www.aec.at  
Ars Electronica 2004
Festival-Website 2004
Back to:
Festival 1979-2007
 

 

Das Rheingold


'Johannes Deutsch Johannes Deutsch / ' Ars Electronica Futurelab Ars Electronica Futurelab

Auf Initiative des Brucknerhaus Linz gestalteten Johannes Deutsch und das Ars Electronica Futurelab für die konzertanten Aufführungen von Rheingold eine interaktive computergesteuerte Visualisierung, welche die Besucher des großen Saales mit einer 850 Quadratmeter großen schwarzen Projektionsfläche umschließt. Mit 3D-Brillen ausgestattet, taucht das Publikum ein in die dreidimensionale Erscheinung der virtuellen Götter und ihrer Sphären. Das Ars Electronica Futurelab hat die von Johannes Deutsch vorbereiteten Szenen durch avancierte Computertechnik interaktiv mit der Musik verbunden, wodurch deren Darbietung – Orchester und Solisten spielen und singen live und mikrofoniert – unmittelbaren Einfluss auf das visuelle Geschehen auf der Bühne hat. Somit wird erstmals die musikalische Interpretation eines Dirigenten über sein Orchester und die Solisten zum eigentlichen Dramaturgen der Entfaltung und Modulation der virtuellen Welt.

Rheingold – virtuelle Götterwelt
Die Herausforderung bestand darin, nach einer gründlichen Recherche der musikalischen und dramaturgischen Hintergründe eine neue Richtung zur visuellen Gestaltung von Musik und Drama einzuschlagen. Das künstlerische Konzept ist eine Antwort auf die Struktur der Narration in Rheingold. Diese stellt dem Gesang, der der Handlung im Libretto folgt, die Verweise der Leitmotivik gegenüber, die den Ablauf durch Erinnerungen unterbrechen oder in die Zukunft sehen, um diese voranzukündigen. Um psychoanalytische (Donington, Schickling) und politische Betrachtungen (Mayer) in einer Balance zusammenzubringen und auch szenische Erlebnisse wie den Jahrhundert-Ring von Chéreau zu verarbeiten, war die Entscheidung zu Gunsten eines Ambientes gefallen, welches die Sphären der Götterwelt und die Götter selbst als abstrakte 3D-Welten und Objekte gestaltet.

Diese virtuelle Götterwelt wird interaktiv von der Musik gesteuert und verwandelt. Durch die Präzision der Adaption der neuen Medien ist es möglich, mit Musik direkt dramaturgisch zu arbeiten: Orchester und Solisten können Alberichs Wut rot und röter singen oder ihn sogar Funken sprühen lassen. Wenn der maßlose Anspruch Alberich zum Raub des Goldes treibt, wird währenddessen Alberichs vorwegnehmende Vision des „Ringes“ auf der virtuellen
In der Überzeugung, damit den Vorstellungen der „Musik-Dichter“ und „Musik-Denker“ (Schönberg) näher zu kommen, wird an den beiden Aufführungen des Brucknerfestes „Wagners Bühne zum Podium für eine Art szenischen Konzertes [...] der radikalsten Inszenierung der Musik“ (so Mauricio Kagel in Bayreuth 1982). Kagels – stellvertretend für viele Musik-Dichter – ebenda geäußerter Wunsch „einmal Wagners Sehnsucht nach dem Absoluten auf der Bühne verwirklicht zu sehen“, wird realisiert: „Die Sänger befinden sich fortwährend auf einer vollkommen verdunkelten Bühne. Manchmal werden die Aktionen jedoch ausgeführt, damit die Zuseher in den Genuss der Illusion einer möglichen Handlung kommen.“

Die Genealogie der vorliegenden in Stereo projizierten Raumkonstruktion dieser virtuellen 3Dwelt verweist nicht nur auf ihre frühen Vorläufer – die Panoramen des 19. Jahrhunderts –, sondern auch auf spätere Vorbilder wie auf die Avantgardebühnen der russischen Konstruktivisten zu Anfang des 20. Jahrhunderts und im besonderen auf die wandelbaren Bühnen Friedrich Kieslers aus den Jahren 1926/27 und 1949.