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Collaborative Broadcasting
Models of technological innovation for tactical media

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Freie Medien schaffen über die Entwicklung und Adaption medienübergreifender Technologien vor allem in den gesellschaftlichen und geografischen Randzonen erweiterte Kommunikationsmöglichkeiten. Sie gestalten an die jeweiligen sozialen, politischen und räumlichen Kontexte angepasste kreative Patchworks von Technologien und Kommunikationssystemen, die zusätzliche Perspektiven und Handlungsspielräume eröffnen.

Freie Medien verstehen sich als Kommunikationsplattformen. Das Angebot „Public Access“ ist die Voraussetzung und zugleich das wichtigste Werkzeug, um Kommunikation herzustellen. Solche Kommunikationsplattformen wie etwa die Freien Radios haben zum Ziel, Möglichkeiten der Meinungsäußerung und Selbstrepräsentation bereitzustellen, die Rezipienten in die Arbeit mit dem Medium aktiv einzubinden und sie aus einer reinen Konsumenten-Rolle aktiv in den Produktionsprozess einzubeziehen. Jeder kann unmittelbar zum Produzenten dieser Mediengesellschaft werden und sich über das Medium in Beziehung mit anderen setzen. Eine der zentralen Herausforderungen ist die Niederschwelligkeit der Zugänge zum Medium selbst; durch Vermittlung von Medienkompetenz in inhaltlicher genauso wie in technischer Hinsicht.Das kann nur durch Auseinandersetzung mit den unmittelbaren lokalen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen geschehen. Wer sind die Nutzer dieses Mediums? Wie können auch technik- und medien-ferne Gesellschaftsgruppen angesprochen und Berührungsängste abgebaut werden? Wie kann der mediale Raum für alle geöffnet werden?

Um mediale Räume zu öffnen wurde die Auseinandersetzung mit technologischen Entwicklungen in den vergangenen Jahren zunehmend relevant. Vor dem Hintergrund der zentralen Zielsetzungen Freier Medien ändern sich zwar nicht die Forderungen selbst – jene nach Meinungsund Informationsfreiheit, Meinungsvielfalt, offenem Zugang –, allerdings unterliegen die Werkzeuge – parallel zu gesellschaftlichen und technologischen Veränderungen – einem ständigen Wandlungs- und Entwicklungsprozess. Die Strategien und Praxen sind dabei zwingend medienübergreifend geworden: Das analoge Medium Radio wurde um digitale (Netz-)Optionen erweitert (Audio-Streaming, Radio On Demand, datenbankbasierter Programmaustausch etc.) – das vielfach zunächst experimentelle Nutzbarmachen aller vorhandenen Mittel zur Herstellung von Kommunikation funktioniert vor allem durch die permanente Erweiterung und Adaption des Angebots.

In diesem Kontext orientieren sich die technologischen Innovationen und Adaptionen aber immer an den konkreten Bedürfnissen derjenigen, die sie benutzen – Ansprüche und Herausforderungen ändern sich dabei ständig. Der Wunsch nach Selbstformulierung und Selbstrepräsentation von marginalisierten Gruppen wie MigrantInnen ist in den letzten Jahren deutlich gewachsen; gleichzeitig hat sich im Kontext der globalisierungskritischen Bewegungen ein politischer Aktivismus entwickelt, der sich analoge genauso wie digitale Medien zunutze macht. Die zunehmende Vernetzung gerade über Freie Medien ist darüber hinaus nicht nur in den gesellschaftlichen, sondern auch in geographischen Randzonen zu beboachten.

Das Ziel bleibt ein breiter und vor allem niederschwelliger Zugang, der auch innerhalb der Freien-Medien-Communities den „Digital Divide“ zu schließen versucht. Die Auseinandersetzung und das Ansprechen von gesellschaftlichen Randgruppen, für die es keine oder kaum Medienangebote gibt, sind zentraler Bestandteil der Arbeit Freier Medien. Genau diese „Randgruppen“ sind es aber häufig auch, die von technologischen Entwicklungen durch verschiedenste Mechanismen ausgeschlossen sind. Etwa die vielfach noch unzureichende Anbindung von MigrantInnen an die digitale Informationsgesellschaft stellt Entwickler nicht nur vor die Herausforderung, intuitive – etwa mehrsprachige – Nutzer Oberflächen zu erarbeiten, sondern gleichzeitig Schwellenängste zu minimieren und Angebote zu schaffen, die diesen Gruppen die Anwendung der zur Verfügung gestellten Tools möglich macht.

