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Ars Electronica 2002
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Art of the State


'Peter Fend Peter Fend

Wenn ein Konflikt auftritt, kommt es zu einer dialektischen Pattsituation, und eine neue Synthese muss gefunden werden. Das erfordert ein verändertes Paradigma, eine neue Art des Sehens und Tuns. Es erfordert Kunst – nämlich jene, die im Einklang mit der Natur neue Bilder und Technologien schafft. So eröffnen sich plötzlich neue Wege zur Beilegung eines Streits über Territorien und Ressourcen oder von Kriegen.

Welche neuen Ideen werden wohl in den aktuellen Konflikten Wurzeln schlagen? Welche Technologien werden sich durchsetzen? Die Antwort hängt davon ab, ob es gelingt, den in ihrer Position Verschanzten auszuweichen oder sie zu besiegen. Wie schmiedet man Allianzen mit neuen Kräften, vielleicht sogar mit Gruppen von Staaten, um das Alte zu ersetzen?

Eine US-Gesellschaft namens Ocean Earth (gegründet 1980), in der Künstler, Architekten und Wissenschaftler zusammenwirken, beschäftigt sich mit Krisenherden in allen Teilen der Welt, erstellt anhand der Analysen Pläne und möchte diese nun umsetzen. Überall, wo wir tätig werden, wenden wir Ideen aus der zeitgenössischen Kunst an. Unser Territorialkonzept leiten wir von Marcel Duchamp, dem „Marchand de Sel“ („Salzhändler“) und seinen Earth-Art-Nachfolgern ab: dem Salzwasserbecken. Unser Konzept industrieller Prozesse stammt von Joseph Beuys mit seiner Fettecke, einem niedermolekularen Kohlenwasserstoff als chemischer Phase, die alle Dinge der Reihe nach durchlaufen müssen. Unser Landschafts- und Stadtkonzept ist jenes der Futuristen, Konstruktivisten und ihrer freigeistigen Nachfolger wie Archigram und Gordon Matta-Clark.

Nehmen wir nun an, wie häufig prognostiziert wird, es gäbe eine globale Krise, ja, sogar einen Krieg. Wir schließen daraus, dass es an der Zeit ist, die Kunst einzusetzen. In der Renaissance wurde die Kunst deshalb so wichtig, weil unter den Stadtstaaten ein fast permanenter Krieg herrschte. Bald danach, in Frankreich, erlangte die Kunst bei der Gründung des ersten Nationalstaates mit seinen geometrischen Linien gleichenden Grenzen große Bedeutung – auch hier vor dem Hintergrund eines fast ununterbrochenen Krieges. Zwei Maler, Le Nôtre und Vauban, wurden die Ingenieure der jungen Nation, insbesondere in den Bereichen Organisation und Verteidigung. Auf unsere Zeit übertragen, müssten eigentlich Künstler wie sie das Pentagon führen.

Das Militär könnte mit von der Kunst abgeleiteten Methoden gelenkt werden, die völlig neue Formen des Einsatzes von Boden und Ressourcen fördern würden. Ebenso die Außenpolitik. Und die allgemeine Wirtschaftspolitik. Schließlich war es schon einmal so, in der Renaissance: Die Perspektive brachte Technologien und Waffen hervor, mit denen die Europäer den Planeten kolonisieren konnten. Ohne aus der Kunst abgeleitete Erfindungen gäbe es keine Gewehre, Antriebswellen, Turbinen oder Kameras – Technologien, ohne die Eroberungen und Globalisierung undenkbar wären. Jahrhunderte davor hatten bereits die Wikinger versucht, Nordamerika zu kolonisieren. Sie konnten jedoch auf keine neuen Erfindungen zurückgreifen, und so wurden sie ausgelöscht. Erst die Kunst der Renaissance führte einen Wandel herbei.

Unsere heutige Aufgabe im globalen Maßstab besteht allerdings darin, die Errungenschaften der Renaissance zu korrigieren. 500 Jahre globaler Eroberung brachten auch einen ökologischen Niedergang mit sich. Eine Verwüstung setzte ein, die dazu führte, dass die meisten Ökosysteme unseres Planeten vernichtet wurden. Allein in Nordamerika wurden fast alle Wildtiere und auch die „wilden“ Völker ausgerottet. In allen Teilen der Welt bleibt uns angesichts von sich ausbreitenden Städten, saurem Regen, Dämmen, dem Niedergang der Ozeane, landwirtschaftlichen Monokulturen und der daraus folgenden Ausbeutung des Bodens nichts anderes übrig, als einen Kurswechsel einzuleiten. Wohin sollen wir uns da wenden?

