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Das Problem des „Unplugged-Seins“ der afrikanischen Frauen


'Jennifer Sibanda Jennifer Sibanda

Rund 80 Prozent der Menschheit haben Zugang zu Radio oder Fernsehen, aber nur fünf Prozent hat Zugang zum Internet. Die Konvergenz der neuen und der alten Informations- und Telekommunikationstechnologien („digitale Konvergenz“) kündet von neuen Möglichkeiten („digitale Möglichkeiten“), die dazu beitragen können, sowohl die digitale Kluft als auch die Informations- und Wissenskluft von Ländern und Regionen in allen ihren Ausformungen zu schmälern, zu durchbrechen, zu überbrücken oder sogar zu transzendieren.

Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) verändern die Art und Weise, wie die Durchschnittsmenschen mit der Gesellschaft interagieren, und die Art und Weise, wie die allgemeinere Gesellschaft den Einzelnen in den Evolutionsprozess einbindet. In einer vernetzten Welt zu leben und zu arbeiten hat Auswirkungen: Mehr Freiheit, Flexibilität und Chancen für die Bürger, die nun mehr Einfluss darauf nehmen können, wie sie in einer Welt der vielen interaktiven Interessengruppen regiert werden möchten.

Im Rahmen des demokratischen Prozesses wird von allen Interessengruppen erwartet, dass sie wesentliche Beiträge zu der Formulierung und Umsetzung einer guten Politik leisten, deren Ziele die Erreichung von nachhaltiger Entwicklung, wirtschaftlichem Wachstum und Wohlbefinden sind. Eine gute politische Führung schafft politische Anreize für die Bürger, sich zu beteiligen und sich zu informieren. Diese Art der partizipatorischen Demokratie hat gezeigt, dass eine aufgeklärte Bevölkerung wirtschaftliche Anreize einer ganz besonderen Art schaffen kann. Sprachlosigkeit verdient ebenso Aufmerksamkeit wie Verwundbarkeit. In den meisten Entwicklungsländern sind es hauptsächlich die Frauen, die von Sprachlosigkeit betroffen sind.

In Afrika leben 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung – davon über 60 Prozent Frauen – in ländlichen Gebieten. Eine typische ländliche Gemeinde in Afrika ist nicht an das Strom- und Telefonnetz angeschlossen und besitzt kein Postamt. Die Straßen, die in die ländlichen Gemeinden und Dörfer führen, sind in der Regenzeit unpassierbar, was bedeutet, dass es in dieser Zeit so gut wie unmöglich ist, sie zu erreichen. Das Analphabetentum ist weit verbreitet – die Mehrheit der Bevölkerung kann weder lesen noch schreiben. Auch hier sind die meisten Betroffenen Frauen. Die Zeitungen im anglophonen Afrika erscheinen hauptsächlich auf Englisch, in den frankophonen Teilen auf Französisch und in den lusophonen Teilen auf Portugiesisch. In Zimbabwe wird die führende Tageszeitung in einer Auflage von knapp 100.000 Exemplaren gedruckt – und das bei einer Bevölkerung von über zwölf Millionen. Das zeigt, wie wenige Afrikaner Zugang zu einer Zeitung haben. Außerdem sind Zeitungen so teuer, dass sie sich nur die wenigsten leisten können – am allerwenigsten die afrikanischen Frauen, die Ärmsten der Armen. Und es zeigt, dass die Mehrheit, also die Frauen, nur in ihren lokalen Sprachen miteinander kommunizieren können.

Das bringt uns zu den elektronischen Medien. Da Fernsehen elektrischen Strom braucht, steht dieses Medium den ländlichen Gemeinden nicht zur Verfügung. Fernsehgeräte sind teuer, und viele arme Gemeinden in ländlichen Gebieten können sich eine solche Anschaffung nicht leisten. Das verengt das Kommunikationsspektrum auf das Radio. In den afrikanischen Ländern südlich der Sahara ist es immer noch das beste Kommunikationsmittel. Radiosendungen werden in den lokalen Sprachen ausgestrahlt. Da Radiogeräte außerdem vergleichsweise billig, leicht zu transportieren und einfach in der Bedienung sind, hat sich das Radio zum beliebtesten Kommunikationsmittel Afrikas entwickelt. Das Radio ist das Medium, das den meisten der afrikanischen Frauen zur Verfügung steht.

