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Globalisierung, unabhängige Medien und Entwicklung in Afrika


'Winters Negbenebor Winters Negbenebor

Bühne der Starken und Mächtigen!
Ich glaube, wir sollten uns zunächst einmal die Begriffe näher anzusehen, die in diesem Beitrag eine besondere Rolle spielen werden – Globalisierung, Entwicklung und unabhängige Medien. Dazu brauchen wir nicht unbedingt auf die wortgenaue Erklärung laut Lexikon zurückzugreifen, denn wir sind alle längst übersättigt durch derlei Definitionen. Was uns jedoch in der gegenwärtigen Phase des globalen Konflikts interessieren sollte, ist die Frage, was diese Begriffe denn eigentlich für die Menschen in Afrika bedeuten, die sich erst seit kurzem mit dem Verständnis ihrer Bedeutung herumschlagen. Dabei möchte ich mich in erster Linie auf Nigeria als Fallstudie beziehen, allerdings mit kleinen Ausflügen auch in andere Teile Afrikas.

Globalisierung ist für den durchschnittlichen Afrikaner nichts weiter als ein Synonym für Neo-Kolonialismus. Ein System, das einfach in Kraft getreten ist, ohne dass die Menschen in Afrika jemals um ihre Meinung gefragt worden wären ... eine zweite Welle der Kolonialisierung, die sich nicht im geringsten um das Wohlergehen der Menschen kümmert und ausschließlich der Förderung der Unternehmen und ihrer Gewinne dient. Vor Ort kann ein Afrikaner keinen Unterschied zwischen der wirtschaftlichen Globalisierung, dem Neo-Kolonialismus und der Globalisierung insgesamt erkennen. Für ihn ist das Wort „Globalisierung“ nichts weiter als ein Betrug, er glaubt, es müsste eigentlich „wirtschaftliche Globalisierung“ heißen und sei schlicht die Grundlage für einen neuen weltweiten Kolonialismus (Neo-Kolonialismus). Der Afrikaner steht in dieser Situation vor der immer gleichen Frage: Wenn die Globalisierung echt und real ist und wenn sie eine gleichmäßige globale Entwicklung zum Ziel hat, warum werden dann Wohlstand, Gesundheit, Bildung, Technologie etc. immer nur im Norden gefördert und finanziert (also in Europa und Amerika), während zur gleichen Zeit auf dem selben Globus, auf dem die Globalisierung doch angeblich Brücken schlägt, anderen Regionen wie eben Afrika durch die international tätigen Unternehmen und ihre Verfechter einer wirtschaftlichen Globalisierung Leiden zugefügt werden, die sich in Form von Verschuldung, Armut, ökologischer Ausbeutung, Hunger, Korruption etc. äußern? Das Wachstum Afrikas liegt in den Händen Afrikas, das wissen wir, aber wäre es dann nicht auch klug, Afrika zumindest die Chance eines Wachstums einzuräumen?

Entwicklung bedeutet in Afrika die nachhaltige und gerechte Verteilung von Erlösen. Der Großteil der in Afrika stattfindenden Entwicklung, die als historische Errungenschaft des Kontinents gelten darf, hat sich zumeist lokal und ohne Einfluss ausländischer Organisationen vollzogen. Nur diese Form der Entwicklung hat sich im Laufe der Zeit weltweit bewährt. Die Binis in Nigeria sind beispielsweise für ihre große Kunstfertigkeit bekannt, sie erzeugen Kunst, die weltweit stets reißenden Absatz findet – auf Grund der Einzigartigkeit des Marktes. Oder Ägypten: Dieses Land lebt bis heute im Ruhm seiner Vergangenheit als eines jener Länder, in denen die Zivilisation dieser Welt ihren Ausgang genommen hat.