Bereits beim Wachstum der Vereinigten Staaten übernahm die Kunst eine praktische Rolle. Um die militärische Kommunikation zu beschleunigen, erfand ein High Society-Maler namens Samuel Morse ein neues Kommunikationsmittel, das Telegraf genannt wurde. Und in jüngerer Zeit, nach dem Zweiten Weltkrieg, begab sich ein begabter abstrakter Künstler, der relativ unbekannt war, weiter als jeder andere vor ihm hinein in den visuellen Bereich, indem er den Balkencode erfand.

Wenn die Stadtstaaten Kriege gewannen, indem sie sich auf Künstler stützten, und wenn der erste Nationalstaat, Frankreich, mithilfe von Künstlern zu seinen geometrisch definierten Grenzen anschwoll, welche Staaten könnten wohl heute unter der Mitwirkung von Künstlern entstehen? Das revolutionäre Russland und Italien mit seiner rasanten Industrialisierung hätten zu Beginn dieses Jahrhunderts die Möglichkeit gehabt, das Tempo der künftigen urban-industriellen Entwicklung vorzugeben, hätten sie sich auf ihre Künstler, die russischen und italienischen Futuristen, gestützt. Welche politische Wirkung entstünde wohl durch das Vertrauen der gesamten Gesellschaft in den Luftraum-Supremat – durch Luft- und Satellitenansichten vermittelt durch die Massenmedien? Oder was wäre geschehen, hätte sich Italien 1912, vor dem ersten Weltkrieg, in dem es um die Kontrolle über die fossilen Treibstoffe ging, Marinettis Vision zueigen gemacht hätte, der zufolge sich der Großteil der benötigten Energie aus der Dynamik der Meere gewinnen ließe? Wir hätten heute nicht mit unserer Erdöl-Abhängigkeit zu kämpfen.

Doch die Regierungen, die in Russland und in Italien unter Stalin und Mussolini an die Macht kamen, entschieden sich dafür, die Erneuerer mundtot zu machen und an ihrer Stelle den Verfechtern des ästhetischen Rückschritts zum Durchbruch zu verhelfen. Das historische Ergebnis zeigt sich in den kolossalen materiellen und kulturellen Fehlschlägen der Sowjetunion und der Industriegesellschaften weltweit. Immer wieder wurden Ideen für fantasievolle Technologien (wie etwa an Ballonen aufgehängte Gebäude) vom Tisch gewischt und durch die nachdrückliche Durchsetzung einer veralteten Ästhetik ersetzt, die sich in kolossalen Dämmen, riesigen Kraftwerken, enormen landwirtschaftlichen Monokulturen und gigantischen, wuchernden Städten ausdrückt. Der Tod des Aralsees ist eines ihrer Ergebnisse.

Wie können sich die Pioniere innerhalb der materiellen Kultur behaupten? Gehen wir von einem Zitat des Architekten Frei Otto aus, dem zufolge „Kunst die Antipode der Politik“ ist. Innerhalb eines gegebenen politischen Rahmens sind die Künstler und Architekten heute machtlos. Doch sobald sie sich außerhalb des politischen Rahmens in das politische Unbekannte begeben und sich in ihrem Land oder außerhalb desselben gegen „die Politik“ zusammentun, können Künstler und Architekten Macht gewinnen. Dann können sie ihre Ideen in die Realität umsetzen.

Im Jahr 1985, während des Kriegs zwischen Iran und Irak, besuchten zwei Mitglieder von Ocean Earth einen Mann, der an den Verhandlungen zwischen beiden Ländern beteiligt war, den algerischen Botschafter in Frankreich, und zeigten ihm Satellitenaufnahmen und Analysen der Kriegszone. Insgesamt fanden drei Treffen statt. Beim letzten Mal stellte der algerische Botschafter die Frage: Was können wir tun, um der algerischen Armee zu helfen, die Wüste Sahara wieder zu einer Savanne zu machen? Er wusste nicht, dass wir Künstler waren, aber er dachte offensichtlich, dass wir etwas zur Lösung der territorialen Probleme der Algerier beitragen könnten. Seit damals entwickeln wir Modelle und Pläne. Heute, nachdem sich der Bürgerkrieg beruhigt hat, wollen wir antworten.

Um Gehör zu finden, muss man dorthin gehen, wo Politiker aufgeschlossen für das Neue sind. In den Vereinigten Staaten kann das heute bedeuten, sich an führende Politiker in Montana zu wenden, die regionale Grenzen entlang von Wasserscheiden neu ziehen wollen, in der Hoffnung, damit das Ende der bereits vierjährigen Dürre herbeizuführen. In den USA kann das auch bedeuten, das visuell-archaische Konzept des „nationalen Raketenabwehrsystems“ des Pentagon in Frage zu stellen. Überall dort, wo Veränderung gefragt ist, finden Künstler und Architekten ein Betätigungsfeld.

