The Bien: Abwesenheit in Wachs und Beton

Stefan Mittlböck-Jungwirth-Fohringer porträtiert mit The Bien ein ausgestorbenes Bienenvolk – und zwar durch seine Abwesenheit. Die Arbeit wird am Ars Electronica Festival von 6. bis 10. September 2018 im Mariendom in Linz zu sehen sein. Im Interview erfahren Sie mehr.

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Die Betonflächen zeigen Abdrücke von Bienenwaben, verzerrte Geräusche klingen aus Lautsprechern, die Oberfläche der Arbeit ist seltsam sanft – fast wie Wachs. The Bien von Stefan Mittlböck-Jungwirth-Fohringer befasst sich künstlerisch und ästhetisch mit dem Aussterben eines ganzen Bienenvolks. Trauer und Frustration über die Abwesenheit der Honigbienen verwandeln sich  so in monatelanger Gießarbeit in ein Kunstwerk, das ein Bienenvolk rein über seine Abwesenheit porträtiert.

Wir haben uns mit Stefan Mittlböck-Jungwirth-Fohringer in seinem Atelier bei Linz getroffen und ihm im Arbeitsprozess über die Schulter geschaut. Im Interview verrät der Künstler mehr über The Bien, das dieses Jahr am Ars Electronica Festival, von 6. bis 10. September im Mariendom Linz, zu sehen sein wird.

Stefan, wie entstand die Arbeit The Bien?

Stefan Mittlböck-Jungwirth-Fohringer: Die grundsätzliche Beschäftigung entstand aus meiner künstlerischen Forschung mit der Honigbiene, ausgelöst von der Abwesenheit der Biene durch die Colony Collapse Disorder, bei der das Bienenvolk ausstirbt. Bienen haben die Eigenschaft, dass sie, wenn sie krank sind, das Volk verlassen. Ein bisschen ausgelöst von meiner Trauer und ein Stück weit auch Frustration über die plötzliche Abwesenheit des Bienenvolkes, war ich neugierig darauf, was passiert, wenn man das leere Bienenvolk sich selbst oder der Natur überlässt. Wer zieht stattdessen ein? Wie sieht das aus? Ich habe gelernt, dass viele andere Lebewesen den Bienenstock übernehmen: Tiere wie Ameisen, Hornissen oder Igel, die sich am Wachs laben, nicht zu vergessen auch die Wachsmotte. Im Aufräumprozess bleibt am Ende Wachs übrig, und genau dieses Wachs dient mir als Ausgangsmaterial für meine künstlerischen Arbeiten.

Es ist also sozusagen ein Produkt meiner künstlerischen Forschung mit der Honigbiene, dass das Wachs für mich als Gestaltungsmaterial zur Verfügung steht und es dann wieder einem Transformationsprozess zugeführt wird. Das ist generell in meinen Arbeiten sehr wichtig: etwas zu nehmen und als Künstler zu verändern, zu transformieren, zu bearbeiten, um dann daraus Neues zu schaffen und zu gestalten.

The Bien ist letztendlich der Versuch, eine Idee in diesem Transformationsprozess mit Beton zu manifestieren und so eine Art Porträt von dem Bienenvolk zu gestalten. Der Name The Bien ist eine ältere Bezeichnung für ein Bienenvolk. Zu den Betonplatten kommt Sound, Noise, inspiriert vom akustischen Erlebnis, das man hat, wenn man mit Bienen arbeitet. Als Imker oder Imkerin hat man mit vielen unterschiedlichen Geräuschen zu tun, man diagnostiziert anhand von Geräuschen, wie es den Bienen geht, ob sie aufgebracht, in guter Stimmung oder sanftmütig sind. Das habe ich versucht, in Ton umzuwandeln. Hier spielt ebenso wieder die Transformation eine große Rolle, ich nehme Bestehendes und versuche, es zu zerteilen, zu zerstückeln, und Neues daraus zu formen.

Credit: Stefan Mittlböck-Jungwirth-Fohringer

Du gehst von sehr weichem Material, Wachs, aus und arbeitest dann mit Beton – weshalb?

Stefan Mittlböck-Jungwirth-Fohringer:  Beton ist immer so glatt wie die Form. Ein so vergängliches, weiches Material wie Wachs in Beton zu konservieren, finde ich eine sehr spannende Herausforderung oder Herangehensweise. Das spiegelt sich auch wieder: Man sieht die Oberfläche des Wachses im Beton, man spürt sie auch. Ich finde es interessant, das in dieser Form zu konservieren und sozusagen einen Status Quo des Wachses festzuhalten.

Wie begann deine Faszination mit der Honigbiene?

Stefan Mittlböck-Jungwirth-Fohringer: Es ist ein persönliches Interesse. Die Honigbiene begleitet mich seit der Kindheit, mein Vater hatte Bienen. Die Imkerei faszinierte mich schon lange, vor einigen Jahren habe ich dann entschieden, das zum Thema meiner künstlerischen Forschung zu machen. Ich wollte wissen, was ich aus der Arbeit mit den Bienen lernen kann. Was heißt das für meine künstlerische Produktion? Was können wir als Kollektiv oder kollektive Künstlergruppen in Hinblick auf Produktionsweisen lernen? Was bedeutet das für die Ästhetik?