Traditionell herrschte in Afrika immer die Ansicht vor, die Medien (oder auch die Journalisten) seien Botschafter der Wahrheit. Allerdings mussten von dieser Begriffsdefinition im Laufe der Zeit und auf Grund der zunehmenden wirtschaftlichen Globalisierung Abstriche gemacht werden. Heute herrscht ein System, das die Medien als Werkzeug verwendet, um die eigene betrügerische Politik an die Massen zu verkaufen. Seit Menschengedenken ist von keiner traditionellen afrikanischen Gemeinschaft die Tötung eines Journalisten bekannt ... immerhin galten Journalisten immer als ganz besondere Menschen, die nur die Wahrheit sagen und für diese ihre Haltung allseits respektiert werden. Es ist der Neokolonialismus (oder die Globalisierung), der heute dafür verantwortlich gemacht werden muss, ein korruptes System eingeführt zu haben, in dem die politischen Führer und Herrscher Afrikas darauf sinnen, unsere lokalen Medien zu korrumpieren und sie zur Durchsetzung ihrer profitorientierten Interessen zu missbrauchen. Verletzung von Menschenrechten, Tötung von Journalisten und sonstige korrupte Praktiken den Medien gegenüber müssen auf den triumphalen Einzug der Globalisierung zurückgeführt werden, die Afrika die multinationalen Institutionen und ihre staatlichen Verbündeten beschert hat.
Globalisierung und die Entwicklung Afrikas
Afrika, so kann man sagen, befand sich vor Beginn der Globalisierung auf dem richtigen Entwicklungskurs. Wir glaubten an unsere eigene strukturierte Entwicklung und hatten eine klare Richtung vor Augen. Heute müssen wir feststellen, dass die Entwicklungsbestrebungen unseres Kontinents von der wirtschaftlichen Globalisierung mit harter Faust zerschlagen werden. Man kann sich dabei auch nur schwer auf den „abstrakten“ Charakter der Globalisierung berufen, denn jüngste Studien und Vorkommnisse haben das wahre Gesicht der Globalisierung, das Gesicht hinter der Maske, bloßgestellt. Man kann heute über Globalisierung und ihre hemmende Wirkung auf die Entwicklung in Afrika nicht diskutieren, ohne Namen wie jene der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Welthandelsorganisation (WTO) zu nennen. Diese Organisationen wurden zuletzt als die Triebkräfte hinter dem Neokolonialismus genannt, sind doch sie es, die Darlehen vergeben, einschlägige Initiativen einleiten und Propaganda für den freien Markt machen.

Für die meisten afrikanischen Länder, die auf einen langen und dornenreichen Weg in ihre Unabhängigkeit zurückblicken, weicht die Euphorie, die sie glauben ließ, politische Freiheit müsse automatisch mit wirtschaftlichem Wohlergehen einhergehen, zunehmend der traurigen Gewissheit, dass die Mächte des Westens geradezu diabolische Methoden einsetzen, um den Kontinent Afrika in seinen Möglichkeiten zu beschneiden. Vor allem der Internationale Währungsfonds IWF verfolgt diese imperialistischen Ziele, und er tut dies in vielerlei Verkleidungen, etwa mit Hilfe einer extremen Auslandsverschuldung und der Planung von Pseudoreformen, deren Eckpfeiler die Abschaffung der Subventionen für Bereiche ist, die für das menschliche Leben nun einmal essenziell sind. Insbesondere die Schuldenlast der afrikanischen Staaten hat sich zu einem Teufelskreis entwickelt, der die wirtschaftliche Misere laufend perpetuiert, und dies unabhängig davon, wie gut die damit befassten Experten die proklamierte staatliche Politik umsetzen oder auch nicht.

