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Ars Electronica 2004
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Festival 1979-2007
 

 

Die Interaktion von Kunst und Technologie im Wandel der Zeit
Auf dem Weg zur kulturellen Evolution der Menschheit

'Itsuo Sakane Itsuo Sakane

Einleitung
Zunächst möchte ich den Veranstaltern des Prix Ars Electronica 2003 nochmals meinen Dank dafür aussprechen, dass sie mir die Goldene Ehren-Nica überreicht haben und mir die Gelegenheit gaben, einen Vortrag im Rahmen des Ars-Electronica-Festivals zu halten. Dass ich auch dieses Jahr wieder als Vortragender zur Ars Electronica 2004 eingeladen wurde, ehrt mich besonders.

Offen gesagt, ich bin weder Künstler noch wissenschaftlich tätiger Kunsthistoriker. Anfang der sechziger Jahre arbeitete ich als Journalist für eine Tageszeitung, und so konnte ich damals mitverfolgen, wie die neuen Technologien nach und nach in die Welt der Kunst integriert wurden. Ich führte Interviews mit Künstlern, Technikern und Wissenschaftlern, verfolgte deren Arbeiten und Ausstellungen und veröffentlichte eine Reihe von Kolumnen. Außerdem bot sich mir Mitte der siebziger Jahre die Gelegenheit, Ausstellungen zum Thema Kunst und Technologie zu organisieren. Obwohl ich im Jahr 1990 die Zeitung schließlich verließ und danach in Ausbildungsinstitutionen arbeitete, schrieb ich weiterhin Kritiken und war als Kurator einiger Ausstellungen tätig. Meine Ansichten über dieses Flechtwerk von Kunst, Wissenschaft und Technologie basieren daher hauptsächlich auf meinen persönlichen Erfahrungen. Daher ist auch mein Vortrag weniger theoretisch oder systematisch, als vielmehr eine bunte Mischung von persönlichen Eindrücken und Bildern. 1982 besuchte ich die Ars Electronica zum ersten Mal, und mittlerweile verfolge ich die Entwicklung dieses einzigartigen Festivals bereits seit 20 Jahren.
Der Einfluss der digitalen Technologie auf die Kunst
Dieses Jahr wurde ich eingeladen, über die historische Entwicklung des Einflusses der Digitaltechnologie auf die Kunst seit den fünfziger Jahren zu sprechen, und zwar in kultureller, sozialer und internationaler Hinsicht. Dennoch möchte ich meinen Vortrag nicht rein auf die Digitaltechnologie reduzieren, sondern mich auch anderen Kunstbereichen widmen, die mit Wissenschaft und Technologie in Verbindung stehen; dazu zählen auch analoge Arbeiten. Worin liegt der Ursprung der Kunst, der Wissenschaft und der Technologie, und in welcher Beziehung stehen diese drei Disziplinen mit der Struktur des Menschen? Die Entwicklungen auf diesen Gebieten verhalfen dem Menschen, sich im Laufe der Zeit von einer bloßen biologischen Einheit zu einem kultivierten Geschöpf zu entwickeln.

Ich möchte einige Künstler und Techniker, die ich seit den fünfziger Jahren kennengelernt habe, sowie deren Arbeiten, Methoden und Denkweisen vorstellen und meine Präsentation mit einer Reihe von audio-visuellen Beispielen untermalen.