Freie Medien wie Freie Radios müssen sich vor diesem Hintergrund permanent mit der Frage der Zugangsmöglichkeiten auseinandersetzen. Wie können „alte“, analoge und „neue“, digitale Technologien für die verschiedensten Anwender-Gruppen und -Communities und für die Infrastruktur der freien Medien selbst nutzbar und verfügbar gemacht und gehalten werden? Freie Medien funktionieren im Umgang mit technischer Innovation und Adaption wie selbst gestaltete Baukastensysteme: Die einzelnen technologischen Elemente sind häufig veraltet, der Umgang mit FM-Technologien ist im Grund nach wie vor traditionell, und die technische Infrastruktur in der Praxis ein Patchwork aus allem, was zu Verfügung steht. Die Leistung liegt dabei oft gar nicht in der technischen Expertenschaft, sondern viel eher darin, Kombinationen herzustellen, für die unmittelbaren Zwecke brauchbare Teile herauszugreifen, und daraus „intelligente Patchworks“ und übergreifende Systeme zu basteln. Dabei entstehen Kooperationen, deren Hybridität selbst das kreative und letztendlich auch politisch relevante Potenzial ausmacht: Technik-Freaks arbeiten mit – oder sind selbst – Polit-AktivistInnen, KünstlerInnen und MigrantInnen zusammen und stellen konkrete Schnittstellen zwischen den Kommunikationsbedürfnissen der NutzerInnen und den technischen Möglichkeiten her.

So werden Technologien um- und neugedeutet, Kombinationen aus digitalen und analogen Tools angewendet: So wird beispielsweise im Radioballett der Hamburger Gruppe Ligna die „alte“ Technologie FM-Radio für eine politisch-künstlerische Aktion aktualisiert produktiv gemacht: Schauplätze der Performances sind Bahnhöfe, thematisiert wird zum Beispiel der herrschende Sicherheits- und Überwachungswahn: Mitmachen kann jeder, via Radio und Kopfhörer bekommen die Teilnehmenden Regieanweisungen, die kollektiv aufgeführt werden. In einer „Zerstreuung“ werden verdrängte Praktiken des Bettelns oder des „unnötigen Aufhaltens“ aufgeführt.

Die Kombination von Streaming- und Wireless-Technologien mit FM-Ausstrahlung machen mediale Kommunikation auch in den entlegensten Gebieten möglich.So stellt etwa die Künstlerin Manu Luksch in ihrem Dokumentar-Film-Radio-Internet-Projekt Virtual Borders dar, wie das über fünf Staaten (China, Laos, Vietnam, Thailand, Burma) verteilt lebende Volk der Akha durch eine Kombination aus Internet und Radio über die Staatsgrenzen hinweg kommunizieren konnte.

Viele Freie Radios gestalten und erleichtern sich ihren Arbeitsalltag mittlerweile durch verschiedene digitale, netzbasierte Applikationen: Die Möglichkeiten des Austauschs von Sendungen zwischen den Radios haben sich durch die Abwicklung über mp3-Audio Datenbanken massiv verbessert. Viele Radios verfügen mittlerweile über automatische Abspielsteuerungen: Vorproduzierte Sendungen müssen nicht mehr als Minidisc im Studio eingelegt und händisch gestartet werden, sondern werden als mp3 vom Computer abgespielt. Diese Tools gleichen so vielfach mangelnde finanzielle und personelle Ressourcen aus. Diese Kombinationen aus technischer Improvisation und kommunikativer Interaktion erweitern die Handlungsfähigkeit Freier Medien und machen Kooperationen zum Teil überhaupt erst möglich. Vor allem im Hinblick auf internationale Vernetzung und technologische Zukunftsperspektiven treten diese Entwicklungen zunehmend in den Vordergrund: Alternative Medien in den ost- und zentraleuropäischen Ländern beschränken sich zum Beispiel derzeit vor allem auf den Netzbereich, Kooperationen müssen auf diesen technischen Rahmenbedingungen aufbauen.

Die Radio-FRO-Konferenz greift Entwicklungen auf und diskutiert aktuelle Kommunikationstools, Strategien und Perspektiven, um mit technologischen und medialen Optionen auch reale Anlässe für Kommunikation und Partizipation zu schaffen. Wie machen sich Freie Medien Technologien konkret nutzbar? Wie können diese Tools Kommunikation erweitern und unterstützen? Wo bleiben sie dennoch begrenzten Eliten vorbehalten? Wie können sie einem möglichst breiten NutzerInnenkreis zugänglich gemacht werden? Welche Modelle für dezentrale und kollaborative Formen von Produktion und Distribution durch die Kombination verschiedener Technologien existieren? Welche Auswirkungen haben sie auf Prozesse emanzipatorischer und partizipativer Mediennutzung?