Auftraggeber muss ein Staat oder eine Einheit innerhalb eines Staates sein, denn vorrangig sind es die Staaten, die sich mit Territorialfragen befassen. Jede Zeichnung, jedes Gemälde und jede Skulptur – und alle zusammen in der gebauten Architektur – ist die Imitation eines Territoriums, eine Präsenz darin oder sogar ein Plan dafür. Wenn Kunst etwas bewirkt, verändert sich auch die Kontrolle über das Territorium. Ist Kunst hingegen schwach, besteht ihre Klientel nur noch in Museen und Sammlern – Menschen und Institutionen, die, so finanzkräftig sie auch sein mögen, keinerlei Kontrolle über das Territorium haben.

Zu bestimmten Zeiten, vor allem unter autokratischen Herrschern, konnte man sich einem Staat als Individuum, als Künstler oder als Architekt nähern. Aber die Autokratie verliert angesichts der Massenmedien der heutigen Zeit an Bedeutung. Man nähert sich einem Staat oder seinem Angreifer besser als Gruppe. In unserem Fall, am Ende des Projekts der Zusammenarbeit der Siebzigerjahre, gründeten wir unter Einhaltung rechtlicher Verfahren ein Unternehmen. Dies stand in einem krassen Widerspruch zur Tradition des einsamen Künstlers. Als eingetragene Gesellschaft würden wir wie jedes andere Unternehmen Produkte und Dienstleistungen für zahlende Kunden produzieren – im Idealfall für Kunden außerhalb der Kunstwelt, außerhalb der so genannten Sammlergemeinde – für Menschen, die nach Lösungen für praktische öffentliche Aufgaben suchen. Das Unternehmen würde florieren, wenn wir als Kunden Regierungen gewinnen könnten oder zumindest die Massenmedien, die Einfluss auf Regierungen ausübten. Deshalb nannten wir unsere frühen Ausstellungen „Art of the State“ (1982) und „Television Government“ (1983), und wir produzierten eine Reihe von Kabel-TVSendungen wie „Space Force“, in dem Bestreben, Beuys’ „direkter Demokratie“ in einem „Space State“ (1979–82) zum Durchbruch zu verhelfen.

Wenn ein Staat unsere Dienste in Anspruch nimmt, gibt er damit seiner Meinung Ausdruck, niemand anderer könne die Integrität seines Territoriums besser sichern helfen. Zu diesem Zweck konzentrieren wir uns auf das Hauptziel der Kunst: die Fruchtbarkeit. Wie Spenser schrieb: „Kunst ist das, wodurch die Natur noch mehr Natur hervorbringt.“ Heute, in Anbetracht des Niedergangs unseres Planeten, bedeutet das: mehr Wildtiere. Die Kunst, die während des längsten Zeitraums der menschlichen Existenz praktiziert wurde, eine Kunst, die wir „Höhlenkunst“ nennen, konzentriert sich auf die Sicherung des Lebensunterhalts in einer Welt der Wildtiere: Fruchtbarkeit der Tiere, Tierjagd, Tanz und Fortpflanzung des Menschen, Tiermasken und Häute, Haar, Stoßzähne. Wir haben die Kunst des Speerwerfens gemeistert, ja, des Einsatzes aller Waffen, aber nun müssen wie die Wildtierbestände wieder herstellen. Wenn es mehr Tiere und eine größere Artenvielfalt gibt, steigt damit die Wahrscheinlichkeit des Überlebens. Das ist die Rolle des Künstlers, wie sie von Beuys beschrieben wird, nämlich als Anführer der Jäger. Hier erfüllen sich die futuristischen Fantasien von „Body Madness“, „The Untamed“ und „Variety Theater“. Wissenschaftler in Minnesota prognostizierten vor Kurzem, dass Nordamerika um Millionen mehr Menschen ernähren könnte als derzeit dort leben, sollte die US-Landwirtschaft durch Wildtierhabitate ersetzt werden. Die „Überbevölkerung“ ist kein Problem. Der Missbrauch von Grund und Boden und die Zerstörung der Lebensräume der Wildtiere jedoch sehr wohl. Um die Nachhaltigkeit auf der Erde zu sichern, sollten wir die Tiere nachahmen.

Die Anwendung der Nachahmung auf bestimmte Orte, oder die Kunst in Situ, wird zur Architektur. Leon Battista Alberti meinte in seinen Four Books of Architecture, es gäbe vier Aufgabenbereiche für den Architekten: Er habe für eine Stadt (1) Wasser, (2) Luft, (3) Bewegungsraum und (4) Verteidigung zu sichern.

