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Metissacana


'Michel Mavros Michel Mavros

Metissacana ist eine senegalesische Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die 1996 von Oumou Sy, Michel Mavros und Alexis Sikorsky gegründet wurde – ganz am Anfang des Internet in Afrika.

Metissacana, dessen 800 Quadratmeter großes Lokal mitten im Stadtzentrum von Dakar, in der Medina, liegt, widmet sich ausschließlich dem Internet, den Informations- und Kommunikationstechnologien und der elektronischen Kunst. Ziel von Metissacana ist es, Afrika aus der Isolation zu befreien, afrikanische Inhalte zu produzieren und Online-Dienste für Afrika anzubieten.

Metissacana bietet die gesamte Palette von Internetdienstleistungen an: vom einfachen Zugang zum Internet über die Konzeption und das Hosten von Webseiten, über die Entwicklung spezifischer Applikationen, Ausbildung und Consulting bis hin zu Komplettlösungen und Verkauf von Hard- und Software. Metissacana hat seine Aktivitäten zwei Monate nach der Anbindung des Senegal ans Internet gestartet, zu einer Zeit, als nur Südafrika voll ans Internet angeschlossen war. Metissacana hat also eine Pionierstellung inne: Es betreibt das erste Internet-Café Afrikas (nach Südafrika), es war der erste afrikanische Betreiber, der Live-Radio via Internet angeboten hat (Sud Fm, dann Radio Nostalgie Dakar, 1997). Metissana entwickelte ein System kostenloser Email-Adressen, die jeder von seiner Homepage aus erstellen bzw. abfragen konnte (1999).

Während der Präsidentenwahlen 2000 hat Metissacana gemeinsam mit Sud Fm zum ersten Mal in Afrika ein Experiment in Sachen Online-Demokratie gestartet (Live-Debatten zwischen den verschiedenen Kandidaten, den Internet-Usern und der Öffentlichkeit, Online-Wählerumfragen, Veröffentlichung der Resultate etc.). Metissacana hat aber auch das erste Konzert via Satellit von Afrika in einen anderen Kontinent übertragen: von seiner Terrasse aus wurde eine Verbindung mit dem „Festival de Montluçon“ hergestellt. Und im Jahr 2000 wurde das erste E-Commerce-Projekt im Senegal gestartet: die Online-Boutique von Oumou Sy.

Im Jahr 2001 leitete dann Metissacana die Ära des „Chat visiophonique“ mit lokalen Künstlern ein: zwischen Wock aus Saint-Louis und Dizis la Peste, einem francosenegalesischen Rapper (in Zusammenarbeit mit dem französischen Radiosender Skyrock). Im gleichen Jahr hat es in Kooperation mit Radio France International (RFI) mit dem senegalesischen Präsidenten Me Wade den zweiten Live-Chat eines Staatschefs (nach Bill Clinton) organisiert.

Gemeinsam mit seinem Pariser Partner Vis@Vis startete Metissacana im November 2001 seine jüngste Applikation: „Visiophonie“ fürs allgemeine Publikum. Paris – Dakar ist die erste Verbindung weltweit, die mit einem System arbeitet, das es dem User in einem öffentlichen Lokal erlaubt, mit seinem Partner auf dem anderen Kontinent zu sprechen und ihn gleichzeitig auch zu sehen.

Als Partner von Großereignissen im Senegal – Célébration 2000, Biennale Dak’Art, dem „Monat des Foto“, Sinec, Fidak, Cices usw. – war es Metissacana mit seinen 800 sehr zentral gelegenen Quadratmetern, die rund um die Uhr geöffnet sind, auch möglich, mit Projekten wie „Simod“ oder „Carnaval de Dakar“ und dem „Fest des Internet“ in die Event-Organisation einzusteigen.