Überall in Afrika wird der brutale Einfluss des IWF und der Weltbank spürbar, er bedroht das gedeihliche Fortbestehen der gesamten Region. Die Politik der genannten Institutionen hat unsere Wirtschaft, unser Gesundheitssystem, die Wasserversorgung und andere wesentliche Lebensgrundlagen von Grund auf zerstört.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben die Weltbank und der Internationale Währungsfonds IWF das Gesundheitswesen in Afrika durch die von ihnen vorgeschriebene Politik bedrohlich unterminiert. Die Abhängigkeit der armen und hoch verschuldeten afrikanischen Staaten von Darlehen der Weltbank und des IWF gibt diesen Organisationen einen Hebel in die Hand, um die Wirtschaftspolitik der Darlehensnehmer zu kontrollieren. So zwang die von Weltbank und IWF vorgegebene Politik die Regierungen Afrikas, ihre Volkswirtschaften verstärkt in die internationalen Märkte zu integrieren, was leider auf Kosten der sozialen Dienstleistungen und langfristigen Entwicklungsprioritäten der betroffenen Länder geht. Sie beschneiden damit die Funktionen des Staates ebenso wie die staatlichen Ausgabenprogramme.

Der Einfluss, den IWF, Weltbank und Konsorten auf Afrika ausüben, ist in internationalen Diskussionen längst kein neues Thema mehr. Wir alle wissen über die Umstände der Gründung von Weltbank und IWF anlässlich der Bretton-Woods-Konferenz in New Hampshire, USA, im Jahr 1944 Bescheid. Diese Organisationen waren als die Säulen konzipiert, auf denen die wirtschaftliche Nachkriegsordnung der Welt ruhen sollte. Arbeitsschwerpunkt der Weltbank ist die Bereitstellung langfristiger Darlehen zur Unterstützung von Entwicklungsprojekten und Programmen. Der IWF hingegen konzentriert sich auf die Bereitstellung von Darlehen zur Stabilisierung von Ländern in kurzfristigen Finanzkrisen.

Weltbank wie IWF konnten ihren Einfluss in Afrika anlässlich der Wirtschaftskrise zu Beginn der achtziger Jahre erheblich ausbauen. Ende der siebziger Jahre setzten die hohen Ölpreise, steigende Zinssätze und rückläufige Preise sonstiger Grundstoffe viele arme afrikanische Länder außerstande, die immer höher werdenden Auslandsschulden zu bedienen. Zu Beginn der achtziger Jahre hatte die afrikanische Schuldenkrise ein bedrohliches Ausmaß angenommen. Das Verhältnis Auslandsverschuldung – Exporterlöse stieg auf 500 Prozent. (1) Die afrikanischen Länder benötigten immer größere Beträge in „harten Währungen“ (also etwa konvertible ausländische Währungen wie Dollar oder EUR), um ihre externen Schulden zurückzahlen zu können. Zugleich aber ging ihr Anteil am Welthandel zurück, und ihre Exporterlöse sanken ebenso wie die Weltmarktpreise für Primärgüter. Da viele afrikanische Länder Güter, die sie selbst nicht produzieren, importierten, ergab sich eine zunehmend negative Außenhandelsbilanz. Die Probleme mit dem Zahlungsbilanzsaldo verschärften sich, zugleich erreichte die Auslandsverschuldung ein nicht länger haltbares Niveau.

Um die aushaftenden Schulden bezahlen zu können, aber auch zur Befriedigung der heimischen Bedürfnisse, benötigten die Regierungen Afrikas Geld. Auf diese Weise wurden Weltbank und IWF zu den wichtigsten Kreditgebern für Länder, die anderswo keine Mittel mehr auftreiben konnten. Schließlich übernahmen sie die frühere Funktion reicher Staaten und privater Banken als wichtigste Darlehensquelle für arme Länder. Sie gewährten afrikanischen Staaten „Hartwährungskredite“, mit denen diese ihre Auslandsschulden begleichen und die wirtschaftliche Stabilität wieder herstellen sollten. Es überrascht wohl nicht, dass gerade die Regierungen der weltweit reichsten Länder in Weltbank und IWF den Ton angeben. Die früheren „G7“ (USA, Großbritannien, Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien und Japan) verfügen zusammen über mehr als 40 Prozent der Stimmen in den Entscheidungsgremien dieser Institutionen, die USA allein über beinahe 20 Prozent. (2)