Wasser
Süßwasser, das von den höher gelegenen Gebieten in die Meere fließt, wird weltweit zu einem vorrangigen Thema. In naher Zukunft könnten Kriege nicht mehr um den Zugang zu Öl, sondern um den Zugang zu Wasser geführt werden. Man denke nur an den Bevölkerungs-/Wasserversorgungsdruck, der auf dem Nahen Osten lastet. Wenn die heute trockenen Gebiete Afghanistans, Libyens, des Iran oder Kasachstans wieder in Savannen oder Wälder zurückverwandelt werden könnten, wenn es gelänge, die Flussbetten wieder zu beleben, würde eine der Ursachen für den „Terrorismus“ verschwinden.

Die Wasserversorgung kann nicht nur durch den Bau von Dämmen oder Bewässerungssystemen sichergestellt werden, auch nicht durch das Pflanzen von Bäumen in der Wüste, sondern nur durch die Wiederherstellung großer Wildtierpopulationen. Setzen wir grabende und fliegende Tiere ein, lassen wir sie Oasen und Sumpfgebiete schaffen, und lassen wir ihren Dung von Weidetieren verbreiten. Dadurch entstehen Wasserkreisläufe. Die verschiedenen Tierarten können die Arbeit verrichten. Wir beginnen an wichtigen Futterstellen: Erdwerke stellen ein unterirdisches Tierhabitat und Mikroklima wieder her, sodass sich Populationen wichtiger bauender Arten ansiedeln können. Wären diese wichtigen Arten in Nordamerika in ausreichender Zahl vorhanden, hätten wir heute 80 Millionen Büffel, 250 Millionen Biber, Milliarden bodendurchlüftender Präriehunde und in den Sümpfen Millionen von Krokodilen. Ähnliche Zahlen lassen sich für die anderen Kontinente errechnen, die in den vergangenen 500 Jahren von den europäischen Kolonialmächten zu Grunde gerichtet wurden. Um die Populationen in der erforderlichen Zahl innerhalb von Jahrzehnten wieder herzustellen, bietet sich Earth Art an.
Luft
Zur Sicherung der Luftversorgung sollten wir alle Treibstoffe oder Energie verbrauchenden Prozesse, die Luft verschmutzen, durch saubere Prozesse ersetzen. Fossile Brennstoffe (und auch nukleare, wenn sie in die Umwelt gelangen) verschmutzen die Luft (und das Wasser). Architektonische Analysen haben gezeigt, wie wir mit Ressourcen umgehen können, ohne Schaden anzurichten. Wir wissen, dass Öl und Gas durch die Zersetzung von Meeresalgen vor Äonen von Jahren entstanden sind. Lassen Sie uns die Algen mit dem aktuellen Sonneninput züchten und ernten. Dann können wir sie fermentieren und aus ihnen Methan gewinnen, das zu Wasserstoff, Methanol oder Ausgangsmaterialien für Kunststoffe verarbeitet werden kann. Stehende Gewässer und Kanäle, wie sie häufig in den Küsten vorgelagerten Ebenen zu finden sind, eignen sich ebenfalls für die Algenzucht, wodurch sich noch mehr Treibstoff herstellen ließe; so kann zum Beispiel in Australien ein einziger, in Teichen lebensfähiger Organismus genügend Kerosin in Jetqualität erzeugen, um die Flugzeuge des Landes zu versorgen.

Aus der Weltraumperspektive erkennen wir auch, dass die Kernenergie eine gute Sache ist, allerdings weit entfernt. Sie ist tagtäglich verfügbar – die Sonne liefert sie uns. Wir können sie in Form von Wind, direkter Sonneneinstrahlung, passiver Sonneneinstrahlung, Systemen zur Nutzung des thermalen Gefälles der Meere, Biomasse oder (in einem geschlossenen Haushaltskreislauf) in Form von Biogas verwenden. Aus dieser natürlichen Kernkraft entstehen auch Wasserkreisläufe: Verdunstung und Verdampfung lassen Konvektion, dann Kondensation und schließlich Niederschläge entstehen. Das zu Boden fallende Wasser fließt ins Meer und transportiert dabei Erde. Sein Niederfallen kann Energie freisetzen. Aber vergessen Sie nicht, dass Wasser mehr ist als nur H2O – es ist Träger von Erde, Salz und Organismen. Wie Blut ist es ein Medium des Lebens. Durch den Bau von Dämmen kann dieses Blut abgesperrt werden. Deshalb schlagen wir unterschlächtige Wasserräder vor. Dabei wird um 25 Prozent weniger Energie umgewandelt, aber die ökologischen Flüsse beim Transport lebenswichtiger Stoffe bleiben aufrecht.

