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Ars Electronica 2004
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Festival 1979-2007
 

 

Klang und Zeichen
zur Einheit akustischer und visueller Ereignisse

' MikoMikona MikoMikona

Die Arbeit von MikoMikona im Transformationsfeld von Grafik und Klang zeigt einen Weg auf, der Geschriebenes und Realisiertes auf originelle Weise ins Spiel bringt: Als „Partituren“ verwendet das Künstlerduo MikoMikona in den „Fouriertanzformationen“ Rastergrafiken, die als Instrument für den Klangentstehungsprozess verwendet werden. Versehen mit der Anweisung, mit Hilfe dieser auf durchsichtige Folien aufgezeichneten Bildstrukturen Interferenzen zu erzeugen, die durch Overheadprojektoren als Lichtspiel auf eine Leinwand projiziert werden, haben die vorbereiteten Grafiken den Charakter wenn nicht einer Entwurfs-, so doch einer Aktionsschrift, die – vergleichbar mit Griffnotationen für Saiteninstrumente – eine bestimmte Ausführung des zu Spielenden vorgibt, ohne die konkrete Ausführung bis ins Letzte zu determinieren.

Mit Hilfe einer selbst entwickelten Schaltung werden die an eine Wand projizierten Interferenzen in akustischer Signale umgewandelt, deren niederfrequente Anteile über eine Verstärkeranlage hörbar werden. Die von MikoMikona erzeugten Interferenzen finden ihr musikalisches Äquivalent in der Schwebung, die entsteht, wenn man zwei Töne mit geringfügig unterschiedlicher Frequenz überlagert. Schwebungen werden bekanntlich zum Einstimmen von Instrumenten genutzt, aber auch zur Erzeugung synthetischer Basstöne im Orgelbau, wo mittels zweier 16’ Pfeifen, die um eine Quint gegeneinander verstimmt werden, ein schwebend tiefer 32’ Klang erzeugt wird.

Die direkte Umsetzung von Bild- in Audiosignale mittels der optisch-akustischen Schaltung führt vor dem Hintergrund der Äquivalenz grafischer und musikalischer Schwebungen zu einer weiteren Interferenz: Die durch die elektrische Schaltung und die unterschiedlich rasche Ausbreitung von Licht und Schallwellen minimal verschobenen Schwebungsereignisse auf Bild- und Tonebebe erzeugen bei ihrer Zusammenführung im Bewusstsein des Betrachters/Zuhörers eine synästhetische Schwebung. Klang und Bild sind für einen Moment gegeneinander versetzt und erzeugen eine interferierende Spannung. Diese sich nur der höchsten Aufmerksamkeit erschließende Interferenz zweier grundverschiedener Sinneswahrnehmungen ist für den Betrachter/ Zuhörer jedoch nur im Zustand vollkommener Konzentration erfahrbar. Glückt sie, ermöglicht die Schwebung für Momente das Erleben einer übergangslosen Einheit akustischer und visueller Ereignisse. Die Einheit der Sinneswahrnehmung in der Empfindung von Schwingungen öffnet sich gerade durch die Aporie, durch das zarte Schweben der Differenz. Die optisch-akustische Schaltung, mit der die Bildsignale des Overheadprojektors in akustische Schwingungen umgesetzt werden, verwendet elementare Videotechnik. Von einer S/Wkamera aufgenommene Bilder werden an eine Schaltung weitergeleitet, die sämtliche Steuersignale für die optische Umsetzung im TV- bzw. Videobild eliminiert und die reinen Bildinformation zur akustischen Umsetzung weiterleitet. Zu hören ist also das reine Bildsignal.

Hier nun schließt eine letzte intellektuelle Interferenz den Kreis der Fouriertanzformation: Die Bildwiederholfrequenz der Kamera beträgt 50 Hertz – also 50 Halb-Bild-Ereignissen pro Sekunde – und die Zeilenfrequenz 15.625 Hertz. Diese beiden Hertzzahlen markieren als Konstanten der Optik und Akustik koppelnden Kameratechnik zugleich auch die Grenzfrequenzen im Hörspektrum des menschlichen Ohres und bringen optische und akustische Welt zur Deckung. Die Interpretationsmuster „Zufall“ und „höhere Ordnung“ (nach der ein noch unbekanntes Prinzip der Sinnesphysiologie in dieser Übereinstimmung von Gehör und Bildtechnik wirken), sind geeignet, als gleichgültige Interpretationen der Fouriertanzformationen eine intellektuelle Interferenz zu erzeugen, die im Laufe der Aufführung über der Darbietung des Werkes zu schweben beginnt.

Text von Kai Hoelzner (gekürzt)