Der Einfluss von IWF und Weltbank auf die Entwicklungsbestrebungen in Afrika stellt derzeit für die meisten Länder des Kontinents ein echtes Problem dar. Sogar jene, die es letztlich geschafft haben, Demokratien zu werden, leiden. Nigeria ist eines dieser Länder, die gegenwärtig mit Entwicklungs- und politischen Problemen zu kämpfen haben. Die großen Industriestaaten der Erde vollzogen ihre eigene Entwicklung unter ganz anderen Bedingungen, als Weltbank und IWF den afrikanischen Regierungen nun diktieren. Die USA und die Länder Westeuropas räumten dem Staat in ökonomischen Belangen sehr wohl eine zentrale Rolle ein, sie betrieben einen massiven Protektionismus und subventionierten ihre heimischen Industrien. Gezwungen, den Programmen von Weltbank und IWF zu folgen, sind die afrikanischen Länder dagegen dazu verdammt, gerade jene Gelder, die den reichen Staaten in ihrem Wachstum und ihrer Entwicklung geholfen hatten, zu kürzen oder sie ganz zu streichen.

Glaubt man einem am 8. Mai 2002 erschienenen Artikel in Newswatch, Thema „Global Policy“, so hat sich der nigerianische Finanzminister, Adamu Ciroma, folgendermaßen zur Höhe der nigerianischen Verschuldung geäußert. Er soll unter anderem gesagt haben:
Im Jahr 1984 betrug unsere Verschuldung beim Internationalen Währungsfonds USD 5,5 Milliarden. Seit dieser Zeit mussten wir USD 17,5 Milliarden an Zinsen bezahlen. Säumige Zahler werden durch einen Aufschlag bestraft; ein sehr hoher Teil der von uns getätigten Zahlungen fließt direkt in den Zinsendienst und kann nicht zur Rückzahlung des Kapitals verwendet werden. Heute halten wir bei einem aushaftenden Schuldenstand von USD 28 Milliarden. (3)
Das verschlungene System von Zins und Zinseszins stellt tatsächlich einen Betrug an den leidenden Menschen dar. Wer das nicht glaubt, sollte sich noch einmal den Minister anhören: „Der IWF verfolgt eine Strategie, der zufolge kein Drittweltstaat schuldenfrei sein soll. Der Plan dieser Organisation sieht vor, dass alle Länder dauerhaft verschuldet sind – ein wirklich sehr ungerechter Plan.“

Dieser Aufschrei fand auch in anderen hörenswerten Wortmeldungen ein Echo. Anlässlich der jüngst zu Ende gegangenen internationalen Konferenz über die Finanzierung von Entwicklungsaktivitäten in Monterrey, Mexico, gab Präsident Olusegun Obasanjo seinem Unmut über das Schuldenproblem Nigerias Ausdruck. Er beklagte, Nigeria habe in den vergangenen drei Jahren fünf Milliarden USD nur zur Bedienung der Darlehenszinsen aufwenden müssen, obwohl das aufgenommene Kapital eigentlich doch schon zweimal zurückgezahlt worden sei.

Es sollte uns wirklich betroffen machen zu hören, dass selbst nachdem Rückzahlungen in doppelter Höhe des aufgenommenen Kapitals getätigt wurden, immer noch ein Fehlbetrag in dreifacher Höhe des Kapitals aushaftet. Oder wie fänden Sie die mathematische Gleichung: Einmal zwei ist gleich minus drei? Welche Arrangements auch immer es sind, die solche Zustände hervorbringen, man kann sie nicht anders als gewissenlos, grausam und ungerecht bezeichnen. Die Schuldenhöhe mag zwar rechtlich abgesichert sein, doch im Lichte der sich vertiefenden Kluft zwischen Recht und Gerechtigkeit sollten wir endlich auch den Faktor Moral in dieses Szenario einführen. Die Tatsache, dass wir unsere Schulden bereits zweimal zurückgezahlt haben, könnte sehr wohl eine moralische Grundlage und einen Ausgangspunkt für die Bildung einer internationalen Koalition gegen diese moderne Form der Sklaverei darstellen. Betrachtet man im Kontrast dazu die günstigen Entwicklungsbedingungen, die anderen Regionen der Erde eingeräumt werden, erscheinen die Fesseln der Auslandsverschuldung, dieses Damoklesschwert, das über Afrika hängt, plötzlich schockierend und beschämend rassistisch. Die internationale Finanzwelt stinkt, grob gesprochen, gegen den Wind, sie verfolgt eine doppelbödige Moral, gewürzt mit einem deutlichen Quäntchen Rassismus.

