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Unplugged: Politics of Power. Observations from the luxury deck
Das Thema UNPLUGGED 'beleuchtet' - elektrisch gesehen – das Feld der Energiepolitik als Szene globaler Konflikte, wirft Schlaglichter auf ein reiches Kalifornien, in dem die Lichter als Folge neoliberaler Politik ausgehen, und andere Regionen der Erde, wo sie niemals angehen.
Ein Update von Andreas Hirsch
Eines der von der Ars Electronica 2002 publizierten Sujets zum Thema UNPLUGGED widmet sich der elektrischen Interpretation des Begriffes und zeigt die Erde bei Nacht (in herkömmlicher Kartenprojektion) – es erinnert ein wenig an Jim Jarmuschs Film 'Night on Earth' – und auf ihr die nächstens erleuchteten Teile der (industrialisierten) Welt. Ein Kontrast von Hell und Dunkel, der an Bert Brecht Worte, über die die im Licht sind und die, die es nicht sind, erinnern mag. Solche im Dunkel hat Arundhati Roi in ihrer indischen Heimat beobachtet: 'In der Straße hinter meinem Haus gehe ich jeden Abend an Gruppen ausgezehrter Straßenarbeiter vorbei, die dort einen Graben ausheben, um Glasfasern zu verlegen, die unsere digitale Revolution beschleunigen sollen. In der bitteren Winterkälte arbeiten sie beim Schein weniger Kerzen.” (1)
Diese Bilder verweisen auf die massiven Verzerrungen, die das Thema 'Energie' – in ihrer Form als elektrischer Strom doch wohl eine der primären Assoziationen zum Thema 'Unplugged' – begleiten, Unverhältnismäßigkeiten insbesondere zwischen der regionalen Verteilung von Bevölkerung und deren Energieverbrauch. Im Jahre 1973 standen einander die OECD-Staaten samt der damaligen Ostblockländer mit einem Energieverbrauchsanteil von gut 83 Prozent und die Länder Afrikas, des Nahen Ostens, Lateinamerikas und Asiens (ausgenommen Japan) mit einem Anteil von rund ein Sechstel des Verbrauches kommerziell gehandelter Energieträger gegenüber. Damals hatte die erstere Gruppe rund 30 Prozent Anteil an der Weltbevölkerung, die zweitere rund 70 Prozent. 1998 war der Bevölkerungsanteil der OECD-Staaten samt der Länder Mittel- und Osteuropas auf 25 Prozent gesunken, ihr Energieverbrauchsanteil auf 70 Prozent. (2)
Um den herrschenden Verhältnissen im 'dunklen' Teil der Welt noch eine zusätzliche Kontur zu verleihen, sei an den Umstand erinnert, dass rund 1,6 Milliarden Menschen keinen Zugang zu modernen Energieformen haben und täglich mehrere Stunden zu Fuß zurücklegen müssen, um Holz oder Kuhdung zur Deckung ihres Energiebedarfes aufzusammeln. (3)
Die Nutzung weitgehend erneuerbarer Energieformen wie Holz, Wind oder Wasser war im Verlaufe des 19. Jahrhunderts durch Kohle, später durch Öl und Gas ersetzt worden. Heute wird fast der gesamte Energiebedarf aus begrenzten Ressourcen gedeckt, die Entwicklung ist von einem beschleunigten Verbrauchszuwachs und einem anhaltenden Substitutionsprozess gekennzeichnet.
Elektrischer Strom bildete die Grundlage für den Aufstieg der modernen Städte – Systeme, die sich mittels Klimatisierung, Beleuchtung und Kühlketten der Nahrungsmittelindustrie, also durch eine künstlich und mit hohem Energieverbrauch aufrechterhaltene 'Unpluggedness' von den natürlichen Gegebenheiten wie Wetter, Jahreszeiten und den Wechsel von Tag und Nacht definieren. Auch in den Städten gibt es Hell und Dunkel, Zonen grell beleuchteten und bewachten Wohlstands und die zunehmend marginalisierten und zugleich die Überhand gewinnenden (!) Zonen – verharmlosend bisweilen als die 'Schattenseiten der Globalisierung' bezeichnet – des nicht legalen Lebens, Bauens, Wohnens und Wirtschaftens im Dunkel der Unerwünschtheit.
