nachdem da in der Röhre von den
Mitarbeitern von Rabotnik TV kolumbianische Waldameisen verzehrt wurden,
erscheint noch rechtzeitig eine Telefonnummer, ich versuche eine halbe Stunde
vergeblich da anzurufen, und dann gelingt es mir, es dreht ich ein Band mit
anderthalb Minuten Gestöhne.
Der Mediawolf
Ich bin der Mediawolf mit Hornhaut auf Augen und Ohren. Ich will alles sehen
und hören. Nicht nur das, was mich verführen kann. Von der Natur
dürfen wir alles sehen und hören, was wir wahrnehmen können.
Wenn es aber um den Menschen geht, gibt es viele Tabus. Der scheidende
König des Urwaldes, der Löwe, darf es ohne weiteres in einem
Naturfilm. Aber haben Sie schon mal eine kakkende Königin gesehen? Ein
Kalbshirn ist eine Delikatesse. Für das Menschenhirn, welches ich im
anatomischen Institut einer Universität halten durfte, galt absolutes
Fotografierverbot. Wir wissen nicht, wie unser eigenes Hirn arbeitet, nur
daß es arbeitet und wir es gebrauchen können. Für das Publikum
gilt dasselbe für die aktuelle Kunstform mit neuen Medien. Wie sie
arbeitet, begreift man meistens nicht. Daß sie funktioniert und daß
etwas passiert, ist wesentlich für den Betrachter, während die meiste
Energie durch den Künstler in den Prozeß fließt.
Kartoffelkrieg I.A.
Jeden Mittwochabend gehe ich als nimmersattes Medienwolf zu einer
Klangperformance, aufgeführt von einem ständig betrunkenen Trio
polnischer Audionauten. In einem wirklich idyllisch-dunklen Innenhof hörte
ich eine sehr langweilige Klangcollage, wobei nur zwitschernde Vögel zu
hören waren. Mücken stachen in meinen Nacken. Es wurde erst
interessant, als einer der Polen versuchte, das ganze mit
mikrophonverstärkter Stimme zu begleiten. Es blieb beim Versuch, denn
schon nach kurzer Zeit begann ein altes Weib zu schreien, daß es eine
Schweinerei wäre, abends nach neun noch so einen Lärm zu machen. Sie
benutzte ihr ganzes Repertoire an schmutzigen Wörtern. Das Publikum
ergriff die Gelegenheit und kreischte fünf Minuten lang zurück, wobei
die Vögel immer lustig weitersangen. Es dauerte nicht lange, als etwas
durch die Gegend sauste. Aus einer anderen Richtung wurden ungekochte Kartoffel
ins Publikum katapultiert. Herrlich. Hinter wem werde ich wohl Deckung suchen
in diese Kartoffelkrieg. Einer fing an zurückzuwerfen. Zerbrechende
Fenster, von einem Balkon ruft jemand, daß die Vögel ihre Schnauze
hallen sollen, und dann wird natürlich auch schnell die Polizei gerufen.
Unmerklich ging das Konzert unterdessen zu Ende. Den polnischen Künstlern
wurde herzlich gratuliert, aber nicht zu ihrer Performance, dafür war die
Interaktion zu groß.