Von der Hybridisierung über die Transfiguration zur Kommunikratie
'Vincenzo Susca
Vincenzo Susca
Was sich abzeichnet, ist ein Subjekt oder vielmehr eine Subjektivität, wie sie bis jetzt noch nicht existierte, die nur durch die heutige technologische Innovation zum Leben erweckt und in der Welt freigesetzt werden könnte. Alberto Abruzzese
Dass die Politik in einer Krise steckt, ist in der Sozialwissenschaft hinlänglich bekannt; auch der journalistische Diskurs ist davon geprägt, ebenso wie die Aussagen vieler Wissenschaftler, die sich immer noch für die Weltregierung oder für das „Weltdenken“ – was im Grunde ja das Gleiche ist – verantwortlich fühlen. Was jedoch wirklich zählt, ist, wie ein Politiker wahrgenommen wird, und dies beruht auf kollektiven Erfahrungen, die dort gemacht werden, wo sich die Handlungen des sozialen Lebens verflechten und die Codes und Sprachen der kollektiven imaginären Welten ausgearbeitet werden. In diesem viskosen Bereich, in dem es schwierig erscheint, scharf abgegrenzte Identitäten auszumachen, wo man gezwungen ist, abstrakte Richtlinien festzulegen und wo man sich anmaßt, die kulturelle Bedeutung des „einfachen Lebens“ gering zu schätzen, erkennt man die augenscheinlichsten – für manche sogar die skandalösesten – Anzeichen für die fortschreitende Sättigung des Politikers (Maffesoli, 1992).
In der Tat ist die soziale Veränderung wahrscheinlich eine der wenigen Konstanten der historischen Evolution. Der Politiker, der schon seit dem 18. Jahrhundert Herz und Seele der sozialen Organisation war, hat heute stark an Bedeutung verloren, ja, er hat sogar Schwierigkeiten damit, seine eigentliche Rolle wieder zu finden und versucht mehr schlecht als recht, an seine hohe Stellung aus früheren Zeiten anzuknüpfen. Die Energie der Gesellschaft projiziert sich nicht mehr nach außen, sie versucht auch nicht mehr, sich in politische Projekte zu integrieren, sie verweigert Metaerzählungen (Lyotard, 1986), flüchtet aus dem strengen Rahmen der Nationalstaaten und stützt sich statt dessen auf sich selbst, bewertet das Hier und Jetzt des täglichen Lebens, das sogar zum Heiligtum erklärt wird, aktiviert ein ständiges Spiegelspiel mit den Ikonen des kollektiven Imaginären und weicht dabei der abstrakten Moral und der starren Moral des modernen Macht-Wissen-Konzepts (Foucault) aus.
Es bedarf keiner bestimmten soziologischen Umfragen, um zu verstehen, wie die Gemeinschaft denkt und fühlt; es reicht, wie Morin schon zu Recht feststellte, sich die großen Boulevards der Massenkultur genauer anzusehen, die Unterhaltungen mitzuverfolgen, die lautstark aus den Cafes zu hören sind, sowie die ausdruckstärksten Symbole der postmodernen imaginären Welt zu decodieren. In diesem Zusammenhang wird es auch immer sinnvoller, sich mit Kommunikationsplattformen und Lebenswelten auseinanderzusetzen, die losgelöst sind, asynchron, in offensichtlichem Konflikt zueinander, um – wenn auch mit vielen Differenzen – eine indikative Konvergenz festzustellen, die vor allem antipolitisch und, noch viel radikaler ausgedrückt, „transpolitisch“ ist – ein Terminus, der insgeheim für die Entstehung neuer Welten steht.
Die Tausenden von Websites, die dazu da sind, um sich über den Politiker lustig zu machen, ihn zu beleidigen und neu zu erfinden, die schlechten und dennoch hämmernden Bilder des Fernsehens, gespickt mit Satire und immer öfter darauf aus, wenn auch in abgeschwächter Form, nicht mehr nur den Körper des Königs oder der Stars zur Schau zu stellen, sondern ebenso das „nackte Leben“ der Durchschnittsmenschen, die Spielchen und die respektlosen Witze, die via SMS verbreitet werden, die Werbeplakate, die ignoriert, verspottet und sogar öffentlich beschimpft werden, sind ebenso Anzeichen für einen Erdrutsch: die große Diaspora der politischen Vertretung, die Verweigerung des „Fetischs“ der Demokratie und der Wunsch, die verschwundenen Elemente der westlichen Moderne wieder zum Vorschein zu bringen: die Scheinwelt, das Spiel, das Sinnliche, den Körper mit seinen vielfältigen Ausdrucksformen, die Emotionen des täglichen Lebens.
