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TeleGarden
Gärtner im Cyberspace

1996

Ken Goldberg
Joseph Santarromana
Erich Berger (AT)
George A. Bekey
Carl Sutter
Rosemary Morris
Jeff Wiegley
Steven Gentner
Thomas Steindl

Ein kleines Blumenbeet, über einen Roboterarm gehegt und gepflegt: Der "TeleGarden" verbindet Tele-Robotik, internetgesteuerte Eingriffe in den realen Raum und soziales Handeln im World Wide Web. Eine über alle Kontinente verstreute Gärtnergemeinschaft hat sich des kleinen Gartens angenommen und bestellt den kleinen Schrebergarten im Ars Electronica Center telerobotisch. Gesät, gepflanzt und gegossen werden kann nur mit Hilfe des ferngesteuerten Roboterarmes.

Der "TeleGarden" ist eine Installation, mit deren Hilfe BenutzerInnen des WWW einen weit entfernt gelegenen Garten mit echten Pflanzen besichtigen und mit ihm in Beziehung treten können. Die Mitglieder können Sämlinge pflanzen, gießen und ihre Entwicklung verfolgen – alles durch die feinen Bewegungen eines Industrieroboterarms.


"Durch die Verknüpfung ihres Gartens mit dem World Wide Web und die Schaffung einer intuitiven Schnittstelle zur Kontrolle des Arms und der Kamera gelang es den Künstlern, etwas, das die meisten Menschen wohl als Fall von Übertechnisierung bezeichnen würden, in eine scharfsinnige Reflexion über die Natur der Gemeinschaft zu verwandeln."

(Peter Lunenfeld, Flash Art, XXIX, 187, März 1996)


Das Internet dient dazu, Bilder und Texte auszutauschen. Nun kann man aber einen Schritt weiter gehen und auch materielle Ressourcen teilen. Dieser Garten ist ein Beispiel dafür: Die Menschen finden etwas Wasser und Erde vor, und dies gibt ihnen die Möglichkeit, zusammen zu arbeiten. Von jedem Ort der Welt hat man Zugriff darauf, kann Samen säen und gießen. Am Ende wird der Garten dann zu einem Spiegelbild dieser weltweiten Gemeinschaft. Das Web stellt die Verbindungen zwischen dem Cyberspace auf der einen und einer höchst realen Umgebung auf der anderen Seite zur Verfügung. In der materiellen Realität können Probleme auftreten: Dinge werden kaputt, Insekten suchen den Garten heim, so manche Pflanze geht aus Wassermangel ein.


"... Dem erfahrenen Gärtner bietet der 'TeleGarden' die Möglichkeit, das Wesen des Gärtnerns zu erkunden. Einen einzelnen Samen, den man weder gesehen noch berührt hat, tausende Meilen weit entfernt zu säen, scheint ein mechanischer Akt zu sein. Und doch weckt er ein Zen-ähnliches Verständnis für den fundamentalen Vorgang des Wachsens. Trotz des Fehlens direkter sinnlicher Wahrnehmungen löst der Vorgang des Pflanzens Gefühle der Erwartung, des Beschützen- und Pflegen-Wollens aus. Die unverkennbare Schwingung des Gartens pflanzt sich fort und übt ihre Wirkung auch über das Modem aus."

(Warren Schultz, Garden Design, Dez./Jän. 1996)


Seit er im Juni 1995 ins Netz ging, hat sich der "TeleGarden" ständig weiterentwickelt. Im Jänner und April kamen neue Jahreszeiten hinzu. Jeder kann den Garten als Gast besichtigen. Und all jene, die bereit sind, ihre E-Mail-Adresse mit den anderen Mitgliedern der Kooperative zu teilen, bekommen das Recht zum Pflanzen und Gießen. Da über alle Aktivitäten Buch geführt wird, kann sich die Kooperative selbst verwalten.


"Der 'TeleGarden' ist Teil des unablässigen Bemühens der Künstler, mit Hilfe der Metapher des Cyberspace die Entwicklungsstufen der Menschheit zu erforschen."

(Andrew Leonard, Wired, Oktober 1995)


Ein von einigen Mitgliedern dieses Teams und anderen Teilnehmern durchgeführtes früheres Projekt setzte einen Industrieroboter zur ferngesteuerten Ausgrabung einer sandgefüllten archäologischen Fundstätte ein. Dieses Jagen und Sammeln ist charakteristisch für bestehende Internet-Protokolle. Der "TeleGarden" wurde ersonnen, um das "post-nomadische" Verhalten zu reflektieren, das all jenen bessere Überlebenschancen garantiert, die zusammenarbeiten.


"Die englischen Wörter community (Gemeinschaft) und communication (Verständigung, Kommunikation) gehen beide auf das Wort common (gemeinsam) zurück."

(Scott Russell Sanders, Georgia Review, Frühling 1994)


"Die Neolithische Revolution nahm irgendwann um 8000 v. Chr. ihren Anfang, als die Menschen erstmals erfolgreich Tiere zähmten und Getreide für ihre Nahrung zogen. Nachdem sie gelernt hatten, ihren täglichen Bedarf an Nahrungsmitteln aus eigener Kraft sicherzustellen, wurden sie in Dorfgemeinschaften sesshaft."

(H. W. Janson, The History of Art)


In frühen Kulturen gab es Jäger und Sammler. Diese zogen von Ort zu Ort. Dies führte schließlich zu einer landwirtschaftlichen Revolution und zur Zähmung von Tieren. Große Umwälzungen in der Gesellschaft waren die Folge: Die Zusammenarbeit der Menschen veränderte sich, denn sie waren gezwungen, ihr Territorium zu verteidigen. Daher kommt der Ausdruck "Kultur" auch vom Wort "kultivieren": gemeinsam arbeiten.


Seit Mitte April 1996 haben mehr als 100.000 verschiedene Hostrechner auf die "TeleGarden"-Homepage zugegriffen. Mehr als 2 Millionen BenutzerInnen wurden registriert, mit durchschnittlich 5000 Anfragen pro Tag für den Roboter. Derzeit gibt es mehr als 7500 registrierte Mitglieder, inklusive einer kleinen Gemeinschaft treuer Mitglieder, die die Anlage täglich besuchen, um auf dem Dorfplatz ihren Spaß miteinander zu haben.


"TeleGarden" wurde mit teilweiser Unterstützung der University of Southern California und mit Equipment von Adept Technology realisiert.

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