Es wurde festgestellt, dass diejenigen, die die Informationen erzeugen, veröffentlichen und verbreiten, jene sind, deren Weltsicht die Entwicklungspolitik und die zugehörigen Programme prägen. Deshalb ist es unbedingt notwendig, dass Frauen sich an der Produktion und Verbreitung von Informationen beteiligen. Nur so können sie die Entscheidungen darüber beeinflussen, welche Entwicklungsprioritäten gesetzt werden, wie Sendungen geplant und wie Ressourcen zugeteilt werden.

All das macht deutlich, dass die Teilnahme der Frauen an Problemlösungsinitiativen und Entwicklungsprozessen gefördert werden muss. Die Präsenz der Frauen und ihr Einfluss auf die nationalen Gesetzgebungen vieler afrikanischer Länder sind rückläufig. Deshalb kann gar nicht genug betont werden, wie wichtig es ist, die Lobbys der Frauen zu stärken und sie zu fördern. Dazu müssen den Frauen alle Fakten, Zahlen und andere Informationen über wichtige Themen in die Hand gegeben werden. Nur wenn sie über diese Informationen verfügen, werden ihre Ansichten und Beiträge von Entscheidungsträgern und Programmverantwortlichen respektiert werden. Derzeit produzieren Frauenorganisationen eine Vielzahl von Informationen über HIV/AIDS, die kaum oder überhaupt nicht verbreitet werden, die aber bei der Entscheidungsfindung auf Einzel- und Gruppenebene höchst nützlich sein könnten. Auch beim Lobbying und bei der Förderung geschlechtssensitiver Politiken und Programme könnten diese Informationen gute Dienste leisten. Die derzeitige Situation ist zum Teil die Folge der Vernachlässigung der Informationsbedürfnisse der Frauen, zum Teil die Folge des mangelnden Zugangs von Frauenorganisationen zu den Massenmedien für Verbreitungszwecke und zum Teil die Folge der mangelnden Geschlechtersensitivität des Mediensektors.

Das Community Radio, ein wichtiger Bestandteil der Liberalisierungswelle des Rundfunks in vielen afrikanischen Ländern, bringt den Grassroots-Gemeinden in den ländlichen Gebieten der Entwicklungsländer ungeheure Vorteile. Dank seiner außergewöhnlichen Reichweite und seines Einflusses kann auch das Internet-Radio dazu beitragen, mehr armen ländlichen Gemeinden Afrikas den Anschluss an die digitale Welt zu ermöglichen.

Das Radio ist lange vor dem Fernsehen und den neuen Medien von der digitalen Revolution erfasst worden. Das Internetradio ist bereits Realität und erreicht derzeit schätzungsweise ein globales Publikum von einer Million Menschen. Es versteht sich von selbst, dass sich das konventionelle Radio durch eine einzigartige Reichweite und durch großen Einfluss auszeichnet. Aber das Internetradio ist bereits dabei, starke Veränderungen in den geschäftlichen und sozialen Rundfunkpraktiken herbeizuführen. Einige Entwicklungsländer sind wichtige internationale Akteure im Bereich des Internetradios und der digitalen Radiosatellitennetzwerke. Zum Einsatz kommen dabei Betriebsmodelle, die erst vor kurzem in den technologisch fortgeschrittenen Ländern entwickelt wurden.