Diese Erfolgsbilanz führte dazu, dass Metissacana inzwischen als Vorzeigeobjekt gilt, wenn es um Internet in Afrika geht. Als solches wurde Metissacana 1998 mit dem ersten Preis der Prins-Claus-Stiftung bedacht, der Oumou Sy nicht nur für ihre Leistungen als Modedesignerin auszeichnete, sondern auch dafür, dass sie der Entwicklung ihres Kontinents entscheidende Impulse verlieh. Im Jahr 2000 wurde sie von dieser Stiftung als „Urban Hero“ geehrt und ermutigt, sich weiterhin als Vermittlerin eines positiven Bildes Afrikas zu engagieren.

RFI (Radio France International), einer der in Afrika meist gehörten Radiosender mit internationaler Bedeutung, ehrte Metissacana und seine Initiatorin Oumou Sy mit dem 2001 erstmals vergebenen Preis „RFI Net Afrique“, was deutlich macht, welche Aufmerksamkeit die internationale Presse diesem Abenteuer von Anfang an hat zuteil werden lassen. Aber die Situation von Metissacana ist nicht so rosig, wie es dieses Image erscheinen lassen mag. Der Sektor der Telekommunikation im Allgemeinen und der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien im Besonderen bilden einen politischen und wirtschaftlichen Faktor, den wir zwar nicht übersehen, dessen Auswirkungen wir aber unterschätzt haben.

Wir haben uns auf die Herausforderung, Profit und Entwicklung zu vereinen, und damit auf das Abenteuer eingelassen, Afrika ans Netz zu bringen, was anfangs niemand für möglich gehalten hatte, nicht einmal die afrikanischen Provider selbst.

Tatsache ist, dass es Präsident Abdou Diouf war, der dank seiner zufälligerweise sachkundigen Berater der senegalesischen Regierung und damit der Sonatel (Société nationale des télécommunications du Sénégal), die damals noch ein staatliches Unternehmen war, das Internet praktisch aufgezwungen hatte. Diese guten Ratschläge konnten aber die Privatisierung von Sonatel und dessen Aufkauf durch France Télécom nicht verhindern.

Die Vision einer wirtschaftlichen Entwicklung wurde wieder fallengelassen, weil sie für den Geschmack der afrikanischen Staatschefs zu modern war, auf die die Macht des Westens immer eine große Faszination ausgeübt hat und die so sehr nach Anerkennung lechzten, dass sie ihre Ländern an die ausländischen Monopolisten verkauften. Senegal war also der afrikanische Leader in Sachen Internet und neue Technologien und hat auch die anderen Ländern des Kontinents mitgerissen und dem Westen demonstriert, dass Afrika nicht nur bereit, sondern sogar imstande ist, auf diesem Sektor innovativ tätig zu sein – anfangs war Senegal sogar Frankreich technisch überlegen. Metissacana ist stolz darauf, maßgeblich an diesem Vorstoß beteiligt gewesen zu sein. Allerdings hat Senegal diese Chance in dem Moment vertan, in dem es France Télécom einen Blankoscheck ausgestellt und ihr das Telekommunikationsmonopol im Senegal überlassen hat.
Eine solche Globalisierung mit ihrem diabolischen Konzept fördert die Armut, das Elend und die Isolierung Afrikas.

Der Schlüssel für dieses „Schicksal“ liegt in der Rückendeckung, die die afrikanischen Staaten dem Neokolonialismus angedeihen lassen, der sich hinter dem Paternalismus des Nordens versteckt. Selbst wenn die westlichen Staaten versuchten, ihre Version der dezentralisierten Kooperation und der Beziehungen mit den afrikanischen Staaten zu revidieren, so setzen die westlichen Monopole ihre Eroberung ungebremst fort. Die Verantwortung der NGOs und der internationalen Organisationen – mit anderen Worten der Investoren –, liegt darin, dass sie das Terrain, auf dem sie sich bewegen, verkennen und stets mit Zeitverzögerung reagieren – und darin, dass sie aus der Armut letzten Endes ein Geschäft machen.