Die Satellitenüberwachung von Gebieten, kombiniert mit punktgenauen Höhen- und Neigungsaufzeichnungen, hilft festzustellen, welches absolut saubere Energiesystem wo eingesetzt werden sollte. Sie bietet auch eine Grundlage für die Besteuerung. Gebühren für die Ausbeutung ökologischer Ressourcen können Pixel für Pixel ermittelt werden. Hohe Dämme mit ihren lebenstötenden Staubecken werden auf diese Weise steuerlich teuer; ebenso fossile Brennstoffe, sowohl in der Gewinnung als auch im Verbrauch, da die Satelliten ihre Präsenz und die durch sie entstehenden Schäden zeigen. Direkt genutzte Sonnenenergie könnte eine gute Sache sein, allerdings nur an Orten, wo es keine Vegetation und Tierpopulationen gibt, denen sie möglicherweise schadet. Fließwasser wird zu einem Vermögen, das seinen Preis hat. Ohne Wasser ist eine der wirklich umweltfreundlichen Energiequellen unmöglich, nämlich die direkte Pyrolyse von destilliertem Wasser zur Herstellung von Wasserstoff mithilfe von mittels Schwerkraft gewonnenem Strom. Ohne ausreichend Wasser kann es auch nicht genug von der viel gepriesenen Null-Emissionsquelle Erdwärme geben. Satellitenaufnahmen von Salzwasserbecken gestatten die Erstellung eines umfassenden Lageplans für alles, was die Wasserkreisläufe in der Luft, auf der Erdoberfläche und im Erdinneren stärken kann.
Bewegungsraum
Die beschriebenen aus dem Weltraum erstellte Steuerberechnungen, kombiniert mit der entsprechenden Bautechnik, machen dichte „Jungle-Gym“-Städte möglich, die entfernt von den fruchtbaren Sumpfgebieten, ja, sogar in gebirgigen Gegenden liegen können. Sie entsprechen der dritten von Alberti definierten architektonischen Bedingung: Raum, in dem sich ein Körper bewegen kann. Eine Stadt ist ein Transportkonnex. Die Einfachheit der Bewegung in ihr macht sie spannend. Durch die Mechanisierung des Transports konnten sich die Städte ausbreiten, auch wenn dies mit hohen Kosten verbunden war. Die Zahl der direkten persönlichen Begegnungen nimmt ab, es wird immer mehr Zeit für das Hin- und Herfahren aufgewendet, und die Lebensräume der Tiere werden von allen Seiten her beschnitten. Wir arbeiten nun daran, die Städte wieder genauer zu definieren. Wir wollen, dass die Bewegung innerhalb der Stadt einfacher wird und viel weniger Naturraum verloren geht. Die städtebaulichen Raster der Renaissance und das Konzept der Piazza wurden Albertis Forderung nach Raum für körperliche Bewegung mehrere Jahrhunderte lang gut gerecht. Aber die Bevölkerungszahlen explodieren, und Maschinen, wie sie in Autos und Zügen Anwendung finden (alle abgeleitet von Erfindungen der Renaissance), bewirken, dass sich die Städte nicht mehr in Fußdistanzen durchmessen lassen. Die Konstruktivisten, Urbanisten wie Archigram, haben weit dichtere Städte skizziert, die mit den heutigen Maschinen vernetzt sind. Aber dafür müssen öffentliche Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden. Was wir heute erotische Kunst nennen, lässt sich auf futuristisches „Body Madness Engineering“ ausweiten. Das Ergebnis könnten an Körper erinnernde Gebäude sein, angefüllt mit gewärmten Gasen, ausgeglichen mit Gewichten und Spannkabeln. Diese Gebäude müssen nicht übereinander gestapelt werden, sondern sie könnten mit skelettartigen Gerüsten riesige Räume überspannen. Die Architektur sollte den sexuellen Appetit anregen und die Menschen dazu motivieren, mit allen ihren Gliedmaßen zu laufen, zu tanzen, zu spielen. Bautechniker erklären, ein hohes Maß an spielerischer Innovation sei möglich, sogar effizient; aber um dies zu verwirklichen, müssen eingefahrene Muster und Regeln durchbrochen werden.
Verteidigung
Wie verteidigt man eine solche Stadt gegen Angriffe? Was kann externe Kräfte vom Eindringen abhalten? Wie können die Wellen der Vernichtung, wie sie aus der Geschichte immer wieder berichtet werden, gebrochen werden? Die vierte Säule der Architektur, wie von Alberti definiert, die Verteidigung, wird kaum beachtet. Wir kennen Wasserkreisläufe und Flusssysteme, wir kennen futuristische, sporttaugliche Städte, aber wir wissen nicht, wie wir die beiden wichtigsten Ursachen für den Zusammenbruch von Städten in den Griff bekommen können: Die Zerstörung des Hinterlands und den Angriff von Feinden. Die Ausbreitung der Vorstädte ist interessanterweise ein Beispiel für beides. Sie vernichtet sowohl die Stadt als auch das ökologische Substrat, auf dem sie steht. Wovon wir ausgehen, ist weniger eine Vorstellung von Verteidigung als eine Vorstellung von Evolution. Wir treten sogar für die Idee des Angriffs ein, für die „kreative Vernichtung“. Wir sagen, dass Zerstörung genauso wichtig ist wie Bauen und dass nichts vom Menschen Gemachtes ewig oder auch nur lange hält. Der Primat der Zivilisation eines Jahrhunderts kann im nächsten Jahrhundert zurecht von einer anderen Zivilisation hinweggefegt werden. Während die Städte in der Renaissance und in den Jahrhunderten davor für die Ewigkeit gebaut wurden, wissen wir heute durch die Kriege, dass das, was wir bauen, wahrscheinlich nur viel kürzere Zeit Bestand haben wird. Wir sehen das an den „Plug-in Cities“, am spektakulärsten an der schnell zu montierenden, sich rasant verändernden Gebäudeform in Japan. Wir beobachten es auch in der amerikanischen Prärie. Größere und kleinere Städte erleben einen Niedergang und verschwinden schließlich. Bestehen bleiben nur einige wenige Metropolen. Der Großteil des Geländes fällt an die nativen Amerikaner zurück, die wieder zu einer Ökonomie der Büffeljagd zurückkehren und dabei mehr Ertrag pro Quadratmeile und Jahr erzielen als mit herkömmlichen landwirtschaftlichen Methoden. Diese Praxis wird sich möglicherweise auf Asien, auf Afrika und die meisten Teile der Erde ausdehnen.

