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Ars Electronica 2004
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Watchful Portrait


'John Gerrard John Gerrard

Watchful Portrait repräsentiert die Abkehr von einer künstlerischen Praxis, die speziell an der Partizipation des Menschen interessiert ist und auf diese reagiert. Es basiert auf einem neuen Paradigma, wonach sich das Werk an der Welt in ihrer Gesamtheit orientiert, an einer Welt, in der die Menschheit Teil eines größeren Systems ist. Die Arbeit besteht aus zwei Porträts, Echtzeit-3D-Modellen, einer jungen Frau namens Caroline, die jeden Tag, jede Nacht den Lauf der Sonne und des Monds verfolgt. Diese Porträts können über zwei schwenkbare Bildschirme betrachtet werden. Eine Drehung der Bildschirme ermöglicht dem Publikum, das Porträt aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, während es statisch in seiner Aufgabe verharrt.

Watchful Portrait – paradoxerweise in vielen Aspekten im selben System verankert und auch von diesem abhängig – versucht außerhalb der alles umspannenden Parameter der menschlichen Weltsicht zu wirken. Die Arbeit versteht sich in erster Linie als wohlwollender digitaler Wächter, der sein Augenmerk auf das Allumfassende richtet. Es ist von der Janusfigur der römischen Mythologie beeinflusst, die Form lässt – obwohl einem rationalen und nicht einem spirituellen Denkmodell verpflichtet – an religiöse Ikonografie denken.

Janus, eine interessante Figur, war der Gott des Tags und der Nacht, der Anfänge, der Eingänge und Tordurchgänge. Seine Doppelgesichtigkeit ermöglichte ihm sowohl einen Blick in die Zukunft als auch in die Vergangenheit und die Kontrolle über Veränderungen und Übergänge. Diesen Kontext berücksichtigend, hat das Publikum die Wahl, von Watchful Portrait entweder die leere und minimalistische Rückseite des Bildschirms oder das Porträt zur Galerie hin sichtbar zu belassen. Die Position hat jedoch keinen Einfluss auf die Aktivitäten des Objekts. Vielleicht ist dies ein passender Kontext für eine Zeit, in der die Realität des Kriegs eine Frage des Glaubens oder auch der Wahl sein kann. Ich bin mir nicht sicher, ob viele wirklich verstehen, wie der allumfassende Krieg gegen den Terror tatsächlich funktioniert und auf welchen Ebenen wir in diese Prozesse verstrickt sind.

In seiner Ausführung setzt sich Watchful Portrait auch mit neuen Parametern skulpturaler Medien auseinander, mit Echtzeit-3D-Objekten, die mit Hilfe von Position- oder Motion-Sensing-Systemen als physische Konstruktionen visuell, ja taktil erfahrbar sind. Die Entwicklung des 3D-Objekts, die durch Game-Engines beschleunigt wurde, brachte eine ganze Reihe neuer zeitlicher und konzeptueller Kontexte, die interessante Forschungsbereiche für Künstler sind. Sie unterscheiden sich signifikant von jenen älterer zeitleistenbasierter Medien, da sie keine endliche, begrenzte Dauer haben – sie existieren einfach, bis sie durch eine Katastrophe oder durch Gleichgültigkeit vernichtet werden.

Aus dem Englischen von Martina Bauer


Concept: John Gerrard: Interaction design: Erwin Reitböck; 3D portrait development;
Werner Pötzelberger and John Gerrard.
This work was made within the Siemens Artist-in-Residence program at the Ars Electronica Futurelab.