Ich glaube, wir sollten uns zunächst einmal die Begriffe näher
anzusehen, die heute in diesem Vortrag eine besondere Rolle spielen werden
- Globalisierung, Entwicklung und unabhängige Medien. Dazu brauchen
wir nicht unbedingt auf die wortgenaue Erklärung laut Lexikon zurückzugreifen,
denn wir sind alle längst übersättigt durch derlei Definitionen.
Was uns jedoch in der gegenwärtigen Phase des globalen Konflikts
interessieren sollte, ist die Frage, was diese Begriffe denn eigentlich
für die Menschen in Afrika bedeuten, die sich erst seit kurzem mit
dem Verständnis ihrer Bedeutung herumschlagen. Und ein Hinweis: Um
meinen Vortrag und diese Präsentation besser gestalten zu können,
möchte ich mich in erster Linie auf Nigeria als Fallstudie beziehen,
allerdings mit kleinen Ausflügen auch in andere Teile Afrikas.
Globalisierung ist für den durchschnittlichen
Afrikaner nichts weiter als ein Synonym für Neo-Kolonialismus.
Ein System, das einfach in Kraft getreten ist, ohne dass die Menschen
in Afrika jemals um ihre Meinung gefragt worden wären ... eine zweite
Welle der Kolonialisierung, die sich nicht im geringsten um das Wohlergehen
der Menschen kümmert und ausschließlich der Förderung
der Unternehmen und ihrer Gewinne dient. Vor Ort kann ein Afrikaner keinen
Unterschied zwischen der wirtschaftlichen Globalisierung, dem Neo-Kolonialismus
und der Globalisierung insgesamt erkennen. Für ihn ist das Wort "Globalisierung"
nichts weiter als ein Betrug, er glaubt, es müsste eigentlich "wirtschaftliche
Globalisierung" heißen und sei schlicht die Grundlage für
einen neuen weltweiten Kolonialismus (Neo-Kolonialismus). Der Afrikaner
steht in dieser Situation vor der immer gleichen Frage: Wenn die Globalisierung
echt und real ist und wenn sie eine gleichmäßige globale Entwicklung
zum Ziel hat, warum werden dann Wohlstand, Gesundheit, Bildung, Technologie
etc. immer nur im Norden gefördert und finanziert (also in Europa
und Amerika), während zur gleichen Zeit auf dem selben Globus, auf
dem die Globalisierung doch angeblich Brücken schlägt, anderen
Regionen wie eben Afrika durch die international tätigen Unternehmen
und ihre Verfechter einer wirtschaftlichen Globalisierung Leiden zugefügt
werden, die sich in Form von Verschuldung, Armut, ökologischer Ausbeutung,
Hunger, Korruption etc. äußern? Das Wachstums Afrikas liegt
in den Händen Afrikas, das wissen wir, aber wäre es dann nicht
auch klug, Afrika zumindest die Chance eines Wachstums einzuräumen?
Entwicklung bedeutet in Afrika die nachhaltige
und gerechte Verteilung von Erlösen. Der Großteil der in Afrika
stattfindenden Entwicklung, die als historische Errungenschaft des Kontinents
gelten darf, hat sich zumeist lokal und ohne Einfluss ausländischer
Organisationen vollzogen. Nur diese Form der Entwicklung hat sich im Laufe
der Zeit weltweit bewährt. Die Binis in Nigeria sind beispielsweise
für ihre große Kunstfertigkeit bekannt, sie erzeugen Kunst,
die weltweit stets reißenden Absatz findet - auf Grund der Einzigartigkeit
des Marktes. Oder Ägypten: Dieses Land lebt bis heute im Ruhm seiner
Vergangenheit als eines jener Länder, in denen die Zivilisation dieser
Welt ihren Ausgang genommen hat.
Traditionell herrschte in Afrika immer die Ansicht vor, die Medien
(oder auch die Journalisten) seien Botschafter der Wahrheit. Allerdings
mussten von dieser Begriffsdefinition im Laufe der Zeit und auf Grund
der zunehmenden wirtschaftlichen Globalisierung Abstriche gemacht werden.
Heute herrscht ein System, das die Medien als Werkzeug verwendet, um die
eigene betrügerische Politik an die Massen zu verkaufen. Seit Menschengedenken
ist von keiner traditionellen afrikanischen Gemeinschaft die Tötung
eines Journalisten bekannt ... immerhin galten Journalisten immer als
ganz besondere Menschen, die nur die Wahrheit sagen und für diese
ihre Haltung allseits respektiert werden. Es ist der Neokolonialismus
(oder die Globalisierung), der heute dafür verantwortlich gemacht
werden muss, ein korruptes System eingeführt zu haben, in dem die
politischen Führer und Herrscher Afrikas darauf sinnen, unsere lokalen
Medien zu korrumpieren und sie zur Durchsetzung ihrer profitorientierten
Interessen zu missbrauchen. Verletzung von Menschenrechten, Tötung
von Journalisten und sonstige korrupte Praktiken den Medien gegenüber
müssen auf den triumphalen Einzug der Globalisierung zurückgeführt
werden, die Afrika die multinationalen Institutionen und ihre staatlichen
Verbündeten beschert hat.