Wir haben gemerkt, wie nervös die europäischen Staaten angesichts jener Doppelzüngigkeit reagieren, mit der sich das NEPAD („Neue Partnerschaft für Afrikas Entwicklung“) Autorität verschafft, da dessen Projekt, das auf der Ebene des Diskurses und der kundgetanen Absichten durchaus effizient erscheint, eine neue Form staatlicher Korruption nach sich ziehen könnte, vor allem dann, wenn plötzlich gemischte, d. h. afrikanisch-westlich geführte, Unternehmen aus dem Boden schießen.

Die westlichen Monopole oder die großen Finanzgruppen brauchen die Ideologie, den Rückhalt der westlichen Staaten schon lange nicht mehr, um ihre neo-kolonialistische Strategie durchziehen zu können. France Télécom kauft nach der senegalischen Sonatel sukzessive alle nationalen Telekom-Unternehmen Westafrikas auf und stellt damit in dieser Region genau jenes Monopol wieder her, das sie in Europa und dort vor allem in Frankreich nicht halten konnte. Ein wahres Geschenk des Himmels also für diese Gruppe, die im Westen mit ernsten Problemen konfrontiert ist und die einen Teil dieser Verluste durch sagenhafte Profite wettmachen kann, die zynischerweise in Afrika erwirtschaftet werden!

Allein auf dem senegalesischen Territorium belief sich der von France Télécom jährlich erwirtschaftete Nettogewinn auf 55 Milliarden Francs CFA, das sind 85 Millionen Euros, wobei hier die Immobilien und die nicht verzeichneten Einnahmen aus dem Bereich „Voice over IP“ nicht mitgerechnet sind. Solche Gewinne finden Anklang bei den afrikanischen Regierungen, denn für sie ist jeder Erfolg positiv, noch dazu, wenn er vielleicht als Beispiel dafür könnte, dass auch in Afrika Gewinne möglich sind.

Aber im Kontext des Senegal handelt es sich dabei um leicht verdiente Lorbeeren, denn die Senegalesen profitieren von diesen Gewinnen nicht, auf deren Kosten sie jedoch erwirtschaftet wurden: die gehen nach Frankreich. Die Kommunikationskosten sind nach wie vor sehr hoch, trotz einer geringfügigen Senkung der Tarife, die aber auch erst unter Druck durchgezogen und als „Gefallen“ verkauft wurde.

Die Mehrheit des Landes funktioniert dank eines nationalen Netzes von Telezentren, die von Sonatel kontrolliert werden. 13.500 senegalesische Dörfer sind ohne Telefon, und das Mobiltelefon, die einzige Alternative, funktioniert ebenfalls nur sehr schlecht
und ist im Übrigen sehr teuer.
Man muss sich fragen, wie es kommt, dass der senegalesische Staat stolz auf diese Art von Privatisierung ist, wie man es den Äußerungen des senegalesischen Ministers entnehmen kann, der für den NEPAD zuständig ist.

Mit anderen Worten: Metissacana, ein privates Unternehmen, das nur mit Eigenmitteln funktioniert, hat weder die notwendige rechtliche noch gesellschaftliche Unterstützung, um eine Alternative zu dieser Situation darstellen zu können, die die Entwicklung blockiert und verzögert, denn der Staat nimmt eine laxe Haltung ein und lässt sich von Sonatel und France Télécom manipulieren: France Télécom hat vorsorglich einmal den Bandbreiten-Hahn zugedreht, sodass Senegal, der einstige Vorreiter der IKT in Afrika im Jahr 1996, im Jahr 2001 über eine Bandbreite von 2 Megabit für den gesamten nationalen Traffic verfügt.

