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Ars Electronica 2004
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Festival 1979-2007
 

 

Johannes Deutsch
Changieren als Methode

'Monika Leisch-Kiesl Monika Leisch-Kiesl

Seit den späten 80er Jahren changiert Johannes Deutsch zwischen den Medien Malerei, Computerbild, Skulptur und (im weitesten Sinne) Architektur. Dabei interessieren ihn primär zwei Fragestellungen: die Entstehung und Veränderung von Vorstellungsbildern und die Korrelation von Innenraum und Außenraum. Deutsch erprobt die Möglichkeiten von Farbe und Licht als Bedingung für Raum und Figur, einerseits als Leinwandbild, andererseits als dreidimensionales Objekt (Raumbilder, Raumschichtenbilder). Dabei verlässt er entschieden das perspektivische Sehen und sucht im Schichtenraum eine gegenwärtiger Zeit- und Raumerfahrung adäquate Entsprechung.

Parallel hierzu arbeitet er an den spezifischen Möglichkeiten des Computerbildes. In der digitalen Bearbeitung von Fotos fragmentiert und verformt der Künstler Wirklichkeitszitate so, dass die Grenzen von Mensch und Architektur, aber auch von gegenständlichen (Augen, Nasen, Lippen, Händen, Betonteilen und Metallobjekten) und abstrakten Elementen (Farbflächen, Lichtwirkungen, Texturen) wohl gegeben, doch nicht mehr fassbar sind.

In den 2004 erstmals präsentierten Glasschichtenobjekten assemblierte Johannes Deutsch die Druckmatrizen seiner ersten Computerbilder aus den frühen 90er Jahren neu. Gleich einem Palimpsest liegen bis zu 20 Schichten hintereinander und verändern ihre Wirkung je nach Vorderund Rückseite, Beleuchtungssituation und Lichteinfall. „Die Computerbilder meiner Glasschichtenobjekte sind figürlich – fast märchenhaft. … Die Farbwirkung dieser Objekte ist Schwankungen unterworfen und hängt vom Lichteinfall ab. Die Bildobjekte weisen Parallelen zu mittelalterlichen Glasfenstern auf: Im Gegenlicht betrachtet, leuchten sie aus der Tiefe ihrer Schichten. Vom Licht beschienen, sehen die Farbfolien opak und matt aus – sind voller Spuren ihrer diaphanen Beschaffenheit“, kommentiert der Künstler. Die ihn seit den späten 80er Jahren beschäftigenden Fragen nach der Rolle individueller und kollektiver Erinnerung für die Entwicklung von Vorstellungen sowie die Erfahrung von Wirklichkeit werden auf neue Weise durchgespielt.

Auch technisch greift Deutsch auf seine Anfänge zurück, indem er diese figuralen, mehrschichtigen Bilder in handgefertigten Holzrahmen präsentiert. Augenzwinkernd operiert er mit traditionellen Kunstformen – nachdem er die Möglichkeiten immaterieller Bilderfahrung bis an die Grenzen ausgelotet hat (und dies auch noch weiter verfolgt). Die Notebooks (ca. 30 x 40 cm) und die Stelen (ca. 150 cm hoch) zitieren explizit bürgerliche sowie repräsentative Kommunikationsformen von Kunst. Erstere spielen mit der Tradition des Familienfotos und thematisieren gleichzeitig Erfahrungen täglicher Bildschirmarbeit. Die Stelen agieren zwischen antiken Säulenordnungen und Konventionen des Denkmals – sind Raum bestimmend, vom Sujet her zunächst lapidar. Als Denkmäler stoßen sie den Betrachter zurück auf subjektive Befindlichkeiten. In ihrer märchenhaft traumartigen Bildenergie überschreiten sie wiederum die plastisch architektonische Begrenzung.

Präsentiert in Hörsälen und Gängen sowie Büroräumen einer geisteswissenschaftlichen Universität operieren sie unentwegt an den Grenzen des Öffentlichen, Halb-Öffentlichen und Privaten, an den Übergängen und Brüchen zwischen Traditionen und Gegenwart.