Afrika, so kann man sagen, befand sich vor Beginn der Globalisierung
auf dem richtigen Entwicklungskurs. Wir glaubten an unsere eigene strukturierte
Entwicklung und hatten eine klare Richtung vor Augen. Heute müssen
wir feststellen, dass die Entwicklungsbestrebungen unseres Kontinents
von der wirtschaftlichen Globalisierung mit harter Faust zerschlagen werden.
Man kann sich dabei auch nur schwer auf den "abstrakten" Charakter
der Globalisierung berufen, denn jüngste Studien und Vorkommnisse
haben das wahre Gesicht der Globalisierung, das Gesicht hinter der Maske,
bloßgestellt. Man kann heute über Globalisierung und ihre hemmende
Wirkung auf die Entwicklung in Afrika nicht diskutieren, ohne Namen wie
jene der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der
Welthandelsorganisation (WTO) zu nennen.. Diese Organisationen wurden
zuletzt als die Triebkräfte hinter dem Neokolonialismus genannt,
sind doch sie es, die Darlehen vergeben, einschlägige Initiativen
einleiten und Propaganda für den freien Markt machen.
Für die meisten afrikanischen Länder, die auf einen langen und
dornenreichen Weg in ihre Unabhängigkeit zurückblicken, weicht
die Euphorie, die sie glauben ließ, politische Freiheit müsse
automatisch mit wirtschaftlichem Wohlergehen einhergehen, zunehmend der
traurigen Gewissheit, dass die Mächte des Westens geradezu diabolische
Methoden einsetzen, um den Kontinent Afrika in seinen Möglichkeiten
zu beschneiden. Vor allem der Internationale Währungsfonds IWF verfolgt
diese imperialistischen Ziele, und er tut dies in vielerlei Verkleidungen,
etwa mit Hilfe einer extremen Auslandsverschuldung und der Planung von
Pseudoreformen, deren Eckpfeiler die Abschaffung der Subventionen für
Bereiche ist, die für das menschliche Leben nun einmal essenziell
sind. Insbesondere die Schuldenlast der afrikanischen Staaten hat sich
zu einem Teufelskreis entwickelt, der die wirtschaftliche Misere laufend
perpetuiert, und dies unabhängig davon, wie gut die damit befassten
Experten die proklamierte staatliche Politik umsetzen oder auch nicht.
Überall in Afrika wird der brutale Einfluss des IWF und der Weltbank
spürbar, er bedroht das gedeihliche Fortbestehen der gesamten Region.
Die Politik der genannten Institutionen hat unsere Wirtschaft, unser Gesundheitssystem,
die Wasserversorgung und andere wesentliche Lebensgrundlagen von Grund
auf zerstört.
Nach den Aussagen von Ann-Louise Colgan, einer für Africa Action
tätigen Wissenschaftlerin, "ist Gesundheit ein fundamentales
Menschenrecht, das auch in der Universellen Menschenrechtsdeklaration
aus 1948 und in der Konstitution der Weltgesundheitsorganisation WHO (1946)
grundgelegt ist. Gesundheit ist aber auch ein wesentlicher Bestandteil
der Entwicklung, lebenswichtig für Wachstum und innere Stabilität
einer Nation".
In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben die Weltbank und der Internationale
Währungsfonds IWF das Gesundheitswesen in Afrika durch die von ihnen
vorgeschriebene Politik bedrohlich unterminiert. Die Abhängigkeit
der armen und hoch verschuldeten afrikanischen Staaten von Darlehen der
Weltbank und des IWF gibt diesen Organisationen einen Hebel in die Hand,
um die Wirtschaftspolitik der Darlehensnehmer zu kontrollieren. So zwang
die von Weltbank und IWF vorgegebene Politik die Regierungen Afrikas,
ihre Volkswirtschaften verstärkt in die internationalen Märkte
zu integrieren, was leider auf Kosten der sozialen Dienstleistungen und
langfristigen Entwicklungsprioritäten der betroffenen Länder
geht. Sie beschneiden damit die Funktionen des Staates ebenso wie die
staatlichen Ausgabenprogramme.