Wir könnten eine Stadt bauen, die eher einem Camp als einer Bastion gleicht, und im Rahmen der besten dauerhaften Verteidigung gegen massive Zerstörung die Bevölkerung bewaffnen, und zwar mit der wichtigsten neuen Waffe, die dem heutigen Militär zur Verfügung steht: Kommando, Kontrolle und Kommunikation auf Weltraumbasis. Taro Suzuki, Urheber des im Jahr 1979 formulierten „Space Force“-Konzepts, propagierte dieses C3I-Konzept 1985 im Walker Art Center. Aber sein Motiv war nicht, sich als Künstler einen Namen zu machen. Sein Ziel war es, die gesamte Öffentlichkeit zu bürgerrechtlichen Aktivitäten zu motivieren. Unser Mandat leiten wir vom Zweiten Amendment zur amerikanischen Verfassung ab, das eine Bürgermiliz verlangt und auf das Recht, ja, fast auf die Pflicht verweist, Waffen zu tragen. In unseren Zeiten bedeutet das einen global agierenden militärartigen Geheimdienst freier und denkender Bürger.

Unsere Argumente decken sich mit jenen, die gegen das aktuelle US-Weltraumverteidigungsprogramm ins Treffen geführt werden. Wie es ein Cover des New York Times Magazine ausdrückt: Globale Sicherheit ließe sich eher erreichen, wenn alle von überall aus alles sehen könnten, mit einer bestimmten Auflösung, nicht allzu persönlich, aber auf jeden Fall sämtliche militärische oder ökologische Aktivitäten. Das wäre besser als die Bemühungen des Pentagon, den Weltraum zu „dominieren“. Das Spiel des Pentagon, so der Artikel, ist zum Scheitern verurteilt. Dieses Spiel heißt „der König des Bergs“. Es ist unvermeidlich, dass der König des Bergs irgendwann einmal – früher als erwartet – von den anderen heruntergeholt wird. Diese These wird durch die Kontrolle Deutschlands über fast ganz Europa oder die Vorherrschaft Frankreichs ein Jahrhundert davor bestätigt. Dominanz folgt heute der Physik der Schaukel: Sie zeugt das Armageddon von morgen. Versuche, sich die Hegemonie über die Hülle der Erde zu sichern, können niemals Sicherheit nach innen oder nach außen schaffen. Hier ist Ocean Earth bemüht, eine „Konfliktszene“ mit Rumsfeld herbeizuführen, um die öffentliche Meinung u. a. in den USA gegen seine rückschrittliche Hybris zu mobilisieren.