Durch seine skandalöse Figur der Lady Chatterley versuchte D. H. Lawrence eben dies auszudrücken: „Gebt mir die Demokratie der Beziehungen, die Auferstehung des Körpers!“ Sie war sich der Bedeutung dieser Worte nicht wirklich bewusst, aber es bestärkte sie in ihrem Tun, so wie es bisweilen in der Natur der unverständlichen Dinge liegt (1961). Interessant dabei ist, wie der Autor die Aufmerksamkeit konzentriert, nämlich durch drei bestimmte Elemente: die „Beziehungen“ als Wurzel und Herz des kollektiven Lebens; die „Wiederauferstehung des Körpers“, was die dringende Notwendigkeit beschreibt, seine Befindlichkeiten von biopolitischen Zwängen zu lösen, die ihn in eine Ordnung und in ein Projekt hineinpressen wollen; die unkonventionelle Figur der Frau, die nicht rein zufällig durch Betrug und dadurch, dass sie sich sinnlichen Freuden hingibt, gegen die bürgerlichen Moralvorstellungen und Regeln verstößt. Auf diese Weise kündigen sich die Krisen des großartigen demokratischen Erziehungsmodells an, genauso wie die Viren seiner Korruption und die Elemente seiner Verzerrung-Überwindung freigesetzt werden.
Die Stärke des Paradoxons: Genau dann, wenn offensichtlich das politisch-demokratische Modell des Westens der letzte Garant für eine mögliche Ordnung und Glückseligkeit zu sein scheint, missachten es die Völker, die ihm eigentlich mit Enthusiasmus zujubeln sollten, und verstoßen es sogar öffentlich. Der allgegenwärtige Krieg ist die einzige Strategie, mit der es dem Großteil der herrschenden Klassen, die die Repräsentanz des Westens simulieren, gelingt, das demokratische Paradies zu verbreiten bzw. anderen aufzuzwingen, indem sie sich dem Instrument schlechthin bedienen, der Negation. Hier erscheint das Paradoxon sogar noch teuflischer: Man exportiert die Idee der Demokratie als höchstes Gut, um sie im Namen der Sicherheit innerhalb der demokratischen Staaten dann doch wieder zu negieren.
Diese Operation hatte bereits stattgefunden, ohne jedoch die Unbeugsamkeit des Lebens in Betracht zu ziehen, den „Widerstand des Fleisches“, der sich immer und überall den Handlungen der imperialen Kriege und den diesen Kriegen zugrunde liegenden Ideologien widersetzt. Die Konsumgesellschaft, die Cyberkulturen sowie die Zivilbevölkerung der Länder, die mit dem Fetisch der Demokratie „ausgezeichnet“ sind, verweigern dieses „Paket“ und senden es an den Absender zurück. Sie haben bereits transpolitische Lebensformen und imaginäre Welten erarbeitet, die von den Dynamiken der Macht abrücken, sie lassen eine andere symbolische Ordnung entstehen. Laut Carl von Clausewitz ist Krieg die bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln oder, etwas präziser formuliert: Der Krieg manifestiert offen die biopolitische Berufung der Moderne, die früher durch Kleidung oder rhetorische und weniger unverschämt gewalttätige Strategien kanalisiert werden konnte (zumindest was ihre Form betrifft).
Das ist die obskure Hybridisierung des modernen Politikers, das erste der beiden Gesichter des Zentauren: der Krieger, der Wächter des höchsten Guts, der Engel, der sich mit dem Geist des Gekreuzigten in die irreversible „Auseinandersetzung zwischen den Kulturen“ begibt. Die einzige Strategie, die der politischen Ordnung, so wie wir sie bis jetzt kennen gelernt haben, und zwar mit all ihren Machtverhältnissen und Privilegien, das Weiterbestehen ermöglicht, besteht darin, die Messer zu wetzen und die notwendigen gehorsamen Subjekte ins Feld zu schicken (Hardt, Negri 2004).
Um so agieren zu können, ist es notwendig, das soziale Szenario beinahe völlig zu verfälschen; dazu muss man den manichäischen Konflikt zwischen zwei imaginären Subjekten wieder aufleben lassen, der der perversen Fantasie desjenigen entspringt, der weiterhin die Welt dominieren und sie nach bequemen, kontrollierbaren Schemata steuern möchte: „wir“ gegen „sie“. Hierbei ist nicht wesentlich, dass es in Wirklichkeit keine sozialen Subjekte mehr gibt, die in ein kollektives Identitätsschema einzuordnen sind, außer es handelt sich um eine Sippe (wie die Netze oft bezeugen, ist es dafür nicht notwendig, sich physisch an einem Ort statisch aufzuhalten), eine Emotionsgemeinschaft, eine temporäre autonome Zone oder eine Gruppe, die sich an einem bestimmten Ort zusammengefunden hat.