Während es vielen afrikanischen Staaten in den ersten Jahrzehnten
nach Erlangung ihrer Unabhängigkeit durchaus gelang, ihre Gesundheitssysteme
zu verbessern, verkehrten die Eingriffe von Weltbank und IWF diesen Fortschritt
in sein absolutes Gegenteil. Die staatlichen Investitionen in das Gesundheitswesen,
die von afrikanischen Regierungen in den siebziger Jahren getätigt
wurden, führten zu echten Verbesserungen der wichtigsten Gesundheitsindikatoren
in diesen Ländern. So konnte die Kindersterblichkeit in Kenia beispielsweise
innerhalb von 20 Jahren nach Erlangung der Unabhängigkeit im Jahr
1963 um beinahe 50% gesenkt werden. Im gesamten Afrika südlich der
Sahara brachten die ersten Jahrzehnte der Unabhängigkeit eine deutliche
Erhöhung der Lebenserwartung, die von durchschnittlich 44 Jahren
auf über 50 Jahre anstieg.
Dann jedoch, in den achtziger und neunziger Jahren, waren die afrikanischen
Regierungen gezwungen, die Kontrolle über ihre wirtschaftlichen Entscheidungen
wieder abzugeben, um die Voraussetzungen für Darlehensaufnahmen bei
Weltbank und IWF zu erfüllen. Die Bedingungen, die an diese Darlehen
gebunden waren, machten einen Großteil der Fortschritte, die im
öffentlichen Gesundheitswesen erzielt worden waren, wieder zunichte.
Auf diesem Wege verschärfte die von Weltbank und IWF diktierte Politik
die Armut und schuf mit dem neuen Elend ein Klima, in dem HIV-Infektionen,
also AIDS, und andere Infektionskrankheiten besonders gut gedeihen. Die
verordnete Kürzung der Gesundheitsbudgets und die Privatisierung
des Gesundheitswesens machte alle vorherigen Fortschritte auf dem Gesundheitssektor
rückgängig und schwächte die Fähigkeit der afrikanischen
Regierungen, sich erfolgreich der wachsenden Gesundheitskrise zu stellen.
Es ist nicht verwunderlich, dass die Lebenserwartung der Afrikaner in
den letzten 20 Jahren neuerlich um 15 Jahre gesunken ist.
Der Einfluss, den IWF, Weltbank und Konsorten auf Afrika ausüben,
ist in internationalen Diskussionen längst kein neues Thema mehr.
Wir alle wissen über die Umstände der Gründung von Weltbank
und IWF anlässlich der Bretton-Woods-Konferenz in New Hampshire,
USA, im Jahr 1944 Bescheid. Diese Organisationen waren als die Säulen
konzipiert, auf denen die wirtschaftliche Nachkriegsordnung der Welt ruhen
sollte. Arbeitsschwerpunkt der Weltbank ist die Bereitstellung langfristiger
Darlehen zur Unterstützung von Entwicklungsprojekten und Programmen.
Der IWF hingegen konzentriert sich auf die Bereitstellung von Darlehen
zur Stabilisierung von Ländern in kurzfristigen Finanzkrisen.
Weltbank wie IWF konnten ihren Einfluss in Afrika anlässlich der
Wirtschaftskrise zu Beginn der achtziger Jahre erheblich ausbauen. Ende
der siebziger Jahre setzten die hohen Ölpreise, steigende Zinssätze
und rückläufige Preise sonstiger Grundstoffe viele arme afrikanische
Länder außerstande, die immer höher werdenden Auslandsschulden
zu bedienen. Zu Beginn der achtziger Jahre hatte die afrikanische Schuldenkrise
ein bedrohliches Ausmaß angenommen. Das Verhältnis Auslandsverschuldung
- Exporterlöse stieg auf 500 Prozent.Die afrikanischen Länder
benötigten immer größere Beträge in "harten
Währungen" (also etwa konvertible ausländische Währungen
wie Dollar oder EUR), um ihre externen Schulden zurückzahlen zu können.
Zugleich aber ging ihr Anteil am Welthandel zurück, und ihre Exporterlöse
sanken ebenso wie die Weltmarktpreise für Primärgüter.
Da viele afrikanische Länder Güter, die sie selbst nicht produzieren,
importierten, ergab sich eine zunehmend negative Außenhandelsbilanz.
Die Probleme mit dem Zahlungsbilanzsaldo verschärften sich, zugleich
erreichte die Auslandsverschuldung ein nicht länger haltbares Niveau.
Um die aushaftenden Schulden bezahlen zu können, aber auch zur Befriedigung
der heimischen Bedürfnisse, benötigten die Regierungen Afrikas
Geld. Auf diese Weise wurden Weltbank und IWF zu den wichtigsten Kreditgebern
für Länder, die anderswo keine Mittel mehr auftreiben konnten.