Im Jahr 2001 haben Sonatel / France Télécom unter dem Vorwand unbezahlter Rechnungen und ohne Vorwarnung sämtliche Telefonleitungen und Datendirektverbindungen von Metissacana gesperrt, während die Geschäftsführer im Ausland unterwegs waren. Diese Unterbrechung hat zehn Tage gedauert, während der Metissacana 60 Prozent seines Umsatzes zugunsten des Internet-Dienstes von Sonatel / France Télécom verloren hat, die die verunsicherten Subscriber durch eine Verleumdungskampagne auf ihre Seite gezogen haben. Diese Unterbrechung der Verbindung war legal, da Metissacana Rechnungen nicht bezahlen konnte, aber sie ist nichtsdestotrotz zu verurteilen, weil hier ein erbitterter Konkurrenzkampf stattfindet und ein Monopol missbraucht wird. Dafür hat Metissacana Sonatel / France Télécom bei Gericht angezeigt.

Mit dieser Aktion hat Sonatel ein Unternehmen bestraft, das ihm 30.000.000 Francs CFA (also 60.000 Euro) schuldete, die sich im Laufe von sechs Jahren angehäuft hatten, ohne dabei zu bedenken, dass dieses Unternehmen jährlich 400.000.000 Francs CFA (1.250.000 Euro) Umsatz macht, ohne einen Rabatt zu erhalten, und zwar allein damit, dass sich User auf den Server von Metissacana einloggen. Vom rein kommerziellen Standpunkt her gesehen ist dies ein völlig unerklärliches Vorgehen, es gehorcht allerdings einer unerbitterlichen Logik, wenn es darum geht, Metissacana auszuschalten, einen Betreiber, der gegen das Monopol auftritt und für eine dynamische Alternative kämpft – und damit zur Legende des afrikanischen Internet geworden ist.
In diesem Kontext und angesichts einer ausgebluteten Konkurrenz erhöhte Sonatel/France Télécom schließlich im Jahr 2001 die Bandbreite.

Auf diesem Hintergrund installierte der senegalesische Staat schließlich 2002 unter der Führung des SOPI (des Wahlbündnisses des Präsidenten Wade unter Führung der Partei PDS) eine Regulierungsagentur, die, wie sich herausstellen soll, reine Augenauswischerei ist, da sie weder über die Mittel, die es ihr erlaubte, ihr Mandat zu erfüllen, noch über konkrete Inhalte verfügt, um ihre anti-monopolistischen Erklärungen auch tatsächlich umsetzen zu können.

Der Fluch, der über dem afrikanischen Kontinent zu liegen scheint, hat nunmehr die Gestalt eines Governance-Systems angenommen, das von jenen begrüßt wird, die davon profitieren und die auf die über die Jahrhunderte erprobte Leidensfähigkeit der Afrikaner setzen. Dieser Fluch beruht nicht auf einer schicksalhaften Beherrschung von außen, sondern er ist tief im Bewusstsein der Afrikaner verankert, und die Regierenden Afrikas sind seine Komplizen.
Metissacana ist unbequem geworden, denn es hat ein positives Konzept von Afrika entwickelt, wie es seine Begründerin Oumou Sy verkörpert.

So mancher fragt sich noch immer, ob die Ungerechtigkeit, der Oumou Sy im August 2001 ausgesetzt war, (1) nicht der Preis ist, der für diese Unabhängigkeit und diese leidenschaftliche Verteidigung der Freiheit und Wahrheit zu zahlen ist. Zwar konnte sich der senegalesische Staat den USA gegenüber als Musterschüler präsentieren, vor allem was die Außenpolitik gegenüber Libyen mit seinem General Ghadaffi betrifft, aber legitimiert das 33 Tage ungerechtfertigte Haft? Die nationale und internationale Mobilmachung und die zahlreichen diplomatischen Interventionen maßgeblicher Stellen, die schließlich zur Enthaftung von Oumou Sy führten, scheinen eine sehr klare Form des Dementi zu sein. Es ist in diesem Zusammenhang vielleicht wichtig festzuhalten, dass der Fall nach wie vor nicht abgeschlossen ist, da das Verfahren in dem Moment, in dem diese Zeilen geschrieben werden (Mai 2002, Anm. d. Übers.), noch immer nicht offiziell eingestellt wurde und sich Oumou Sy nach wie vor nur in provisorischer Freiheit befindet.