Es ist auch nicht wesentlich, dass die postmoderne Kultur genau am Punkt der Implosion der modernen Dichotomien entsteht: Masse/Elite, Mann/Frau, Orient/Okzident, Person/Politiker, Schriftsteller/Leser. Die Hybridisierung des Politikers mit dem Krieger signalisiert, dass der Konsens hinsichtlich der konstituierten Ordnung nicht mehr natürlich ist und auch nicht der anthropologischen Konfiguration des postmodernen Lebens entspringt, dem umgekehrt wiederum ein transpolitischer „Wille zur Macht“ sowie der stets evidente Wunsch zu eigen ist, den sozialen Beziehungen, den beschleunigten und durch die Medien verbesserten Kommunikationsformen, den Kommunikationsmitteln wie dem Blog – allesamt Dinge, die eine kreative Zerstörung des ehemaligen öffentlichen, bürgerlichen Lebens erlauben (Habermas 1962) – die eigene spezifische Rolle im gesellschaftlichen Produktivitätsprozess zurückzugeben.
Hinter dem hybriden Politiker-Krieger erkennt man leicht den Widerstand einer Welt, die von den Techno-Kulturen bereits als veraltet betrachtet und sukzessive in den Untergang getrieben wird. Bereits im Jahr 1964 schrieb McLuhan: „Der ganze Konservatismus der Welt kann der ökologischen Flut der neuen Medien nicht einmal symbolisch Widerstand leisten“ (1982). Das System der Medien als Ausdruck des kollektiven Imaginären beschleunigt die Auflösung des Politikers und fördert das Aufkommen neuer Subjektivitäten, die idiosynkratisch auf seine Vorgaben reagieren (Abruzzese, 1996). Unsere Gleichzeitigkeit zeigt auf außergewöhnliche Weise die progressive Tendenz (bzw. das progressive Wissen) der Alltagskulturen, sich die Kommunikationstechnologien und, allgemeiner gesprochen, das gesamte System dieser Objekte wieder auf kreative Weise zunutze zu machen (Maffesoli, 2003).
Das führt zum Beispiel dazu, dass das Netz der symbolische Ort schlechthin für die Entwicklung von neuartigen Lebens-, Kultur- und Beziehungsformen geworden ist, die mit den Eckpfeilern der westlichen Modernität unvereinbar sind: die Ordnung der Nationalstaaten, die starre und vorbestimmte Identität, die politische Vertretung, die Ideologie sowie die Wissensmacht einzelner über den Konversations-Beziehung vieler. Diese Aufzählung zeigt uns, warum sich die Hybridisierung des Politikers in Wirklichkeit als Schwäche darstellt und insgeheim auf dessen immanente Katastrophe anspielt, die vor allem durch jene Werkzeuge hervorgerufen wird, die er selbst entwickelt hat, um sich das Überleben für alle Ewigkeit zu sichern.
Aus dem gleichen Grund ist die Biopolitik gezwungen, sich an der Biomacht zu orientieren: Aus dem System, das sich im Grunde mit dem bloßen Überleben zufrieden gibt, entwickelt sich eine Maschinerie, die dazu tendiert, sich in den Menschen zu replizieren und das Leben zu gestalten und nicht bloß zu verwalten. Gemäß Baudrillards scharfsinniger Behauptung ist das kollektive Imaginäre gegenüber jeglicher Form des Totalitarismus (1977) beständig, es lässt sich nicht auf Machtkategorien reduzieren und wehrt im Spektakel jeglichen Druck, der auf es ausgeübt wird, ab. Jene, die in der Vergangenheit verächtlich als „entfremdete Massen“ bezeichnet wurden, die sich im Laufe der Zeit – in der wissenschaftlichen Vulgata – zur Öffentlichkeit, zu Konsumenten, zu Multituden oder zu Smart Mobs transformierten, sind nun nichts anderes mehr als „disjunktive“ Subjektivitäten (Appadurai, 1996, 1998), die übermäßig deutlich demonstrieren, dass sie weder Anweisungen noch Gesetze oder Erkenntnisse akzeptieren, die außerhalb ihrer Selbsterfahrung liegen, von den eigenen experimentellen Formen abgerückt sind und auf eine abstrakte Zukunft abzielen.