Außerdem möchte ich über die Beziehung zwischen den vielschichtigen Funktionen des Menschen und seiner Kreativität sowohl in der Kunst als auch in der Wissenschaft sprechen. Aufgrund der unterschiedlichen Aktivitäten des menschlichen Körpers, basierend auf derart unterschiedlichen Funktionen, von der physischen bis zur metaphysischen Existenz (durch biologische oder psychologische Existenz), müssen in der Kunst und der Wissenschaft schon von Beginn an unterschiedliche Ziele und Wertesysteme gegolten haben, sodass es noch immer schwierig ist, beide Bereiche in Einklang zu bringen. Trotz der in sozialer und globaler Hinsicht problematischen Bedingungen, insbesondere seit dem letzten Jahrhundert, möchte ich die Bemühungen der Künstler und Wissenschaftler hervorheben, beide Bereiche in Einklang zu bringen. Einige dieser kreativen Menschen zeigten auf, dass das menschlichen Bewusstsein und Wertesystem neu überdacht werden muss, um mit der kulturellen Evolution Schritt halten zu können.
Die historische Evolution in der Technologiekunst
Vor allem für die junge Generation zeige ich Ton- und Bildmaterial von Arbeiten aus dem Bereich der neuen Künste. Aufgrund einzigartiger Technologielösungen und wissenschaftlicher Konzepte ergibt sich ein äußerst umfangreiches Spektrum, und daher könnte es für Laien schwierig sein, diese Arbeiten ohne jegliche Kategorisierungshilfen zu verstehen. Aus diesem Grund habe ich sie in Anlehnung an die Kategorien der Modernen Kunst nach einem Schlagwortkatalog eingeteilt. Darin finden sich zum Beispiel folgende Kategorien: Kinetik, Optik, Mathematik, Phänomene, Klang, Kosmos, Medien oder digitale Kunst. Bei näherer Betrachtung der Arbeiten kann man feststellen, das sich die jeweils angewendete Technologie im Lauf der Zeit und abhängig vom Konzept des Künstlers von einer analogen zu einer ausgereifteren digitalen Anwendung entwickelt hat. Gleichzeitig kann man beobachten, dass der Künstler seine Ideen und Vorstellungen bewusst naiv oder einfach hält, um die Beziehung zur Natur, Gesellschaft und zu anderen Menschen nicht zu verlieren. Im Technologiesektor hat die Kreativität im Laufe der letzten 50 Jahre stark zugenommen, aber im Vergleich dazu hat sich die künstlerische Ausdrucksweise nicht wesentlich verändert – die Grundmotivation resultiert nach wie vor aus der Sensibilität des Künstlers.
Die Bedeutung der Medienkunst im digitalen Zeitalter
Im Vergleich mit moderner oder zeitgenössischer Kunst kann die sich ändernde Definition und Bedeutung der digitalen Kunst anhand von sieben Unterschieden dargestellt werden. Ich habe diese Unterschiede kurz angesprochen, auch was Kunst im Netz und Arbeiten betrifft, die in Online-Galerien ausgestellt werden, und zu diesbezüglichen Entwicklungsmöglichkeiten sowie zu durchaus problematischen Aspekten Stellung genommen. Aber da sich dieser Bereich täglich erweitert und man auch mit Missbrauch und übermäßiger und ungezielter Verbreitung von Informationen (Informationsverschmutzung) zu kämpfen hat, ist es immer noch schwierig, Prognosen für die Zukunft zu erstellen.

In meinem letzten Vortrag bin ich dennoch auf die soziale Bedeutung der digitalen Kunst im Vergleich zur traditionellen Kunst eingegangen. An dieser Stelle möchte ich die von Jonas Salk im Jahr 1985 entwickelte Idee der kulturellen Evolution der Menschheit aufgreifen. Das Konzept ist nicht mehr ganz neu, jedoch noch immer von großer Bedeutung. Ausgehend von Salks’ Konzept möchte ich auch meine Gedanken und Eindrücke über die heutigen Möglichkeiten der digitalen Technologie zum Ausdruck bringen. Betrachtet man die Geschichte der modernen Kunst, wird ersichtlich, dass diese durch die Person und Ausdrucksform des Künstlers entsteht, der auf seine eigene Identität und Fantasie zurückgreift. Digitale Medienkunst hingegen ist so stark, dass sie die Kluft zwischen den unterschiedlichen Kulturen und Nationalitäten spielend überbrücken kann, und zwar nicht nur auf persönlicher, sondern auch auf sozialer Ebene. Ich denke deshalb, dass diese neue Kunstform – basierend auf solch kulturellem und anthropologischem Bewusstsein – in der Lage ist, sich global zu verbreiten. Es kann also durchaus sein, dass die neuen Kulturmedien die unterschiedlichen Kulturen, Rassen und Länder vereinen können, und zwar noch viel nachhaltiger als die auf der Welt so präsenten politischen und militärischen Kräfte einzelner Länder.

Aus dem Englischen von Michaela Meth