Es spielen hier also ganz andere Gründe mit. Manche Hinweise deuten darauf hin, dass Metissacana dieser andere Grund sein könnte.
Tatsache ist, dass Metissacana einige Tage vor dieser Affäre mit der Regierung über die berühmte Lizenz für die Anbindung der ländlichen Gegenden ans Netz verhandelte. Und Tatsache ist auch, dass im Laufe dieser Verhandlungen angeklungen ist, es sei angesichts der dominierenden Stellung, die Sonatel / France Télécom innehat, nicht politisch korrekt, wenn der senegalesische Staat diese Lizenz an Metissacana vergeben würde.

Metissacana ist überzeugt davon, dass in Afrika nur dann ein wirtschaftlicher Aufschwung und ein Übergang zur Industrialisierung geschehen wird, wenn eine Entwicklung stattfindet, im Zuge derer es auch möglich ist, Profite zu machen, denn nur das käme sowohl privaten nationalen Unternehmern als auch der westlichen privaten Unternehmer und natürlich der Bevölkerung zugute.

Metissacana ist überzeugt davon, dass das Internet und die IKT ein Mittel darstellen, um Afrika aus seiner „Unpluggedness“ zu befreien und es zu befähigen, an der Globalisierung im positivsten und für die Welt am konstruktivsten Sinn des Wortes teilzuhaben.

Metissacana ist überzeugt davon, dass das Internet ein Massenmedium darstellt, das allen zugänglich sein und allen Vorteile verschaffen muss, egal ob sie des Lesens und Schreibens mächtig sind oder nicht.

Metissacana verteidigt seine Überzeugung seit seiner Gründung und es gibt genug Beispiele, die die Sinnhaftigkeit diese Überzeugung dokumentieren.

Einige Beispiele
1.
Ende 1996, sechs Monate nach der Eröffnung, organisierte Metissacana eine Tournee mit einem Bus, der durch alle Regionen Senegals fuhr und mithilfe eines großen Screens auf den Plätzen der Dörfer unter freiem Himmel demonstrierte, was das Internet ist. Oumou Sy, die selbst weder lesen noch schreiben kann, erklärte den Dorfbewohnern das Internet in ihrer Sprache, denn Oumou Sy beherrscht eine ganze Reihe afrikanischer Sprachen. Gemeinsam mit Alexis Sikorsky führten wir dann ein Frage- und Antwort-Spiel durch: Jemand fragte nach dem Verkaufspreis für Reis, und die Seite mit den aktuellen Reispreisen erschien auf dem Screen; jemand wollte den Preis eines Traktors wissen, ein anderer wollte wissen, wie die Fußballmeisterschaften in Frankreich ausgegangen waren etc.

2.
Im Jahr 1997 ein Internet-Radio zu implementieren war nicht nur eine Pionierleistung: Abgesehen davon, dass das eine gewaltige technische Herausforderung bedeutete – denn 1997 gab es weltweit nicht einmal zehn Online-Radios, und keines in Afrika oder in Frankreich –, trug es dazu bei, die Isolation Afrikas zu durchbrechen. Die afrikanische Diaspora und die Afrikanisten konnten endlich Neuigkeiten in Echtzeit aus der Heimat empfangen. Analphabeten hören vor allem Radio, auch wenn es aus dem Internet kommt; es reicht, dass irgendjemand die Verbindung aufbaut. Ich habe mir sagen lassen, dass es in Europa die Kinder sind, die die Videorecorder bedienen, weil das für Erwachsene zu kompliziert ist. Wo liegt da der Unterschied?