Schließlich übernahmen sie die frühere Funktion reicher
Staaten und privater Banken als wichtigste Darlehensquelle für arme
Länder. Sie gewährten afrikanischen Staaten "Hartwährungskredite",
mit denen diese ihre Auslandsschulden begleichen und die wirtschaftliche
Stabilität wieder herstellen sollten. Es überrascht wohl nicht,
dass gerade die Regierungen der weltweit reichsten Länder in Weltbank
und IWF den Ton angeben. Die früheren "G7" (USA, Großbritannien,
Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien und Japan) verfügen zusammen
über mehr als 40% der Stimmen in den Entscheidungsgremien dieser
Institutionen, die USA allein über beinahe 20 Prozent.
Der Einfluss von IWF und Weltbank auf die Entwicklungsbestrebungen in
Afrika stellt derzeit für die meisten Länder des Kontinents
ein echtes Problem dar. Sogar jene, die es letztlich geschafft haben,
Demokratien zu werden, leiden. Nigeria ist eines dieser Länder, die
gegenwärtig mit Entwicklungs- und politischen Problemen zu kämpfen
haben. Die großen Industriestaaten der Erde vollzogen ihre eigene
Entwicklung unter ganz anderen Bedingungen, als Weltbank und IWF den afrikanischen
Regierungen nun diktieren. Die USA und die Länder Westeuropas räumten
dem Staat in ökonomischen Belangen sehr wohl eine zentrale Rolle
ein, sie betrieben einen massiven Protektionismus und subventionierten
ihre heimischen Industrien. Gezwungen, den Programmen von Weltbank und
IWF zu folgen, sind die afrikanischen Länder dagegen dazu verdammt,
gerade jene Gelder, die den reichen Staaten in ihrem Wachstum und ihrer
Entwicklung geholfen hatten, zu kürzen oder sie ganz zu streichen.
Glaubt man einem am 8. Mai 2002 erschienenen Artikel in Newswatch, Thema
"Global Policy", so hat sich der nigerianische Finanzminister,
Adamu Ciroma, folgendermaßen zur Höhe der nigerianischen Verschuldung
geäußert. Er soll unter anderem gesagt haben:
Im Jahr 1984 betrug unsere Verschuldung beim Internationalen
Währungsfonds USD 5,5 Milliarden. Seit dieser Zeit mussten wir
USD 17,5 Milliarden an Zinsen bezahlen. Säumige Zahler werden durch
einen Aufschlag bestraft; ein sehr hoher Teil der von uns getätigten
Zahlungen fließt direkt in den Zinsendienst und kann nicht zur
Rückzahlung des Kapitals verwendet werden. Heute halten wir bei
einem aushaftenden Schuldenstand von USD 28 Milliarden.
Das verschlungene System von Zins und Zinseszins stellt tatsächlich
einen Betrug an den leidenden Menschen dar. Wer das nicht glaubt, sollte
sich noch einmal den Minister anhören: "Der
IWF verfolgt eine Strategie, der zufolge kein Drittweltstaat schuldenfrei
sein soll. Der Plan dieser Organisation sieht vor, dass alle Länder
dauerhaft verschuldet sind, - ein wirklich sehr ungerechter Plan."
Dieser Aufschrei fand auch in anderen hörenswerten Wortmeldungen
ein Echo. Anlässlich der jüngst zu Ende gegangenen internationalen
Konferenz über die Finanzierung von Entwicklungsaktivitäten
in Monterrey, Mexico, gab Präsident Olusegun Obasanjo seinem Unmut
über das Schuldenproblem Nigerias Ausdruck. Er beklagte, Nigeria
habe in den vergangenen drei Jahren fünf Milliarden USD nur zur Bedienung
der Darlehenszinsen aufwenden müssen, obwohl das aufgenommene Kapital
eigentlich doch schon zweimal zurückgezahlt worden sei.
Es sollte uns wirklich betroffen machen zu hören, dass selbst nachdem
Rückzahlungen in doppelter Höhe des aufgenommenen Kapitals getätigt
wurden, immer noch ein Fehlbetrag in dreifacher Höhe des Kapitals
aushaftet. Oder wie fänden Sie die mathematische Gleichung: einmal
zwei ist gleich minus drei? Welche Arrangements auch immer es sind, die
solche Zustände hervorbringen, man kann sie nicht anders als gewissenlos,
grausam und ungerecht bezeichnen. Die Schuldenhöhe mag zwar rechtlich
abgesichert sein, doch im Lichte der sich vertiefenden Kluft zwischen
Recht und Gerechtigkeit sollten wir endlich auch den Faktor Moral in dieses
Szenario einführen.
