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Christa Sommerer: Interactive Art Jury Member

Gemeinsam mit deinem Partner Laurent Mignonneau zählst du zu den wichtigsten KünstlerInnen in der interaktiven Kunst. Du kommst ja ursprünglich von der Biologie, und 'Lebendiges' im Sinne von Artificial Life spielt eine wichtige Rolle in deinen Arbeiten. Was ist das Faszinierende dran für dich?

Sommerer: Wir sind daran interessiert, den Schaffensprozess an und für sich zu untersuchen. In der Natur ist der Schaffensprozess von der Interaktion zwischen einzelnen Elementen (Atomen, Molekülen, Zellen, Zellgeweben, Organen, Organismen etc) geprägt, wo eine Interaktion zwischen simpleren Subelementen höher strukturierte und komplexere Element hervorbringen kann. Man nennt dieses Prinzip Emergenz. In der Wissenschaft beschäftigt sich das Gebiet der Complex System Science genau mit diesen Fragen: Wie entstehen höher geordnete Systeme? Wie kann man diese Emergenz am Computer simulieren? Auch das Forschungsgebiet des Artificial Life oder Künstlichen Lebens beschäftigt sich mit diesen Fragen.

Für uns ist dies insofern interessant, da wir versuchen, interaktive Systeme zu schaffen, bei denen der Bildprozess nicht vorprogrammiert ist, sondern sich das Bildgeschehen erst durch die Interaktion der Besucher mit den Bildprozessen entwickelt, sozusagen emergiert oder entsteht. Unser Ziel ist es, interaktive Computersysteme zu entwickeln, wo der Besucher integraler Teil des Bildgeschehens wird und sozusagen die Entstehung des 'Kunst-Werkes' erst vorantreibt. Schlagworte wie ' Nichtvorhersehbares Design' (Non-predictable Design) und 'Offenes Design ' (Open-ended Design) sowie die Anwendung von Prinzipien aus den Complex System Sciences und A-Life Sciences sind dabei für uns ausschlaggebend.

Ihr beschäftigt Euch aber auch mit ganz anderen interaktiven Anwendungen. Ein sehr junges Beispiel: Riding the Net. Kannst Du erklären, worum es dabei geht?

Sommerer: Die Arbeit Riding the Net verwendet ein multimodales Interface, das heißt, der Besucher hier kann mit dem System durch mehrere seiner Sinne (also multimodal) interagieren, in diesem Falle durch ein Berührungs-, Sprach- und Bildbezogenes- Interface.

In dieser Arbeit sitzen zwei Benutzer vor einem interaktiven Fenster und sprechen miteinander. Die Konversation der beiden Benutzer wird durch Mikrophone aufgenommen, und ein Spracherkennungsprogramm versucht zu erkennen, was die beiden Besucher gesprochen haben. Die erkannten Wörter erscheinen dann als Text auf dem interaktiven Fenster, und für jedes Wort werden danach Hunderte von Bildern vom Internet geladen. Reden die Besucher zum Beispiel über Architektur, wird eine Fülle von Bildern über Architektur am Bildschirm erscheinen. Diese Bilder sind nicht vorprogrammiert, sondern eine von uns gesteuerte Suchmaschine geht direkt ans Internet und lädt die dort vorhandenen Bilddaten und zeigt sie auf unserem interaktiven Fenster. Da es mittlerweile am Internet bereits Millionen von Bildern gibt und zu jedem Schlüsselwort oder Thema auch Hunderte oder Tausende von Bildern vorhanden sind, sieht man am Riding the Net Fenster auch nie dasselbe.

Es ist wie eine Reise durch das Internet, wo die Besucher selbst diese Bilderfluten durch ihre verbale Interaktion (Kommunikation) steuern können, und das Internet selbst durch seine komplexe Fülle eine unvorhersehbare Datenmengen bietet. Die Besucher hier können also mit einander kommunizieren und ihr Gespräch wird wie beim Brainstorming visuell dargestellt. Zusätzlich werde für jedes Keyword auch noch mp3-Soundsamples gestreamt, die die Besucher in ihren Kopfhörern hören können.