3.
In den 13.500 senegalesischen Dörfern leben die Menschen ohne Telefon, und Metissacana hat mit seinem Partner Alcatel einen Connectivity-Plan erstellt, um sie ans Netz anzubinden: Es soll ein nationales Netz aufgebaut werden, das jedes Dorf erreicht, wobei die unterschiedlichsten Technologien – drahtgebundene genauso wie Wireless-Verbindungen – zum Einsatz kommen können. Dabei soll nicht nur Bandbreite zur Verfügung gestellt, sondern vor allem der Datenaustausch und hier wiederum die Sprachübertragung (Voice over IP) und Internet-Telefonie gefördert werden. Es sollen neben den bekannten Internet-Diensten also auch Dienstleistungen und Anwendungen entwickelt werden, die auf die unmittelbaren Bedürfnisse der Dorfbewohner und Bürger zugeschnitten sind. Dank des Lebensstils in den Dörfern und traditionellen Vierteln der afrikanischen Großstädte ist dieser Ansatz durchaus realistisch. Daher darf man die Internet-User in Afrika nicht mehr nur an jenen zählen, die in der Lage sind, eine Tastatur zu bedienen. Wir müssen in die Statistiken auch all jene berücksichtigen, die indirekten Nutzen aus dem Internet ziehen.

4.
Ein Beispiel für eine Mehrwertdienstleistung, die ein nationales Connectivity-System realisierbar macht und von dem auch Analphabeten profitieren können, ist das gemeinsam mit „Afrique Initiatives“ entwickelte Projekt „Pesynet“, das zur Zeit in benachteiligten Vierteln von St. Louis im Senegal erprobt wird.

Drei Mal pro Woche besuchen dabei medizinische Hilfskräfte die Familien, die ein Pesynet-Abonnement für ihre Kinder erworben haben. Die Babys werden gewogen und die Daten im Büro dann in eine Internet-Datenbank eingegeben.

Nach jeder Runde kann der Kinderarzt, ohne seine Ordination verlassen zu müssen, die Gewichtskurven der Kinder kontrollieren. Wenn eine Kurve eine auffällige Entwicklung aufweist, dann verschickt der Kinderarzt via Tastendruck eine Aufforderung an die medizinische Hilfskraft, die aufgrund der ID-Nummer das betreffende Kind identifizieren und mit der Mutter Kontakt aufnehmen kann.

Dieses Programm ist eine Form von bürgernaher Telemedizin, die auf die Situation des Kontinents zugeschnitten ist und wesentlich zur Lösung der nach wie vor dramatischen Kindersterblichkeit beitragen kann; es ist eine Form der Prävention, die viele Säuglinge retten könnte. Stellen Sie sich vor, dieses System würde auf nationaler Ebene angewandt. Die meisten der Eltern können weder lesen noch schreiben und werden in diesem Projekt auch nie direkt mit einem Computer konfrontiert.

5.
In den Dörfern versammelt man sich traditionellerweise rund ums Feuer: in der Koranschule genauso wie um Radio zu hören oder fernzusehen. Im Cybercenter des Dorfes kann der Computer an den Fernsehschirm angeschlossen werden, und in dieser vertrauten Atmosphäre könnten Online- oder Offline-Programme zur Alphabetisierung oder Bildung durchgeführt werden.

Unsere Erfahrung mit Cybercafés im Senegal hat uns darin bestärkt, dass der User, der noch nie eine Tastatur berührt hat, sich bereitwillig und ohne Scheu von einem Animator helfen lässt, um jene Operationen durchzuführen, die seinen Bedürfnissen entsprechen: eine Information zu recherchieren oder E-Mails zu verfassen. Daher sind wir überzeugt, dass das Konzept der „Cyber-Verwaltung“ bei den Menschen durchaus auf Akzeptanz stoßen würde und sie bereit wären, administrative Formalitäten auf digitalem Weg durchzuführen. In Afrika ist es heute der reinste Hindernislauf, will man sich eine Geburtsurkunde oder einen Staatsbürgerschaftsnachweis ausstellen lassen. Das Argument der Energieversorgung wird dabei ebenfalls berücksichtigt, denn Metissacana arbeitet an billigen Sonnenenergielösungen, um ein Cybercenter in einem Dorf zu betreiben.

