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Ars Electronica 2004
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Noch nicht versöhnt: Das Museum und die Medienkunst


'Stella Rollig Stella Rollig

Vier Jahrzehnte Video, Expanded Cinema, Projektoren, Monitore, Projektions- und Interaktions-Oberflächen als zentraler Bestandteil der künstlerischen Produktion und des Ausstellungsbetriebes. Und immer noch ein Problem für das Museum. Nicht einfach zu handhaben für AusstellungsmacherInnen und Sammlungsverantwortliche. Eine Herausforderung für ein Publikum, das andere Usancen der Kunstbetrachtung internalisiert hat, als sie zeitgebundene und Licht- (besser Abdunkelungs-)abhängige Präsentationen verlangen.

Museumsneubauten, selbst solche des beginnenden 21. Jahrhunderts wie das Lentos Kunstmuseum Linz, sind nach wie vor unzureichend gerüstet für Kunstwerke, die sich als schwierige Nachbarn gerieren. Die geschlossene Fensterläden verlangen, wo die anderen sich im Tageslicht von ihrer besten Seite zeigen, und die sich möglicherweise erst dann adäquat entfalten, wenn man ihnen ein geräuschvolles Dasein erlaubt.

Meist handelt es sich um Video-Arbeiten: Im Kontext von Museen und Ausstellungen ist Medienkunst in den meisten Fällen synonym mit Videokunst. Interaktive elektronische Arbeiten, Netzprojekte, Software-orientierte Untersuchungen sind im musealen Mainstream des Kunstbetriebs immer noch Randerscheinungen. Nach wie vor ist in der so genannten Hochkultur jene Kunst marginalisiert, die mit den Mitteln neuester Technologien deren Möglichkeiten auslotet und ihre Auswirkungen auf Mensch und Gesellschaft untersucht.

Linz ist die international renommierte Ausnahme, die diese Regel bestätigt. Bereits vor erstaunlichen 25 Jahren hat die Linzer Kulturpolitik mit Ars Electronica ein Festival für Kunst, Technologie und Gesellschaft gegründet, dem mit dem Ars Electronica Center mittlerweile ein eigenes Museum zur Verfügung steht. Diese Nachbarschaft von Ars Electronica Center und Lentos Museum erlaubt, ohne dogmatische Abgrenzung, eine Aufgabenteilung. Das Lentos kann in dieser partnerschaftlichen Situation im Jahresbetrieb einen Schwerpunkt auf Videokunst legen. Dass das Museum im Jubiläumsjahr als Schauplatz für die retrospektive Ausstellung des Festivals fungiert, ist ein schönes Zeichen für die Kooperation der beiden Institutionen.

Den heute bereits historischen Medien Film und Video kommt in der Medienwelt des 21. Jahrhunderts hohe Relevanz für zeitgenössische künstlerische Formulierungen zu. Wer sich mit aktueller Kunst befasst, kann sie nicht ignorieren. Doch noch ist jede Ausstellung von Medienkunst eine Gratwanderung zwischen dem Bestmöglichen, dem Machbaren und dem (leider all zu oft realisierten) Unzulänglichen. Die Erlebnisse der letzten Kategorie sind BesucherInnen leidvoll geläufig: Monitore auf dem Abstellgleis, bleiche Projektionen, schlechte Bildqualität, stickige schwarze Kammern, Geräuschkulissen, die sich vor den Gesamtraum schieben. Zum Teil schulden sich diese Ärgernisse räumlichen, technischen und damit verbundenen finanziellen Bedingungen. Diesbezüglich zumindest gibt es Grund zu Optimismus. Allein in jüngster Vergangenheit hat die Entwicklung lichtstarker Beamer zu erschwinglichen Preisen und die Ablöse des rasch verschleißenden Videobandes durch die präzise und durchhaltestarke DVD den Sehgenuss wesentlich erhöht. Es müssen also nicht mehr flimmerige, farbverfälschte, unscharfe Bilder sein, die dem Widerstand gegen Laufbilder in der Kunstausstellung Nahrung liefern.