Es braucht nicht eigens erwähnt zu werden, dass es die afrikanischen Länder mit denselben oder besseren Kreditkonditionen als andere Regionen der Erde sicherlich leichter hätten, die Geißeln der Armut, des Analphabetismus und der Krankheiten zu bekämpfen. Doch meinen es die internationalen Mütter und Väter wirklich gut mit Afrika? Nein, denn nur deshalb schrumpfen die Volkswirtschaften dieses Kontinents laufend, und niemand versteht genau, was da eigentlich vor sich geht. Je strikter sich Afrika in seiner Entwicklung an globale Regelungen und Vorschriften hält, desto stärker scheinen unsichtbare Kräfte alle Bemühungen dieses Kontinents zunichte zu machen. Afrika verdient die Luft zum Atmen, die es braucht. Es kann doch nicht im Interesse der Menschheit sein, Afrika auf den Status eines Bettlers in Lumpen zu erniedrigen, der sich von den kümmerlichen Brosamen der globalen Wirtschaft ernährt. Afrika sollte wie alle anderen am gemeinsamen Tisch der Prosperität Platz finden. Die Fortführung der gegenwärtigen ungerechten Behandlung bedeutet für Afrika, dass der Kontinent für immer in seiner Depression verharren muss, mit geringen Aussichten, jemals zu einem Partner in globalen Belangen zu werden. Auf alle Forderungen im Zusammenhang mit diesen Pseudoschulden zu verzichten, ist eigentlich das Mindeste, was die Industriestaaten tun können und sollten. Sie dürfen nicht wie bisher Kräfte entfesseln, die nur Armut hervorbringen, während sie doch Demokratie und Menschenrechte predigen.

Leider war die afrikanische Presse leider nicht immer darum bemüht, Fragen im Zusammenhang mit dem IWF, der Weltbank oder der WTO zu behandeln. Das Thema Verschuldung etwa schaffte es kaum je in die Zeitungen oder auf die Schreibtische der Mainstream-Medien. Dies lässt sich damit erklären, dass die afrikanische Presse gekauft ist und dass jene, die sich weigern, auf die offizielle Linie einzuschwenken, entweder getötet oder, solange sie sich widersetzen, einfach inhaftiert werden.
Die Medien und die Entwicklung Afrikas
Möchte man ein Bild gebrauchen, könnte man sagen, die afrikanischen Medien liegen in Ketten, sie unterliegen der Kontrolle der Weltmächte und ihrer Kollaborateure (den politischen Führern Afrikas und multinationalen Gesellschaften). Immer wieder dienten sie als williges Instrument, das sich jederzeit dafür hergab, Entscheidungen zu beeinflussen und falsche Informationen an die Zivilgesellschaft weiterzuleiten. Obwohl die afrikanischen Medien ihren Anteil an der Einführung der Demokratie in Afrika haben, lässt sich nicht leugnen, dass sie das Tempo der Entwicklung des Kontinents verzögert haben, weil sie stets Profit, Gier und Selbstbereicherung vor ihren eigentlichen Auftrag und die Vertrauenswürdigkeit, die sie den Menschen schulden, stellen. Die afrikanische Presse könnte als die billigste und am leichtesten zu kaufende Presse der Welt bezeichnet werden. Sie ist bereit, jeden und alles jederzeit „ein- und auszuschalten“. Doch dieses Ein- und Ausschalten in der Medienwelt ist nicht ohne Gefahren. So entwickelte sich beispielsweise die nigerianische Presse, die auf eine über 137jährige und besonders prägnante Mediengeschichten zurückblickt, in einer dissensfähigen politischen Kultur. In den zwei Jahrzehnten nach der Unabhängigkeit 1960 wurden die Medien jedoch nach und nach durch Militärregimes behindert. Die Präsidentschaftswahlen vom 12. Juni 1993 erwiesen sich als entscheidender Wendepunkt in den Beziehungen des Regimes zu den Medien. Obwohl der zivile Kandidat Moshood Abiola in jeder Hinsicht als Sieger aus der Wahl hervorging, erklärten die militärischen Machthaber die Wahlergebnisse für ungültig. Überall in Nigeria kam es zu Demonstrationen und Revolten, zugleich aber auch zu einem enormen Rückschlag für die Medien.