Eine Verfinsterung von Wohlstandsgebieten herbeizuführen, blieb einer neoliberalen Privatisierungspolitik vorbehalten, die ausgerechnet in einer der wohl am meisten mit 'Pluggedness' assoziierten Gegenden der Welt, in Kalifornien, zu Stromknappheit und –ausfällen führte. Die Liberalisierung der Energiemärkte weist auch insoferne in einer problematische Richtung, als sie Ziele wie Klimaschutz und die Notwendigkeit regulierender Eingriffe verdrängt. Arundhati Roi hat im Zusammenhang mit ihrer politischen Kritik indischer Energiepolitik die Privatisierung natürlicher Ressourcen als 'einen Prozess barbarischer Enteignung in einer Grössenordnung' charakterisiert, der 'keine historische Parallele' hat. Folgerichtig fragt sie am Beispiel der lebensnotwendigen Ressource Wasser – die über den Bau von Staudämmen wiederum mit der Energieerzeugung verkoppelt ist: 'Was passiert, wenn man Wasser kommodifiziert und sagt, dass nur jene, die das Geld haben um den sogenannten 'Marktpreis' zu bezahlen, es haben können.' (4)
Die in der Energieerzeugung dominierenden fossilen Energieträger sind es, die bekanntlich durch den anthropogenen – also von Menschen hervorgerufenen – Treibhauseffekt Klimagefahren heraufbeschwören, die geeignet sind, die bestehenden Energiewirtschaftlichen und energiepoltischen Fragestellungen in ihrer Dramatik zu überlagern. Klimatische Veränderungen sind längst im Gange und in Gestalt klimatischer Extremereignisse zunehmend auch spürbar. Ob diese Veränderungen in der hinreichenden Geschwindigkeit auch die erforderlichen Bewusstseinsänderungen bewirken werden, die für die notwendigen Verhaltensänderungen erforderlich sind, bleibt im Lichte der Pattstellungen auf den internationalen Klimakonferenzen fraglich. Auch die Reaktorunfälle von Harrisburg 1979 und von Tschernobyl 1986 untergruben zwar nachhaltig öffentliche Befürwortung von Kernenergie, haben aber bis heute zu keinem Ausstieg aus dieser Form der Energieerzeugung geführt.
Energie und Politik sind in unheilvoller Weise eng verbunden. Die Rolle des Erdöls im 20. Jahrhundert zeigt dies deutlich: Zwei Ölkrisen waren jeweils mit Kriegen bzw. politischen Veränderungen verknüpft: 1973 Yom-Kippur-Krieg und 1979 die islamische Revolution in Iran. Die in der 1960 gegründeten OPEC vertretenen Staaten kontrollieren heute – nach zwischenzeitlichem Bedeutungsverlust – den überwiegenden Teil der natürlichen Erdölreserven der Erde. Von der Operation Desert Storm im Jahre 1991 bis zum aktuellen Kampf der US-Regierung gegen den radikalen Islam spannt sich ein Bogen, der zumindest anteilig mit der Kontrolle über die Erdölreserven motiviert ist.
Internationale Energiekonzerne haben eine Spur des Verderbens quer durch viele Länder auf Kontinenten wie Afrika und Südamerika gezogen, sie haben nationale Regierungen unter ihre Kontrolle gebracht, Umweltzerstörungen verursacht und Menschenrechte missachtet. Gleichzeitig investierten die Energiekonzerne in die Verbesserung ihres Image, wie etwa das 'Rebranding' von BP zu bp mit dem Slogan 'Beyond petroleum'. Das grüne Logo soll Natürlichkeit signalisieren, steht aber – wie etwa Sharon Beder in ihrem Artikel 'bp: Beyond Petroleum?' (5) kritisiert - in deutlichem Kontrast mit dem Vorgehen des Konzerns in Kolumbien oder Südafrika und mit dem Umstand, dass bp zwar seine eigenen Emissionen deutlich reduziert hat, gleichzeitig aber keine Rücksicht auf die Folgen der Nutzung seiner primär im Bereich fossiler Energieformen gelegenen Produkte nimmt: 'Wir machen kein Geheimnis aus unserer Absicht, unsere zentrales Geschäft der Erforschung und Produktion auszuweiten und unsere Suche nach neuen Quellen von Öl und Gas fortzusetzen.' (6) Eine bittere Ironie am Rande mag sein, dass ausgerechnet der zuletzt durch seinen Zusammenbruch und seine Verbindungen zum amtierenden US-Präsidenten in die Schlagzeilen gekommene Konzern ENRON über viele Jahre hinweg eine wenig rühmliche Rolle in der Verbindung von Macht und Energie – insbesondere in der indischen Energiepolitik – gespielt hat. (7)
Anmerkungen
(1) Arundhati Roi, Power Politics, South End Press / Cambridge MA, 2001, p 2. back to top
(2) Hans Joachim Ziesing, 'Energie – von der Versorgungssicherheit zum Klimaschutz', in: Peter J. Opitz (ed.), Weltprobleme im 21. Jahrhundert, München, 2001, p 103ff. back to top
(3) The Economist, Vol. 364 No. 8280, p 11. back to top
(4) Arundhati Roi, Power Politics, South End Press / Cambridge MA, 2001, p 43f. back to top
(5) Sharon Beder, 'bp: Beyond Pertroleum?', in: Eveline Lubbers, Battling Big Business, Green Books/Devon, 2002, p. 26ff. (). back to top
(6) David Rice, 'Corporate Responsibility in the marketplace', 1999 speech quoted after Sharon Beder, 'bp: Beyond Pertroleum?', in Eveline Lubbers, Battling Big Business, Green Books/Devon, 2002 (). back to top
(7)cf Pratap Chatterjee, Global Gospel of Gas (www.sfbg.com/News/32/17/WorldView; Arundhati Roi, Power Politics, South End Press / Cambridge MA, 2001, p 53ff. back to top
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