Die USA verhalten sich im Jahr 2002 in ihrer Reaktion auf den „Terrorismus“ vonseiten der verarmten Mehrheit der Menschheit wie Österreich-Ungarn im Jahr 1914. Doch diesmal braucht die Avantgarde, anders als unter Franz Joseph, die Situation nicht zu dulden. Stattdessen könnte sie das Regime angreifen. Sie könnte den Weg zu einer neuen globalen Politik öffnen, die mehr will als Erdöl, Mineralien und kolonialistische „Wettkämpfe“. Die Avantgarde könnte eine meeresbezogene Weltsicht mit Schwerpunkt Antarktis vertreten. Gleichzeitig könnte sie, was die USA betrifft, neuerlich auf die Lage zwischen zwei Meeren verweisen. Sie könnte ökologische Wiederaufbauprogramme auf den Pazifik und den Atlantik ausdehnen und Eurasien damit von zwei Seiten umfassen.
Kunst als Schauplatz globaler Konflikte
Die Hauptkämpfe um die Einführung einer Politik, die sich an der Kunst orientiert, finden in der Kunstwelt statt. Die Kunst – oder besser gesagt die Institutionen, Publikationen und Märkte der Kunstwelt – sind unsere Szene eines globalen Konflikts. Die Auseinandersetzungen begannen vor mehr als 20 Jahren und halten bis heute an. Mittlerweile wurden die Pioniere, die politische Veränderungen initiierten, aus dem Feld geschlagen oder zumindest blockiert, ausgelaugt, geplündert und kriminalisiert. Die Machtträger schalteten sich ein, zunächst nur hier und da, dann aber mit ganzer Wucht. Sie verführten einen, der sich den Pionieren anschloss. Sie schüchterten viele andere ein. Wie es ein Regierungsbeamter ausdrückte, waren wir „außer Rand und Band“ geraten. Aber die Blockade ist noch umfassender: So schickte Esso einen Wissenschaftler per Flugzeug zu einer Institution im Mittleren Westen, wo wir über teure Biomasse-Energieprojekte diskutierten, nur damit er uns die Botschaft „Auf keinen Fall“ überbrachte. Die Blockade kann auch so aussehen, dass Kulturinstitutionen, die unsere Projekte sponsern, stillschweigend hoffen, eine reale Umsetzung zum Beispiel in Form eines funktionierenden Modells möge denn doch nicht erlaubt werden: Künstler dürfen Ausstellungen machen, aber keine Realität.

Bis heute stehlen uns, den Leuten von Ocean Earth, die Militärbehörden Deutschlands, Frankreichs, Hollands, Großbritanniens und der USA Satellitendaten und / oder zugehörige Analysen und Bilder. Die erste derartige Episode trug sich 1982 während des Falklandkriegs zu. Offiziere der britischen Navy, eskortiert von US-Beamten, requirierten alle Daten und Computereinrichtungen auf der Suche nach Daten, die für die Ausstrahlung auf BBC und NBC aufgenommen worden waren. Vermutlich fanden sie unser Eigentum nützlich. Am nächsten Tag forderte uns jemand von der Defense Intelligence Agency auf zu kooperieren. Wir lehnten ab. Wir haben seit damals immer alle einschlägigen Aufforderungen abgelehnt, außer einem Kollegen, einem relativ spät Hinzugestoßenen, dem es gefiel, dass die deutschen Geheimdienstbehörden (wie er es während es Tschernobyl-Kampfs ausdrückte) „in sich so festgefahren“ waren.