Credit: Stefan Mittlböck-Jungwirth-Fohringer

Wenn ein Bienenvolk an der Colony Collapse Disorder stirbt – hat man dann einen Fehler gemacht?

Stefan Mittlböck-Jungwirth-Fohringer: Man ist natürlich immer damit konfrontiert, wenn ein Bienenvolk stirbt. Auch als Imker muss man sich immer der Schuldfrage stellen. Obwohl einer der Grundsätze in diesen Ausbildungen ist, dass Scham und Schuld nichts in der Imkerei verloren haben! Es gibt sehr viele Faktoren in der imkerlichen Praxis, die man nicht beeinflussen kann. Aber nichtsdestotrotz sind vielleicht Fehler passiert. Wir haben die Varroamilbe eingeschleppt, weil wir sehen wollten, wie die europäische Biene damit zurechtkommt. Außerdem haben wir die Rasse der Carnica Biene gezüchtet, die sehr sanftmütig und fleißig ist, aber dafür Widerstandsfähigkeit oder Verteidigungsfähigkeit eingebüßt hat. Da kann man natürlich darüber nachdenken, inwiefern es ein Fehler ist, einzugreifen und es uns leicht zu machen. Es ist eine Frage nach Kapitalismus und Ausbeutung, bis hin zu persönlichen Fragen: Habe ich alles gemacht? Habe ich sie zeitgerecht gegen die Varroamilbe behandelt, mit den richtigen Methoden? Habe ich gut beobachtet, war das Volk zu klein, stimmten die Futtervorräte? Das schwierige ist, zu wissen, wo das aufhört. Es gibt sehr viele höchsterfahrene und gute Imker und Imkerinnen, denen 80 Prozent der Völker im Winter dahingerafft werden. Also es gibt kein Rezept dafür, wie es funktioniert. Was ich für mich sagen kann: Man fühlt sich definitiv schlecht. Wobei das auch eine moralische Bewertung ist. Ich habe für mich entschieden, zu versuchen, trotzdem positiv vorwärts zu schauen und zu sagen, nächstes Mal mache ich es besser.

Credit: Stefan Mittlböck-Jungwirth-Fohringer

Wenn man vom Bienensterben spricht, schwingt immer der Fehler oder die Frage mit, wie wir mit unserer Umwelt ganz generell umgehen.

Stefan Mittlböck-Jungwirth-Fohringer: Genau. Es geht hier auch wirklich um den industriellen Umgang mit der Umwelt: Wie kann man schnellstmöglich den meisten Ertrag erwirtschaften? Das spiegelt sich letztendlich in der ganzen Landwirtschaft wieder und zeigt sich letztendlich auch am Sterben der Bienen. Hier fallen auch Neonicotinoide rein, diese ganzen Pflanzenschutzmittel, „Schutz“ unter Anführungszeichen, die eingesetzt werden aber die gleichzeitig den Organismen Schaden zufügen. In der gesamten Thematik schwingt Trauer mit, wie wir als Menschen mit diesem Thema umgehen.

Was wäre für dich eine Strategie, mit diesem menschlichen Versagen umzugehen?

Stefan Mittlböck-Jungwirth-Fohringer: Es kann nur ein Lernen sein. Ein Lernen in dem Sinn, dass man sagt, es sind Fehler passiert, also muss man schauen, wie man das wiedergutmachen kann. Das ist vielleicht ein bisschen blauäugig, oder naiv, aber unterm Strich glaube ich daran.

Das ist eine interessante Einstellung dafür, dass du den Fehler sozusagen einbetonierst…

Stefan Mittlböck-Jungwirth-Fohringer: Mir ist es wichtig, nicht mit dem Finger auf etwas zu zeigen. Es ist ein Versuch, neutral die Abwesenheit von etwas zu betrachten. Wenn man diese Bilder ansieht und auch die Betonfläche, hat es vielleicht schon etwas Dystopisches. Hauptsächlich aber schwingt für mich das Thema der Ästhetik mit, des Gestalterischen, des Formalen. Es ist so, als ob ich eine Landschaft zeichnen und den Hintergrund skizzieren würde, aber den Baum, der vorne steht, weglasse. Das heißt, ich porträtiere etwas durch Abwesenheit. Ähnlich ist die Herangehensweise an dieser Stelle. Mit den Betonbildern, dem leeren Bienenstock und mit den dekonstruierten Sounds, die zur Stimmung beitragen sollen und werden, versuche ich, etwas festzuhalten. Letztendlich ist es ein Festhalten eines Momentes.

Stefan Mittlböck-Jungwirth-Fohringer ist Lead Producer und Artist am Ars Electronica Futurelab. Er studierte Bildende Kunst und Kulturwissenschaften im Studienzwei Malerei und Graphik an der Kunstuniversität Linz und ist seit 2012 PhD Kandidat bei Prof. Dr. Karin Bruns beziehungsweise Prof. Dr. Thomas Macho. Seit 2001 arbeitet er beim Ars Electronica Futurelab, seit 2006 ist er außerdem Mitglied in der Künstlervereinigung MAERZ.

Die Arbeit The Bien von Stefan Mittlböck-Jungwirth-Fohringer wird am Ars Electronica Festival von 6. Bis 10. September 2018 im Mariendom in Linz zu sehen sein. Mehr dazu auf unserer Programmwebseite.

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