Die Tatsache, dass wir unsere Schulden bereits zweimal zurückgezahlt
haben, könnte sehr wohl eine moralische Grundlage und einen Ausgangspunkt
für die Bildung einer internationalen Koalition gegen diese moderne
Form der Sklaverei darstellen. Betrachtet man im Kontrast dazu die günstigen
Entwicklungsbedingungen, die anderen Regionen der Erde eingeräumt
werden, erscheinen die Fesseln der Auslandsverschuldung, dieses Damoklesschwert,
das über Afrika hängt, plötzlich schockierend und beschämend
rassistisch. Die internationale Finanzwelt stinkt, grob gesprochen, gegen
den Wind, sie verfolgt eine doppelbödige Moral, gewürzt mit
einem deutlichen Quäntchen Rassismus.
Afrikanische Länder benötigen beträchtliche Investitionen
in ihr Gesundheits- und Bildungswesen sowie in die Infrastruktur, bevor
sie in den internationalen Wettbewerb eintreten können. Weltbank
und IWF dagegen haben diese Länder gezwungen, die staatliche Unterstützung
und den Schutz für soziale und ökonomische Aktivitäten
zurückzunehmen. Sie bestanden darauf, die schwachen afrikanischen
Volkswirtschaften in Märkte zu zwingen, auf denen sie mit der Macht
des internationalen Privatsektors keinesfalls konkurrieren können.
Diese Politik musste die wirtschaftliche Entwicklung afrikanischer Länder
nur noch weiter untergraben.
Es braucht nicht eigens erwähnt zu werden, dass es die afrikanischen
Länder mit denselben oder besseren Kreditkonditionen als andere Regionen
der Erde sicherlich leichter hätten, die Geißeln der Armut,
des Analphabetismus und der Krankheiten zu bekämpfen. Doch meinen
es die internationalen Mütter und Väter wirklich gut mit Afrika?
Nein, denn nur deshalb schrumpfen die Volkswirtschaften dieses Kontinents
laufend, und niemand versteht genau, was da eigentlich vor sich geht.
Je strikter sich Afrika in seiner Entwicklung an globale Regelungen und
Vorschriften hält, desto stärker scheinen unsichtbare Kräfte
alle Bemühungen dieses Kontinents zunichte zu machen. Afrika verdient
die Luft zum Atmen, die es braucht. Es kann doch nicht im Interesse der
Menschheit sein, Afrika auf den Status eines Bettlers in Lumpen zu erniedrigen,
der sich von den kümmerlichen Brosamen der globalen Wirtschaft ernährt.
Afrika sollte wie alle anderen am gemeinsamen Tisch der Prosperität
Platz finden. Die Fortführung der gegenwärtigen ungerechten
Behandlung bedeutet für Afrika, dass der Kontinent für immer
in seiner Depression verharren muss, mit geringen Aussichten, jemals zu
einem Partner in globalen Belangen zu werden. Auf alle Forderungen im
Zusammenhang mit diesen Pseudoschulden zu verzichten, ist eigentlich das
Mindeste, was die Industriestaaten tun können und sollten. Sie dürfen
nicht wie bisher Kräfte entfesseln, die nur Armut hervorbringen,
während sie doch Demokratie und Menschenrechte predigen.
Wer von der Doppelbödigkeit der hier herrschenden Moral noch nicht
überzeugt ist, oder wer nicht an ihre nachteiligen Auswirkungen glaubt,
sollte die Geschichte der IWF-Politik in Afrika genauer studieren. Um
zu verstehen, wie die Streichung von Subventionen eine Volkswirtschaft
ruinieren kann, folgen Sie mir doch bitte auf einem kurzen historischen
Exkurs über die jüngsten Entwicklungen in Ghana. Es ist noch
gar nicht lange her, da gab es in Ghana ein hervorragend funktionierendes
nationales Gesundheitswesen. Doch dann kam der IWF, bewaffnet mit einem
funkelnagelneuen "Kostendeckungsplan", der die Streichung der
bisherigen Subventionen durch die Regierung vorsah und verfügte,
dass die Menschen für alle Leistungen von der Bildung über das
Gesundheitswesen und die Wasserversorgung bis hin zu allen anderen Versorgungseinrichtungen
bezahlen sollten.
Das brachte die öffentlichen Dienstleistungen sozusagen in eine Cash-and-Carry-Situation.
Die Patienten bezahlen für jeden Arztbesuch und alle Einzelleistungen,
ob chirurgischer Eingriff, Medikamente, Blutkonserven, Wattetupfer, Nadeln,
Skalpelle, was auch immer. Es gibt einige nachweisliche Fälle von
Menschen, die in den Krankenhäusern gefangen gehalten wurden, weil
sie nicht in der Lage waren, ihren Arzt zu bezahlen, oder von Leichen,
die erst freigegeben wurden, nachdem sich Verwandte bereit erklärt
hatten, offene Rechnungen zu begleichen. Zur selben Zeit befand sich die
ghanaische Währung, der Cedi, im freien Fall. Letztlich machte ein
Crash alle Hoffnungen auf Rettung zunichte. Während dieser ganzen
Zeit wiederholte der IWF der Welt gegenüber stereotyp, Ghana sei
ein "Musterschüler", dessen Befinden nur als ausgezeichnet
bezeichnet werden könne. Diese vorsätzliche Lüge wurde
so lange aufrecht erhalten, bis Ghana letztlich als stigmatisiertes "hoch
verschuldetes und armes Land" dastand. Der langen Rede kurzer Sinn,
Ghana hatte nichts weiter getan, als sich an die Anweisungen des IWF und
seine unlauteren Bedingungen zu halten, indem es zunächst dessen
erstes Strukturanpassungsprogramm, Kürzel SAP, dann das Economic
Recovery Programm, ERP, und schließlich das Enhanced Structural
Adjustment Programme, ESAP, buchstabengetreu befolgte.