Zum anderen Teil liegt die nachlässige Präsentation wohl auch in einer (mehr oder weniger bewussten) Hierarchisierung der künstlerischen Gattungen begründet. Hängt je ein Gemälde auf dem Gang zu den Toiletten? Undenkbar für die „Königsdisziplin“ der bildenden Künste. Nicht selten allerdings sind wir in den toten Winkeln von Ausstellungshäusern einemMonitor oder einem Rechner begegnet. Die hartnäckige unterschwellige Geringschätzung der Medienkunst in vielen Institutionen überträgt sich zwangsläufig auf das Publikum. Vorbehalte gegenüber Medienkunst sind die Tiefwurzler unter den schwierig auszurottenden, wild wuchernden Präsumtionen gegenüber zeitgenössischer Kunst. Nicht nur vom breiten Publikum, auch von Fachleuten ist fort während das Urteil zu hören, der Besuch dieser und jener Ausstellung sei von zu viel Medienkunst getrübt gewesen. Die Vermutung liegt nahe, dass die Nähe zur kommerziellen, populären Kultur den diagnostizierten Widerstand erzeugt. Kunst soll immer noch etwas „Eigenes“ sein, etwas „Anderes“, und das möglichst unmissverständlich.

Vielleicht aber ist ein zeitgenössisches Kunstwerk gerade dann interessant, wenn es auf traditionelle Kunsthaftigkeit (als Gemälde, als Skulptur) verzichtet. Damit exponiert es sich nicht nur selbst in einem erst zu definierenden Status, sondern es fordert zu generellen Überlegungen zum Besonderen, zu den Distinktionskriterien von Kunst auf, lässt Inhalte und Methoden erkennen, die Kunst als kritisch-analytisches Werkzeug ausweisen. Videokunst, die ihr Medium mit den kommerziellsten, plattesten, am weitesten verbreiteten Produkten der profitorientierten Massenkultur teilt, wagt sich mit ihren Bildern, Inhalten und Erzählformen auf beträchtliche Distanz zu den Insignien der Hochkunst. Wie weit kann sie sich davon entfernen, ohne banal zu werden? Der Großteil der aktuellen Videos, ob einkanalig oder als raumgreifende Installation konzipiert, orientiert sich am Dispositiv Kinofilm.

Für die frühe Videoarbeit der 1970er Jahre waren vor allem die Analyse des Kinoapparats, von Raumillusion und Zeitverschiebung sowie die Kritik an den (vorwiegend von Männern autorisierten) Zurichtungen des Blicks durch Darstellung und Montage von Laufbildern maßgeblich (Dan Graham, Valie Export, Martha Rosler, Eleanor Antin, zum Beispiel). Derartige Untersuchungen sind zwar nicht obsolet, doch etwa seit Mitte der 1990er Jahre orientiert sich die künstlerische Videoproduktion überwiegend an den visuellen und narrativen Konventionen des kommerziellen Films und Fernsehens. Für die Arbeit zahlreicher der international erfolgreichsten KünstlerInnen lässt sich dieser Bezug feststellen: Stan Douglas, Eija-Liisa Ahtila, Shirin Neshat, Isaac Julien – um wiederum nur ein paar VertreterInnen zu nennen. Oder Darren Almond, dessen Installation Live Sentence während der Ars Electronica 2004 im Lentos Museum zu sehen ist. Diese bezieht sich auf die Visualität von Überwachungs- und Strafsystemen und adaptiert dafür Blickwinkel, mit denen allgegenwärtige Kontrollsysteme operieren.

Indem sie geläufige Bildmodelle verwenden, bestätigen KünstlerInnen die Rolle der visuellen Botschaft als dominierendes Kommunikationsmittel der Gegenwart. Sie wissen auch, dass Bildmedien angewiesen sind auf die Verwendung vergröberter Stereotypen und auf endlose Wiederholungen und dass dadurch in einer Gesellschaft kollektive Werte hergestellt werden. Konsensualen Gebrauch und Interpretation eines Bildes zu subvertieren, das macht Medienkunst spannend. Mit dem Magnetismus des Lichtbildes stört sie als strahlende Verführerin bequemen Bilderkonsum und gewohnte Überzeugungen. Das Museum ist dafür ein guter Ort.