www.aec.at  
 

 

Motion Picture
Ein interaktives Kunstwerk

1999

Emily Weil

"Motion Picture" lässt sich mit einer Frottage eines dreidimensionalen Raums vergleichen. Eine Frottage wird hergestellt, indem man mit einem Stück Holzkohle über ein Stück Papier reibt, um die Kanten der unter dem Papier befindlichen Oberfläche abzupausen. Bei "Motion Picture" übernimmt der Besucher die Aufgabe der Kohle, während man den Bildschirm mit dem Papier vergleichen könnte.


Bei "Motion Picture" wird eine Videokamera als Eingabegerät verwendet, um eine spontane und expressive Schnittstelle zum Computer zu erhalten. Die Installation erlaubt es dem Besucher, mit dem Kunstwerk zu interagieren und es gleichzeitig in Echtzeit zu betrachten.

Während die Besucher an der Videokamera vorübergehen, erscheinen die Konturen ihrer Bewegung als dunkle Umrandungen auf dem Bildschirm. Im Lauf der Zeit verdunkelt die Bewegung in einem bestimmten Bereich des Installationsraums nach und nach den entsprechenden Bildschirmabschnitt (wodurch die Kanten der Objekte hervortreten). Die dunklen Bildschirmbereiche verblassen langsam wieder, sodass das Bild auf dem Monitor ständig zwischen Hell und Dunkel wechselt.

Die Interaktion mit diesem Werk ist ein spielerischer Prozess, in dessen Verlauf die Bewegungen der Besucher ein Bild des Installationsraums — d. h. aller diesen Raum bestimmenden Kanten und Formen — auf den Bildschirm "reiben". Gleichzeitig erscheint ein Bild des Betrachters, transformiert sich, verblasst, baut sich wieder auf und verschwindet schließlich ganz.

Die dunklen Bereiche verblassen mit einer Geschwindigkeit, die in Korrelation zu dem von der Videokamera registrierten Gesamtausmaß an Bewegung steht. Infolgedessen erneuert sich das Bild sehr rasch, wenn kaum Bewegung vorhanden ist. Ein hohes Maß an Bewegung hingegen bewirkt ein sattes, stabiles Bild. Für den Betrachter ist das auf dem Bildschirm sichtbare Ausmaß an Bewegung umgekehrt proportional zur Menge an Bewegung innerhalb des Installationsraums. "Motion Picture" verwandelt daher "Bewegung", d.h. all jene Aktivität, die zum Kennzeichen unseres hyperkinetischen Zeitalters geworden ist, in eine Art Stillleben.

Das Ergebnis ist eine Aufnahme von Bewegung in einem Raum über die Zeit, eine Aufzeichnung von Bewegung, die man mithilfe von Fotografie oder Film nicht bewerkstelligen könnte. Eine Fotografie zeichnet jeweils nur einen einzigen Moment auf, während ein Film eine Reihe von Momenten in chronologischer Reihenfolge festhält. "Motion Picture" hingegen liefert eine Aufzeichnung räumlicher und zeitlicher Veränderungen in einem einzigen dynamischen Bild.

"Motion Picture" ist auch ein Versuch, digitale Medien "organisch" werden zu lassen. Die Installation erscheint nicht digital im herkömmlichen Sinne. Sie ist weich gezeichnet, voller Schatten und eher langsam fließend als abrupt. Der Körper des Betrachters fungiert als Eingabegerät, was im Vergleich zu den herkömmlichen Schnittstellen — Tastatur, Maus und Cursor — eine weitaus intimere und sogar sinnliche Erfahrung bewirkt.

"Motion Picture" versucht nicht, die eigene Digitalheit zu verleugnen (d. h. die Tatsache, dass die Bilder durch Bits ausspuckende Software entstehen). Stattdessen erkundet sie, wie Eingabe- und Ausgabeverfahren, die organische Formen widerspiegeln, digitale Medien nachhaltiger bereichern als durch "Zeigen und Klicken".