Siebzehn Jahre nach Einführung dieser Programme wird Ghana nicht
nur aufgefordert, sich selbst als bankrott zu erklären, sondern rangiert
heute auch unter den 24 ärmsten Staaten der Erde, gar nicht zu reden
von der kolossalen Verschuldung von USD 5,8 Milliarden, das weithin sichtbare
Erbe einer IWF-Reform mit der zerstörerischen Verpflichtung zur Schuldentilgung
im Ausmaß von 27 Prozent aller Exporteinnahmen. Jeder Mensch weiß,
dass jene, die sich so vehement für die Mechanismen des freien Marktes
aussprechen, Wein trinken, während sie Wasser predigen.
An diesem Punkt angelangt, sollten Sie nun erfahren, dass die afrikanische
Presse leider nicht immer darum bemüht war, Fragen im Zusammenhang
mit dem IWF, der Weltbank oder der WTO zu behandeln. Das Thema Verschuldung
etwa schaffte es kaum je in die Zeitungen oder auf die Schreibtische der
Mainstream-Medien. Dies lässt sich damit erklären, dass die
afrikanische Presse gekauft ist, und dass jene, die sich weigern, auf
die offizielle Linie einzuschwenken, entweder getötet oder, solange
sie sich widersetzen, einfach inhaftiert werden.
Möchte man ein Bild gebrauchen, könnte man sagen, die afrikanischen
Medien liegen in Ketten, sie unterliegen der Kontrolle der Weltmächte
und ihrer Kollaborateure (den politischen Führern Afrikas und multinationalen
Gesellschaften). Immer wieder dienten sie als williges Instrument, das
sich jederzeit dafür hergab, Entscheidungen zu beeinflussen und falsche
Informationen an die Zivilgesellschaft weiterzuleiten. Obwohl die afrikanischen
Medien ihren Anteil an der Einführung der Demokratie in Afrika haben,
lässt sich nicht leugnen, dass sie das Tempo der Entwicklung des
Kontinents verzögert haben, weil sie stets Profit, Gier und Selbstbereicherung
vor ihren eigentlichen Auftrag und die Vertrauenswürdigkeit, die
sie den Menschen schulden, stellen. Die afrikanische Presse könnte
als die billigste und am leichtesten zu kaufende Presse der Welt bezeichnet
werden. Sie ist bereit, jeden und alles jederzeit "ein- und auszuschalten".
Doch dieses Ein- und Ausschalten in der Medienwelt ist nicht ohne Gefahren.
So entwickelte sich beispielsweise die nigerianische Presse, die auf eine
über 137jährige und besonders prägnante Mediengeschichten
zurückblickt, in einer dissensfähigen politischen Kultur. In
den zwei Jahrzehnten nach der Unabhängigkeit 1960 wurden die Medien
jedoch nach und nach durch Militärregimes behindert. Die Präsidentschaftswahlen
vom 12. Juni 1993 erwiesen sich als entscheidender Wendepunkt in den Beziehungen
des Regimes zu den Medien. Obwohl der nicht militärische Kandidat
Moshood Abiola in jeder Hinsicht als Sieger aus der Wahl hervorging, erklärten
die militärischen Machthaber die Wahlergebnisse für ungültig.
Überall in Nigeria kam es zu Demonstrationen und Revolten, zugleich
aber auch zu einem enormen Rückschlag für die Medien.
Seit 1993 müssen viele unabhängige Journalisten aus dem Untergrund
heraus arbeiten und heimlich ihre Zeitungen in Umlauf bringen, während
sie zugleich der offenbar allgegenwärtigen Polizei zu entkommen versuchen.
Die Statistik über Verletzungen der Pressefreiheit im Nigeria des
Jahres 1993 bezeugt diesen traurigen Zustand: Rund 300.000 Exemplare von
Zeitungen und anderen Publikationen wurden beschlagnahmt, 17 Titel überhaupt
verboten, 54 Journalisten wurden verhaftet und weitere 20 gerichtlich
geklagt.