Das Projekt Development Through Radio (DTR), auch unter dem Namen „Radio Listeners’ Club“ bekannt, wurde von der Organisation entwickelt und initiiert, um den Bewohnern ländlicher Gebiete Zugang zum Radio und damit eine Stimme zu geben. Mithilfe von Schulungen entwickelt das Projekt Führungsqualitäten von Frauen, um ihre Eigenständigkeit zu fördern und die Interaktion zwischen den einzelnen Gemeinden zu stärken. Das Projekt fördert den Informationsaustausch zwischen den Clubs, indem es ihnen die Möglichkeit gibt, ihre Erfahrungen auszutauschen, und stellt eine Verbindung zwischen den Bewohnern ländlicher Gebiete und Politikern sowie Nicht-Regierungs-Organisationen her, die Ressourcen und Lösungen anzubieten haben. Dieses Projekt ist insofern einzigartig, als es sich auf partizipatorische Entwicklungsmethoden stützt. Der Dialog und die Diskussion über kritische Fragen, die die Gemeinden betreffen, stehen im Vordergrund. Dies stärkt das Selbstvertrauen der Frauen und gibt ihnen den Mut, sich selbst zu behaupten und selbst nach Lösungen für ihre Probleme zu suchen. Indem das Projekt den Erfahrungsaustausch zwischen den einzelnen DTRGruppen fördert, leistet es einen Beitrag zu ihrer Stärkung. Da sich diese einzigartige Plattform als überaus erfolgreich für Programme in den Bereichen Wählerbildung, Landrechte, Frauenrechte, Gewalt gegen Frauen und auch im Kampf gegen HIV/AIDS erwiesen hat, wird sie nun auch von Nicht-Regierungs-Organisationen in Anspruch genommen.

Virtual Newsroom: Dabei handelt es sich um ein bahnbrechendes Projekt, das dafür sorgen soll, dass Fragen, die an den Rand gedrängte Gruppen betreffen, positiv dargestellt werden. Die „Federation of African Media Women (FAMW)“ bildet gemeinsam mit einer Nicht-Regierungs-Organisation namens Worldwoman rund vierzig Frauen aus Zimbabwe, Kenia, Uganda und Ghana zu professionellen Journalistinnen aus, um sie in die Lage zu versetzen, Artikel über alle Gesichtspunkte der Gesellschaft zu veröffentlichen. Die Geschichten erscheinen auf der Website von „Worldwoman“ und werden von „Development Through Radio“, Community-Radio-Projekten, unseren Partnern und dem internationalen Publikum heruntergeladen. Andere Länder werden in nächster Zeit auf den Zug aufspringen. Der virtuelle Newsroom wird Programme bieten, in deren Mittelpunkt die positiven Merkmale Afrikas stehen und nicht die alten Stereotype wie Hunger, Krieg und Krankheit, die meist in den Vordergrund gestellt werden. Community Internet Radio Broadcasting kann als Erweiterung des konventionellen Community-Radios betrachtet werden. Dabei geht es darum, die Konvergenz zwischen Radio und Internet im Rahmen der internetbasierten Community Access Centres für Grassroots-Gemeinden zu nutzen. Das Internet- (oder Web-)Radio ist in mehreren Entwicklungsländern, darunter in Afrika, bereits Realität. Community-Internet-Radiosendungen stellen auf kurze Sicht weiterhin eine Möglichkeit dar.

Die wichtigen und rasanten Fortschritte in den Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), die sich in allen Bereichen des menschlichen Lebens manifestieren, sind in den letzten Jahren stärker sichtbar geworden. Dies ist in erster Linie auf die Ausbreitung der grundlegenden sozialen / öffentlichen Dienste und die Verbesserungen in Effektivität und Effizienz der Dienstleistungserbringung zurückzuführen. Nun müssen „Wissensarbeiter“ und / oder Systemanalytiker ausgebildet werden, die mit den Mitgliedern der armen ländlichen Gemeinden interagieren und insbesondere Frauen dazu anregen, Benutzeranforderungen für die Entwicklung und / oder Auswahl von Inhalten für die internetbasierten Community Access Centres zu artikulieren, zu analysieren und zu spezifizieren. Informationsanalytiker (ein Synonym für „Wissensarbeiter“) müssen die Informationen über die von der Regierung angebotenen Dienstleistungen so auswählen und entsprechend präsentieren, dass die Grassroots-Gemeinden in den Community Access Centres möglichst stark profitieren. Das kann durch die Verbindung dieses Programms mit den bestehenden Strukturen erreicht werden.