Der Konflikt hängt davon ab, wie sich jeder Einzelne, jeder Künstler, zum Staat verhält. Als wir von Ocean Earth 1982 ernsthaft mit der Satellitenbeobachtung von Projekten begannen, wurden wir von verdeckten Agenten abwechselnd unter Druck gesetzt und zur Kooperation aufgefordert. Die US-Bürger unter uns lehnten die Kooperation ab – die meisten von ihnen gingen einfach. Selbst die ersten Projekte im Bereich der Nachrichtenmedien lösten interne Konflikte aus: Wolfgang Staehle schlug eine Zusammenarbeit mit der BBC vor; George Chaikin weigerte sich, mit ihr zusammenzuarbeiten; Collen Fitzgibbon mit ihrer Nachrichtenerfahrung wurde Produzentin, stand in den Kämpfen um die Kontrolle der Nachrichtenanalysen aber meist auf meiner Seite. Bei späteren Projekten leisteten Fitzgibbon, Staehle, Bill Dolson, Ingo Günther, Yann Viguier und Sophie Vieille harte, kreative Arbeit. Eine Italienerin, Santa Scardillo, half uns, anhand unseres Materials die Missetaten von UN-Beamten ans Licht zu bringen, und beteiligte sich an Streitgesprächen über den Besitz von Vermögen. Mitgründerin Joan Waltemath war ebenfalls bei der UNO. Sie half uns französische Blockaden zu umgehen und Daten aus Schweden zu holen und diese Daten dann an den deutschen Behörden vorbeizuschmuggeln. Aber einer der beiden deutschen Teilnehmer, der erst Jahre, nachdem er von uns erfahren hatte, in die Gesellschaft eintrat, erlag dem scheinbaren Privileg, mit seinem Staat zusammenzuarbeiten. Er fand es verwunderlich, dass sie sich freiwillig bereit erklärten, uns bei unserer Arbeit zu „helfen“. Staehle, der an vielen anderen Satellitenprojekten mitgearbeitet hatte, z.B. im Zusammenhang mit Libyen, wurde hineingezogen. Agenten der Regierung wurden beigezogen, um bei etwas zu „helfen“, was sich letzten Endes als eine grob irreführende Tschernobyl-Analyse erwies. Man „half“ uns mit einer verspäteten und letzten Endes konfiszierten Datenübertragung von den USA nach München. Die „Hilfe“ bestand weiter aus sechs Personen, die unsere Vertragswissenschaftler in München trafen, nur um ihnen zu sagen, wir seien für unsere Arbeit nicht „qualifiziert“. Unsere Erkenntnisse wurden zwar in späteren Jahren in wissenschaftlichen Medien und Massenpublikationen als maßgeblich zitiert, aber die Blockaden, mit denen unsere Arbeit in den ersten, heißen Medientagen sabotiert wurde, zogen ein jahrelanges Missverständnis über den Reaktorstandort Tschernobyl nach sich. Wirksame Abhilfemaßnahmen wie die Schließung des gesamten Komplexes, wurden erst 14 Jahre später gesetzt. Staatsbeamte aus der Ukraine und aus Weißrussland, jenen Ländern, die Opfer der falschen Analysen waren, wurden informiert – mit Folgen. Wie uns ein französischer Agent erzählte, galten wir als ungesicherte Kanonen an Deck. Wir gaben zurück: Was erwarten Sie? Wenn Sie Satelliten losschicken, um die Zivilbevölkerung zu beobachten, müssen Sie mit politischen Auswirkungen rechnen. Die Öffentlichkeit erhält völlig neue Machtbefugnisse, wenn sie mit harten Beweisen aus dem Weltraum bewaffnet wird. Nicht nur professionelle Soldaten verfügen über militärische / territoriale Befugnisse. Die Mächtigen sind in der Defensive. Die Welt muss sich auf Grund der Möglichkeiten, die der offene Himmel mit sich bringt, ändern. Nun halten wir Ausschau nach Souveränen auf der ganzen Welt, die unsere Ambitionen teilen und bereit sind, sich zu deklarieren. Die Überlebenden von Ocean Earth haben niemals versucht, wie in einem Documenta-Katalog beschrieben, im Graubereich zwischen „Journalismus und Spionverdacht“ zu arbeiten. Bei den Zielen des Unternehmens, die sich an der amerikanischen Verfassung orientieren, geht es weder um Journalismus noch um Geheimdienstarbeit, sondern eher darum, den Bürgern IT-Waffen in die Hand zu geben, um die ökologische Autarkie wieder herzustellen.

Auf die Frage, welchem Staat man dienen soll, antworten wir: Wir wollen souveränen Staaten dienen oder ihnen Dienste anbieten, und zwar nur im Bereich der konkreten Aktivitäten oder Projekte, die wir auf ihrem Territorium durchführen möchten. Wir wählen die Orte; wir entscheiden, welche Dienste angeboten werden sollen; wir wählen die Staaten, die in ihren Entscheidungen und Aussagen der letzten Zeit ähnliche Ziele verfolgen; wir verkaufen ihnen unser Know-how in einer rein geschäftlichen Beziehung. Wir verkaufen es stets im Rahmen des allgemeinen Kontexts unserer Ocean-Earth-Weltsicht, die um Salzwasser- oder Meeresbecken kreist. Als höhere internationale Autorität berufen wir uns auf das Regional Seas Program des Umweltprogramms der Vereinten Nationen.

Militärisch wenden wir uns gegen jede Bedrohung der natürlichen Integrität von Territorien, wo auch immer sie liegen mögen – das heißt, gegen Bedrohungen der globalen Ökologie. Um dieses Ziel zu erreichen, werden wir uns der allgegenwärtigen weltweiten Satellitentechnologien bedienen, deren unvoreingenommener und universeller Anwendung, der Beobachtung, der globalen Positionierung und der Telekommunikation. Unsere oberste Loyalität gilt der Natur.

Aus dem Amerikanischen von Annemarie Pumpernig