Seit 1993 müssen viele unabhängige Journalisten aus dem Untergrund heraus arbeiten und heimlich ihre Zeitungen in Umlauf bringen, während sie zugleich der offenbar allgegenwärtigen Polizei zu entkommen versuchen. Die Statistik über Verletzungen der Pressefreiheit im Nigeria des Jahres 1993 bezeugt diesen traurigen Zustand: Rund 300.000 Exemplare von Zeitungen und anderen Publikationen wurden beschlagnahmt, 17 Titel überhaupt verboten, 54 Journalisten wurden verhaftet und weitere 20 gerichtlich geklagt.

Und das aktuelle Regime unter der Führung von General Sani Abacha, der in einem unblutigen Putsch im November 1993 die Macht übernahm, kann auf vielerlei Weise dafür sorgen, dass abweichende Meinungen in den Medien zum Schweigen gebracht werden. Staatliche Geheimagenten werden routinemäßig ausgeschickt, um die Verbreitung von Zeitungen zu behindern, entweder indem sie Razzien in den Räumlichkeiten des Zeitungsverlags veranstalten oder die Druckwerke direkt an den Zeitungsständen beschlagnahmen. Sogar Straßenverkäufer wurden schon bedroht, inhaftiert und unter der Beschuldigung, beleidigende Publikationen zu vertreiben, vor Gericht gebracht. Wenn es subtiler vorgehen möchte, bringt das Regime gefälschte Ausgaben oppositioneller Zeitungen in Umlauf. Auf den ersten Blick sehen sie genauso aus wie das Original, doch tatsächlich singt ein solches Machwerk dann stets das Hohelied des Regimes, um die Leser zu verwirren.

Eine bereits bewährte, traditionelle Methode im Umgang mit den Medien ist es, ihre Vertreter zu verhaften und festzuhalten. Zahllose Journalisten haben diese Schicksal erlitten, viele von ihnen wurden monatelang in Gefängnissen eingesperrt. Falls es ihnen gelingen sollte, rechtzeitig unterzutauchen, zögern die Behörden nicht, die Ehepartner einzusperren – die sich aber um die Familie kümmern müssten –, sodass der betreffende Journalist gezwungen ist, sich den Behörden zu stellen.

