Valence
2001
Benjamin Fry (US)
Wie kann man die Verwendung von Wörtern in einem Buch visualisieren? Das Projekt "Valence" setzt Eigenschaften organischer Systeme (wie Wachstum, Verfall, Anpassung und Stoffwechsel) als Konstruktionsmethode für Darstellungen ein, die auf der Interaktion vieler einfacher Regeln beruhen und damit die Darstellung aussagekräftiger machen.
Diese Repräsentationen sollen Informationen so zum Sprechen bringen, wie Organismen Daten zu sich nehmen und verdauen, um ein qualitatives Gefühl für die dargestellten Informationen zu vermitteln.
Die Installation im Ars Electronica Center repräsentiert den Wörtergebrauch in zwei deutschen Texten und ermöglicht eine visuelle Darstellung. Der Benutzer kann zwischen einem philosophischen Text von Wittgenstein und Goethes Faust wählen. Die Besucher können Veränderungen in der Struktur wahrnehmen, wenn "Valence" den Text liest, oder diese durch Zoomen und Rotieren genauer erforschen.
In "Valence" bildet jedes einzelne Wort des Buchs einen Knoten. Im Text benachbarte Wörter werden miteinander verbunden. Werden neue Wörter im Raum hinzugefügt, werden mit der Zeit bestimmte Regeln, die auf diesen organischen Eigenschaften basieren, auf das System angewendet. Das daraus resultierende Programm liest das Buch linear und platziert jedes Wort dynamisch im dreidimensionalen Raum.
Die am häufigsten gebrauchten Wörter finden sich in den Randschichten der Komposition, damit sie leichter zu sehen sind. Daher befinden sich die nicht so gängigen Wörter mehr im Zentrum. Stehen im Text zwei Wörter nebeneinander, werden sie in der Visualisierung durch eine Linie verbunden. Bei einer Wiederholung wird die verbindende Linie kürzer, wodurch die beiden Wörter im Raum enger beieinander stehen. Die Interaktionsstärke wird anhand der Häufigkeit des Wortgebrauchs in der jeweiligen Muttersprache gewichtet.
Durch die Reaktion auf die eingelesenen Daten verändert sich diese "organische Informationsvisualisierung" im Lauf der Zeit. Statt bloß die exakten Zahlen anzugeben (d. h. wie oft ein Wort vorkommt), vermittelt die Arbeit ein qualitatives Gefühl für die Störungen in den Daten - in diesem Fall die verschiedenen Wortarten und Sprachebenen des Buchs. Auf diese Weise wird ein qualitativer Schnitt durch die Informationsstruktur geboten. Für sich allein sind die Daten vielleicht nicht sehr nützlich. Werden die Datenpunkte jedoch zueinander in Beziehung gesetzt und diese Beziehungen mittels Bewegung und Strukturveränderungen direkt am Bildschirm dargestellt, erhält man eine sehr viel brauchbarere Sichtweise.
Die einzelnen Bewegungen der Wörter vereinen sich zu einer Symphonie der kleinen Teile: Einmal betrachtet man die Gestalt der Arbeit als Ganzes und einmal die Anomalien, die durch rasches Bewegen oder einen Farbwechsel auf sich aufmerksam machen. Verwandte Teile des Werks schließen sich zu Gruppen zusammen, was in den Bewegungsregeln nicht explizit festgelegt ist, sondern sich aus der Interaktion der Knoten bei der Ausführung der Interaktionsregeln ergibt. Die allmähliche Herausbildung von verwandten Gruppen erleichtert das Erfassen des Systems.
Valence
|