Es muss festgehalten werden, dass France Télécom und ihre Tochter Sonatel dieses Projekt der ruralen Connectivity vehement bekämpfen und die Meinung verbreiten, eine solche Lösung sei unmöglich, da dabei jährlich maximal 200 Dörfer angeschlossen werden könnten – da bräuchte es fast ein Jahrhundert, um alle senegalesischen Dörfer ans Netz zu bringen ... France Télécom schreckt auch nicht davor zurück, Alcatel als inkompetent und abenteuerlustig hinzustellen.

Es muss festgehalten werden, dass der senegalesische Staat diese Position unterstützt, indem er das Projekt – obwohl es ursprünglich Präsidentensache war – einfriert, weil es nicht wirklich „politisch korrekt“ erscheint, dass der senegalesische Staat eine derartige Übereinkunft mit Metissacana trifft.

Ein Artikel in der Zeitschrift Le Point macht deutlich, dass Senegal keine Ausnahme bildet: Die gleichen Zustände herrschen auch in Côte d‘Ivoire, was ein deutliches Zeichen dafür ist, dass France Télécom, die einen Telekombetreiber nach dem anderen aufkauft, seinen Hegemonialanspruch auf ganz Westafrika ausdehnen will.

Unter diesem Gesichtspunkt ist die Globalisierung tatsächlich ein Virus, der nur sehr schwer auszurotten ist, denn die afrikanischen Staaten machen sich zu ihrem Komplizen. Afrika ist also von seinen Regierenden zur Armut und zum Zustand des „Unplugged“ verdammt. Man könnte auch noch ein anderes Beispiel aus einem ganz anderen Sektor anführen: Air France, eine Gesellschaft, derer wir uns oft bedienen, wenn wir auf Reisen gehen. Als Monopolist in der afrikanischen Luftfahrt gesteht Air France seinen Passagieren in Afrika lediglich 20 oder 24 Kilogramm Freigepäck zu, während es auf allen anderen Linien 45 Kilogramm sind.

Der Ausweg liegt in der Entwicklung der Demokratie in Afrika, die von einer neuen Generation von Politikern getragen werden muss, denen die Entwicklung des Kontinents tatsächlich am Herzen liegt.

Der Ausweg liegt in einer Gesetzgebung, die das Aufkommen einer afrikanischen Privatindustrie erlaubt, die sich in den Dienste der Entwicklung Afrikas stellt.

Wenn wir von Globalisierung und dezentralisierter Kooperation sprechen, dann, müssten die Staaten des Westens, so scheint es, ihre Energie und ihre technischen wie finanziellen Mittel in diese Richtung orientieren.

Das ist nicht einfach, denn dies würde bedeuten, die aktuellen Beziehungen mit den afrikanischen Staaten zu überdenken und die wahre Motivation der Institutionen, Vereine und NGOs zu hinterfragen, die als Schnittstelle vor Ort fungieren. Und man müsste es riskieren, mit Privaten zu arbeiten.

Aber Europa möge sich seiner eigenen Geschichte erinnern: Ist es nicht die Dynamik zwischen privatem und öffentlichem Sektor, die die moderne Welt hervorbringt? Dazu bedarf es nichts anderem als eines klaren politischen Willens. In einem Zeitalter, in dem Flugzeuge in den Herzen der westlichen Hauptstädte wie Bomben einschlagen, ist es an der Zeit zu reagieren.

Aus dem Französischen von Ingrid Fischer-Schreiber

(1)
Als Oumou Sy am 30. 8. 2001 mit ihren senegalesischen Mannequins nach Lybien reisen will, um an den Festlichkeiten anlässlich des 32. Jahrestags der Machtübernahme von Ghadaffi teilzunehmen, werden sie von der Polizei in Dakar festgehalten. Oumou Sy wird unter dem Verdacht verhaftet, Frauenhandel zum Zweck der Prostitution zu betreiben. zurück