Ein besonders unerhörter Vorfall im Kampf gegen die Medien ereignete sich, als vier Journalisten im Jahr 1995 jeweils zu lebenslanger Haft verurteilt wurden (eine Strafe, die später aufgehoben und auf 15 Jahre vermindert wurde), weil die vier angeblich ein Komplott zum Sturz von General Abacha geschmiedet hätten. Die Journalisten – George Mbah, stellvertretender Chefredakteur von Tell; Ben Charles Obi, Herausgeber der Weekend Classique; Kunle Ajibade, Herausgeber von The News und Christine Anyanwu, Herausgeberin von The Sunday Magazine – wurden gemeinsam mit Dutzenden nigerianischer Armeeoffiziere vor ein Armeegericht gezerrt und auf Grund extrem dubioser Anklagen verurteilt. Zusätzlich zu solchen plumpen Attacken versucht das Regime seit neuestem, seine Belästigungen und Zensur der Medien auch rechtlich abzusichern. Im Januar 1997 kündigte der Informationsminister Pläne an, wonach ein Pressegericht ins Leben gerufen werden solle, das Journalisten wegen des „Berichts von Unwahrheiten“ anklagen und Dekret 43 durchsetzen solle. Dieses 1993 erlassene Dekret enthält Vorschriften für Zeitungen, die eine Publikationslizenz erwerben möchten, darunter die Bestimmung, dass Zeitungen ihre Lizenz alljährlich erneuern lassen müssen. Eine Verletzung dieser Bestimmungen kann hohe Geldstrafen oder auch Haftstrafen bis zu sieben Jahren nach sich ziehen.

Es ist ganz offensichtlich, dass General Abacha die Medien als Staatsfeinde betrachtet. Doch so ausweglos die Situation auch scheinen mag, Menschenrechts- und Medienanwalt Chief Gani Fawehinmi weist doch auf die Tatsache hin, dass es bis heute unabhängige Journalisten gibt, die ihr Leben aufs Spiel setzen, nur um die Wahrheit zu verbreiten. Er ist der Meinung, die Tatsache, dass es in Nigeria immer noch Zeitungen gibt, sei „nicht auf die Pressefreiheit, sondern auf die couragierten Journalisten zurückzuführen“. Außerdem zeichnen sich mittlerweile einige Veränderungen ab. Mit der Einführung der Informationstechnologie in den Medien und ihrer gegenwärtigen Präsenz in Nigeria und anderen Teilen Afrikas wird die Medienarbeit zwar nicht härter oder besser, doch unabhängige Medien suchen dringend nach Alternativen zu den herkömmlichen Methoden der Nachrichtenbeschaffung über die Printmedien. Ihnen dient heute das Internet als Werkzeug, um ihre Reichweite zu erhöhen.

Nach Aussage von Oatway James steht „angesichts der nigerianischen Geschichte ständiger Verletzungen von Pressefreiheit und Unterdrückung mit der Einführung des Internet ein Medium bereit, das sich nicht zensieren, verbieten oder konfiszieren lässt. Das bedeutet, dass sich die Presse des Internet bedienen kann, um Nachrichten und Kolumnen zu veröffentlichen, und dass sie dabei relativ sicher vor staatlichen Eingriffen ist. Das erscheint gegenwärtig wohl als eine der wichtigsten Funktionen des Internet in Afrika“. (4) Nigeria verfügt innerhalb Afrikas über sehr fortschrittliche Rahmenbedingungen für das Internet, das hier erstmals 1995 öffentlich diskutiert wurde. Eine Vereinigung namens Nigerian Internet Group (NIG) bietet laufend Workshops und andere einschlägige Veranstaltungen an.

Was man über die afrikanischen Medien noch wissen sollte – trotz der Einführung des Internet in die Medienlandschaft des Kontinents findet immer noch kein echter, freier Nachrichtenfluss statt, es fehlt an der Freiheit der Meinungsäußerung. Die meisten unabhängigen Medien, die es sich leisten könnten, Serverkapazitäten im Internet zu kaufen, befinden sich wie bisher unter strenger Kontrolle des Staates. Ihre Internet-Nachrichten sind fast immer Kopien der jeweiligen Printversionen, also nur der Abdruck der üblichen Nachrichten, allerdings mit der Chance, ein breiteres Publikum über das Netz anzusprechen. Die Situation schreit derzeit geradezu nach einem alternativen Medium, zu dem die Menschen Zugang haben, um ihre Meinung zu äußern und Ansichten auszutauschen, ohne von den Herausgebern zensiert zu werden. Verzichtbar sind hingegen Medieneigentümer, die ihren Lebensunterhalt mit der Registrierung eines unabhängigen Mediums verdienen und vorgeben, die Sorgen und Anliegen der Menschen zu vertreten, in Wirklichkeit jedoch verdeckt ausschließlich für die Regierung arbeiten. In Millionen von Fällen gelangen wahre Nachrichten und Klagen oder Meinungen von Menschen niemals in die Zeitungen oder auf die Schreibtische der Medien des Mainstream. Daher erscheint die Gründung eines alternativen, unabhängigen Mediums, des Nigeria Independent Media Centre (http://nigeria.indymedia.org/), auch so wichtig.