Und das aktuelle Regime unter der Führung von General Sani Abacha,
der in einem unblutigen Putsch im November 1993 die Macht übernahm,
kann auf vielerlei Weise dafür sorgen, dass abweichende Meinungen
in den Medien zum Schweigen gebracht werden. Staatliche Geheimagenten
werden routinemäßig ausgeschickt, um die Verbreitung von Zeitungen
zu behindern, entweder indem sie Razzien in den Räumlichkeiten des
Zeitungsverlags veranstalten oder die Druckwerke direkt an den Zeitungsständen
beschlagnahmen. Sogar Straßenverkäufer wurden schon bedroht,
inhaftiert und unter der Beschuldigung, beleidigende Publikationen zu
vertreiben, vor Gericht gebracht. Wenn es subtiler vorgehen möchte,
bringt das Regime gefälschte Ausgaben oppositioneller Zeitungen in
Umlauf. Auf den ersten Blick sehen sie genauso aus wie das Original, doch
tatsächlich singt ein solches Machwerk dann stets das Hohelied des
Regimes, um die Leser zu verwirren.
Eine bereits bewährte, traditionelle Methode im Umgang mit den Medien
ist es, ihre Vertreter zu verhaften und festzuhalten. Zahllose Journalisten
haben diese Schicksal erlitten, viele von ihnen wurden monatelang in Gefängnissen
eingesperrt. Falls es ihnen gelingen sollte, rechtzeitig unterzutauchen,
zögern die Behörden nicht, die Ehepartner einzusperren - die
sich aber um die Familie kümmern müssten - so dass der betreffende
Journalist gezwungen ist, sich den Behörden zu stellen.
Ein besonders unerhörter Vorfall im Kampf gegen die Medien ereignete
sich, als vier Journalisten im Jahr 1995 jeweils zu lebenslanger Haft
verurteilt wurden (eine Strafe, die später aufgehoben und auf 15
Jahre vermindert wurde), weil die vier angeblich ein Komplott zum Sturz
von General Abacha geschmiedet hätten. Die Journalisten -- George
Mbah, stellvertretender Chefredakteur von Tell;
Ben Charles Obi, Herausgeber der Weekend Classique;
Kunle Ajibade, Herausgeber von The News und
Christine Anyanwu, Herausgeberin von The Sunday Magazine
- wurden gemeinsam mit Dutzenden nigerianischer Armeeoffiziere vor ein
Armeegericht gezerrt und auf Grund extrem dubioser Anklagen verurteilt
wurden. Zusätzlich zu solchen plumpen Attacken versucht das Regime
seit neuestem, seine Belästigungen und Zensur der Medien auch rechtlich
abzusichern. Im Januar 1997 kündigte der Informationsminister Pläne
an, wonach ein Pressegericht ins Leben gerufen werden solle, das Journalisten
wegen des "Berichts von Unwahrheiten" anklagen und Dekret 43
durchsetzen solle. Dieses 1993 erlassene Dekret enthält Vorschriften
für Zeitungen, die eine Publikationslizenz erwerben möchten,
darunter die Bestimmung, dass Zeitungen ihre Lizenz alljährlich erneuern
lassen müssen. Eine Verletzung dieser Bestimmungen kann hohe Geldstrafen
oder auch Haftstrafen bis zu sieben Jahren nach sich ziehen.
Es ist ganz offensichtlich, dass General Abacha die Medien als Staatsfeinde
betrachtet. Doch so ausweglos die Situation auch scheinen mag, Menschenrechts-
und Medienanwalt Chief Chief Gani Fawehinmi weist doch auf die Tatsache
hin, dass es bis heute unabhängige Journalisten gibt, die ihr Leben
aufs Spiel setzen, nur um die Wahrheit zu verbreiten. Er ist der Meinung,
dass es in Nigeria immer noch Zeitungen gibt, sei "nicht auf die
Pressefreiheit, sondern auf die couragierten Journalisten zurückzuführen".
Außerdem zeichnen sich mittlerweile einige Veränderungen ab.
Mit der Einführung der Informationstechnologie in den Medien und
ihrer gegenwärtigen Präsenz in Nigeria und anderen Teilen Afrikas
wird die Medienarbeit zwar nicht härter oder besser, doch unabhängige
Medien suchen dringend nach Alternativen zu den herkömmlichen Methoden
der Nachrichtenbeschaffung über die Printmedien. Ihnen dient heute
das Internet als Werkzeug, um ihre Reichweite zu erhöhen.