Dadurch, dass am Fenster auch immer wieder unerwartete Bilder erscheinen, wird die Konversation der Besucher vice-versa auch wiederum vom Bildgeschehen am Fenster beeinflusst, und es ergibt sich ein dynamischer Kreislauf zwischen der Interaktion der Besucher und dem Bild- und Tongeschehen am Fenster. Die Besucher können zusätzlich die einzelnen Bilder am Bildschirm auch berühren und diese kurzfristig stoppen, um sie im Detail anzusehen oder mehr Information über einzelne Bilder zu bekommen. <

Das Internet selbst ist also ein komplexes System, das sich ständig verwandelt und neu strukturiert. Wir arbeiten im Moment daran, dieses komplexe System als Basis für unsere interaktiven Arbeiten zu erforschen. Die Verbindung zu unseren früheren (mehr A-Life orientierten) Arbeiten ist insofern gegeben, da wir auch hier an Themen wie 'Non-predictable Design' und 'Open-ended Design' sowie des 'offenen Kunstwerkes', das sich erst durch die Interaktion des Betrachters mit den inhärenten Bildprozessen entwickelt, arbeiten.

Ihr habt auch ein Spiel für das japanische i-Mode (eine Application für spezielle Handies, die auch in Europa bald eingeführt werden soll) entwickelt. Was kann dieses Spiel? Wie funktioniert es? Und warum für i-mode?

Sommerer: Hier handelt es sich um eine Applikation von A-Life-Techniken für das i-mode Mobile Phone. In Japan gibt es mittlerweile mehr als 20 Millionen solcher Mobile-Phone-Benutzer, und alle diese Handies sind auch Internet-tauglich. Die meisten Japaner benutzen ihr Handy, um online Informationen abzurufen (Shopping, Sightsseing, Booking, Newspaper ...) und immer mehr auch, um online Spiele zu spielen.

Gemeinsam mit unseren Studenten am IAMAS entwickeln wir nun ein Online-Spiel fürs Handy, wo Benutzer kleinen abstrakte Lebewesen, die auch Sounds produzieren, erzeugen können. Diese Lebewesen heißen IKI-IKI (auf Japanisch heißt das 'lebendig'), und Benutzer können diese IKI-IKIs weiterzüchten und mit anderen Handybenutzern austauschen. Jedes IKI-IKI macht auch seinen eigenen Sound, und dieser Sound kann als Klingelton verwendet werden, Die Benutzer können sich also jeden Tag einen neuen Klingelton und eine neues IKI-IKI züchten und das Bild und den Sound dieses persönlichen IKI-IKI als Screensaver fürs Handy benutzen. Das 'IKI-IKI Phone'-System ist also ein Spiel fürs Handy, wo Alife und Genetic Programming in einer neuen Domäne angewendet werden.

Woran arbeitest du im Moment?

Sommerer: Im Moment arbeiten wir gerade an einer Weiterentwicklung des Riding the Net für den CAVE, diese Applikation heißt The Living Web. Dafür kollaborieren wir mit dem Frauenhofer Institut Bonn (FhG/former GMD), und das Projekt wird im Mai 2002 beim CAVE Festival im Animax Bonn gezeigt. Bei The Living Web geht es darum, das Internet als einen Informationsraum darzustellen, in dem Besucher sich direkt in diesen interaktiven sich ständig verändernden Datenraum immersiv einlassen können, um mit den Bild- und Sounddaten des Internets zu interagieren.

Was den Prix Ars Electronica betrifft: Welche Kriterien muss eine Arbeit erfüllen, damit du sie für eine Goldene Nica nominieren kannst? Was für Arten von Arbeiten erhoffst du dir?

Sommerer: Bezüglich Kriterien zu einer nominierbaren interaktiven Arbeit. Ich werde mich auf folgende Kriterien (nicht exklusiv) konzentrieren:

- innovatives Interface und innovative Interaktion
- direkter und nachvollziehbarer Zusammenhang zwischen Inhalt des Dargestellten
und Ausführung des Interaktionsgeschehens (Interaktionsdesign)
- Neuheit der inhaltlichen Idee
- absehbare Fortentwicklungsmöglichkeiten dieser Idee
- Relevanz bezüglich momentaner Themen in Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft
- Professionalität in der technischen Ausführung.




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