Nigeria IMC ist Mitglied der global tätigen Independent Media (www.indymedia.org), die Ende 2001 ins Leben gerufen wurde, um die Kluft zu überbrücken, die unabhängige und staatliche Medien trennt. Die Organisation bedient sich des Internet, des Radios und der Printmedien als Werkzeuge. Das Projekt bewirkt ein umfassendes Empowerment der nigerianischen und afrikanischen Bevölkerung vor Ort, indem diesen Leuten die Möglichkeit gegeben wird, ihre Nachrichten ohne nachträgliche Redaktion, ohne Verzögerung oder Zensur durch die Politik der Mainstream-Medien zu veröffentlichen. Indymedia funktioniert ohne hierarchische Strukturen auf Grund kollektiven Konsenses, in dem der Entscheidungsfindungsprozess stattfindet, womit alle Mittel und Methoden der Bürokratie zur Behinderung der freien Presse erfolgreich durchbrochen werden. Gegenwärtig ist das Indymedia-Projekt erst in drei afrikanischen Staaten vertreten, doch weitere sollen folgen.
Bessere Medien ... ein besseres Afrika
Heute zeigt sich klar und deutlich, dass Afrika eigentlich nichts anderes benötigt, als ein besseres, ein durch und durch demokratisches Mediensystem, um sein Wachstum und seine Entwicklung voranzutreiben. Die aktuellen Strukturen der unabhängigen und staatlichen Medien werden es nicht schaffen, einen gut informierten afrikanischen Kontinent hervorzubringen, der bereit ist, eine Führungsrolle in der Welt entwickelter Staaten einzunehmen.

Ebenso klar ist, dass die afrikanischen Medien, auch wenn sie ihren Beitrag zur Entwicklung der Region beigetragen haben, doch auch für einen immensen Schaden in Form des Verfalls der gesamten Region verantwortlich zeichnen, da sie die Menschenrechte für ein Butterbrot und ein Ei verkauft haben. Ihre Ignoranz und Kompromittierung des Journalismus und der Medien, wo es um Berichte über Entwicklung, Governance-Fragen, die Verschuldung und Verletzungen von Menschenrechten geht, haben Afrika weltweit gesehen in einen toten Winkel getrieben. Nur eine afrikanische Presse, die sich mit Haut und Haaren der Medienfreiheit, der Beachtung der Menschenrechte sowie dem Respekt für das Wohlergehen und die Entwicklung der Menschen verschreibt, kann die bestehende Kluft überbrücken und Afrika in das heiß ersehnte gelobte Land führen: Bessere Medien – ein besseres Afrika.

Aus dem Englischen Annemarie Pumpernig

(1)
Kevin Watkins et al, The Oxfam Poverty Report, Oxford, 1995 (Der Oxfam Armutsbericht), S. 74. zurück

(2)
Die USA haben 16,45 Prozent der Stimmrechte in der Weltbank und über 17 Prozent der Stimmrechte im Internationalen Währungsfonds. zurück

(3)
„One world double standard“ („Eine Welt – doppelbödige Moral“); eine Newswatch-Publikation, unter Sozial-/Wirtschaftspolitik, 8. Mai 2002. www.globalpolicy.org/socecon.index/html zurück

(4)
Oatway, James, The Internet, journ.ru.ac.za/amd/webnig.htm zurück