Nach Aussage von Oatway James steht "angesichts der nigerianischen
Geschichte ständiger Verletzungen von Pressefreiheit und Unterdrückung
mit der Einführung des Internet ein Medium bereit, das sich nicht
zensieren, verbieten oder konfiszieren lässt. Das bedeutet, dass
sich die Presse des Internet bedienen kann, um Nachrichten und Kolumnen
zu veröffentlichen, und dass sie dabei relativ sicher vor staatlichen
Eingriffen ist. Das erscheint gegenwärtig wohl als eine der wichtigsten
Funktionen des Internet in Afrika". Nigeria verfügt innerhalb
Afrikas über sehr fortschrittliche Rahmenbedingungen für das
Internet, das hier erstmals 1995 öffentlich diskutiert wurde. Eine
Vereinigung namens Nigerian Internet Group (NIG) bietet laufend Workshops
und andere einschlägige Veranstaltungen an.
Was man über die afrikanischen Medien noch wissen sollte - trotz
der Einführung des Internet in die Medienlandschaft des Kontinents
findet immer noch kein echter, freier Nachrichtenfluss statt, es fehlt
an der Freiheit der Meinungsäußerung. Die meisten unabhängigen
Medien, die es sich leisten könnten, Serverkapazitäten im Internet
zu kaufen, befinden sich wie bisher unter strenger Kontrolle des Staates.
Ihre Internet-Nachrichten sind fast immer Kopien der jeweiligen Printversionen,
also nur der Abdruck der üblichen Nachrichten, allerdings mit der
Chance, ein breiteres Publikum über das Netz anzusprechen. Die Situation
schreit derzeit geradezu nach einem alternativen Medium, zu dem die Menschen
Zugang haben, um ihre Meinung zu äußern und Ansichten auszutauschen,
ohne von den Herausgebern zensiert zu werden. Verzichtbar sind hingegen
Medieneigentümer, die ihren Lebensunterhalt mit der Registrierung
eines unabhängigen Mediums verdienen und vorgeben, die Sorgen und
Anliegen der Menschen zu vertreten, in Wirklichkeit jedoch verdeckt ausschließlich
für die Regierung arbeiten. In Millionen von Fällen gelangen
wahre Nachrichten und Klagen/Meinungen von Menschen niemals in die Zeitungen
oder auf die Schreibtische der Medien des Mainstream. Daher erscheint
die Gründung eines alternativen, unabhängigen Mediums, des Nigeria
Independent Media Centre (http://nigeria.indymedia.org/),
auch so wichtig.
Nigeria IMC ist Mitglied der global tätigen Independent Media (www.indymedia.org),
die Ende 2001 ins Leben gerufen wurde, um die Kluft zu überbrücken,
die unabhängige und staatliche Medien trennt. Die Organisation bedient
sich des Internet, des Radios und der Printmedien als Werkzeuge. Das Projekt
bewirkt ein umfassendes Empowerment der nigerianischen und afrikanischen
Bevölkerung vor Ort, indem diesen Leuten die Möglichkeit gegeben
wird, ihre Nachrichten ohne nachträgliche Redaktion, ohne Verzögerung
oder Zensur durch die Politik der Mainstream-Medien zu veröffentlichen.
Indymedia funktioniert ohne hierarchische Strukturen auf Grund kollektiven
Konsenses, in dem der Entscheidungsfindungsprozess stattfindet, womit
alle Mittel und Methoden der Bürokratie zur Behinderung der freien
Presse erfolgreich durchbrochen werden. l Gegenwärtig ist das Indymedia-Projekt
erst in drei afrikanischen Staaten vertreten, doch weitere sollen folgen.
Heute zeigt sich klar und deutlich, dass Afrika eigentlich nichts anderes
benötigt, als ein besseres, ein durch und durch demokratisches Mediensystem,
um sein Wachstum und seine Entwicklung voranzutreiben. Die aktuellen Strukturen
der unabhängigen und staatlichen Medien werden es nicht schaffen,
einen gut informierten afrikanischen Kontinent hervorzubringen, der bereit
ist, eine Führungsrolle in der Welt entwickelter Staaten einzunehmen.
Ebenso klar ist, dass die afrikanischen Medien, auch wenn sie ihren Beitrag
zur Entwicklung der Region beigetragen haben, doch auch für einen
immensen Schaden in Form des Verfalls der gesamten Region verantwortlich
zeichnen, da sie die Menschenrechte für ein Butterbrot und ein Ei
verkauft haben. Ihre Ignoranz und Kompromittierung des Journalismus und
der Medien, wo es um Berichte über Entwicklung, Governance-Fragen,
die Verschuldung und Verletzungen von Menschenrechten geht, haben Afrika
weltweit gesehen in einen toten Winkel getrieben. Nur eine afrikanische
Presse, die sich mit Haut und Haaren der Medienfreiheit, der Beachtung
der Menschenrechte sowie dem Respekt für das Wohlergehen und die
Entwicklung der Menschen verschreibt, kann die bestehende Kluft überbrücken
und Afrika in das heiß ersehnte gelobte Land führen: Bessere
Medien - ein besseres Afrika.
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