Im Rahmen der Einrichtung von internetbasierten Community Access Centres (CACs) in den armen ländlichen Gemeinden wird versucht werden, die bereits erwähnte bestehende physische Infrastruktur zu nutzen, also Projekte, die von den Community Radio Stations und von „Development Through Radio“ durchgeführt werden. Diese Projekte können so modifiziert werden, dass sie auf das Ziel abgestimmt werden, die digitale Kluft zu überbrücken und die armen ländlichen Gemeinden näher an die Zentren oder Knotenpunkte zu bringen. Diese peripheren Zentren können den Menschen in ländlichen Gemeinden einen besseren Zugang zu Informationen und Dienstleistungen ermöglichen. Das ist ein großer Vorteil für jene, die ansonsten nur in einer einzigen Einrichtung Zugang zu Computereinrichtungen haben und nach einer langen Reise in die Stadt oft mit bürokratischen Verzögerungen konfrontiert sind. In Afrika ist der mangelnde Zugang zu Technologie eine wichtige Barriere für viele Menschen. Bewohner marginalisierter ländlicher Gebiete können durch die Anwendung von IKT in Community Access Centres (CAC) zu mehr Eigenständigkeit geführt werden.

Besonders positive Auswirkungen hat die Einführung der IKT in armen ländlichen Gemeinden in Form von internetbasierten Community Access Centres (CAC) auf die Eigenständigkeit der Bürger und Gemeinden. Diese positiven Auswirkungen beruhen auf verschiedenen Mechanismen, die von der passiven Information bis zur aktiven Bürgerbeteiligung reichen:

  • Information;

  • Vertretung;

  • Ermutigung;

  • Beratung; und

  • Einbindung der Bürger in die Entscheidungsfindung
Die digitale Gesellschaft verändert die Art und Weise, wie weltweit Geschäfte abgewickelt werden, immer stärker. Die Förderung der Präsenz dieser Gemeinden im „globalen Dorf“ durch die virtuelle Vermarktung ihrer Produkte und Dienstleistungen (Handarbeiten etc.) ist ein Ansatz zur digitalen Aufwertung von Geschäftsinitiativen und Unternehmen armer ländlicher Gemeinden.

Es ist wichtig festzustellen, dass die Nachhaltigkeit von Entwicklungsinitiativen steigt, wenn sie von dem Wissen der Gruppe ausgehen und auf diesem Wissen aufbauen. Deshalb ist es wichtig, dass die Informationen, Kenntnisse, Erfahrungen und Bestrebungen der Frauen dokumentiert und über die verschiedenen Medien verbreitet werden. Dieser Ansatz fördert bei der Zielgruppe das Gefühl der „Eigentümerschaft“ über das Projekt.

Wie bereits erwähnt, entsteht dadurch ein Modell der digitalen Konvergenz, das auf arme ländliche Gemeinden angewendet werden kann, und es wird gezeigt, wie ein solches Modell durch Technologie und einen menschenzentrierten Entwicklungsansatz umgesetzt werden kann. Das Modell geht davon aus, dass in den Grassroots-Gemeinden ein Minimum an nationaler Informations- und Kommunikationsinfrastruktur (NICI) vorhanden ist, die das Leben und die Arbeit in ihnen erleichtert. So wird der Weg in eine gemeinsame digitale Zukunft frei, der Weg zu einem lebendigen und vielfältigen Mosaik der Kulturen und Stimmen vieler Grassroots-Gemeinden.

Aus dem Englischen von Annemarie Pumpernig