Wenn wir die Transfiguration des Politikers verstehen möchten, müssen wir uns also auf die sozialen Verflechtungen und Beziehungen konzentrieren, auf die Scheinwelten, die Kommunikationsformen, die Feste, die Tragödien und die Banalitäten, die die Katalysatoren und Auslöser der sozialen Energie sind – auf die strukturellen Elemente des Zusammenlebens, wodurch die Welt aufs Neue verzaubert wird (Maffesoli, 2003). Aus diesem „Nichts“, aus der Lebhaftigkeit des Alltags entstehen die Fragmente der neuen Zeit – angefangen von seinen spielerischen und dyonisischen Aspekten über die „Un-Sinnigkeit“ der Kommunikationsformen der westlichen Welt bis hin zum „Körper-an-Körper“ der „konnektiven Intelligenz“ (De Kerckhove, 1997) –, und wir können die beweglichen, transitorischen, schwachen Formen der Macht erahnen, die den Stahlkäfig der Modernität korrodieren lassen.
Bis jetzt haben wir uns auf das erste Gesicht des Zentauren konzentriert, auf die dunkle Seite der gegenwärtigen politischen Hybridisierung, auf jene, die das Bild des Kriegers widerspiegelt. Parallel dazu existiert auch der verführerische und strahlende Aspekt der Macht. Um die Aggressivität der zuvor beschriebenen Seite auszugleichen und gleichzeitig den Sog des postmodernen Imaginären zu akzeptieren und aufzunehmen, mutiert der Politiker zu einem Schauspieler. Das Fernsehen hat den Politiker dazu aufgefordert, sich „abzukühlen“ (McLuhan) beziehungsweise sein strenges Image und die Endgültigkeit der Inhalte, die verbreitet werden, aufzulockern, um dem Zuschauer die Möglichkeit zu geben, auf die Botschaft zu reagieren.
Wie Meyrowitz bereits aufgezeigt hat, fördern der Bildschirm und die strukturellen Merkmale seiner Botschaft sowie die von ihm getragene Kultur die Diskussion über die traditionelle Generationen- und Geschlechtertrennung sowie die Zurschaustellung des Privatlebens des führenden Politikers (die Seitenbühne, Meyrowitz 1989). Letzterer wird immer mehr gedrängt, den Mann des Volkes zu mimen und nicht den Helden. Bei genauerer Betrachtung sind wir ja schon viel weiter. Die Zentralität des Spektakels hat sich tatsächlich schon alle sozialen Bereiche einverleibt, ohne sich jedoch an Guy Debords (1996) apokalyptische Vorhersagung zu halten, der diese Einrichtung als ein Machtinstrument begreift, das uns die Regeln der Herrschaft und deren spontane Akzeptanz auf subtile und unterschwellige Art und Weise aufzwingt. Wir haben es jedenfalls definitiv mit einem Macht-Spektakel zu tun, mit einem politischen Universum, das sich, um die eigenen Bedürfnisse zu stillen, der Sprachen des kollektiven Imaginären bedient, sich mit den Stars der Massenkultur vermischt und, genauso wie die Tageszeitungen, die Leidenschaften, Launen und Exzesse der Körper zur Schau stellt. Kurz vor den letzten Wahlen in Großbritannien berichtete Mrs Blair öffentlich über das Liebesleben des Premierministers, dass er imstande sei, „fünf oder sechs Mal pro Nacht“ zu kommen und auch durchaus seinen gut durchtrainierten behaarten Oberkörper auf den Titelseiten der nationalen Presse und in den Fernsehbeilagen zur Schau stellen kann. Unmittelbar nach der Katastrophe des 11. Septembers bedient sich G. W. Bush der Sprache Hollywoods und gibt sich wie der Staatschef aus Independence Day, benennt Kriegshandlungen nach Videospiele und wählt den epischen Tonfall der Kreuzritter. Während des letzten Wahlkampfs, der von schwachen und nichtssagenden politischen Inhalten geprägt war, führte er seine „glückliche Familie“ vor, die stets bereit war, ihn zu unterstützen, außerdem kleidete er sich des Öfteren wie ein Cowboy. Um das Publikum ja nicht zu enttäuschen, meldete sich kürzlich Mrs Bush während einer öffentlichen Pressekonferenz unerwarteterweise zu Wort und bezog sich explizit auf die Fernsehserie Desperate Housewives (nicht rein zufällig bedient man sich ständig der Scheinwelt des Fernsehens).
Sie vertrat die Ansicht, dass im Grunde ja auch sie eine verzweifelte Hausfrau sei und von ihrem Ehemann vernachlässigt würde, der jeden Abend bereits um 21 Uhr ins Bett geht (wenn der Körper des Politikers nicht mehr ausreicht, um die Aufmerksamkeit des abgelenkten Publikums wieder zu erlangen, werden die Mitglieder seiner Familie mobilisiert; sie fungieren als Prothesen und als Einrichtung, durch die das Zurschaustellen des normalen Lebens des Anführers, seiner Gefühle und seiner Lebensgeschichten, die jenen eines durchschnittlichen Mannes ja sehr ähnlich sind, fortgesetzt werden kann).
In Italien hat Silvio Berlusconi sein politisches Abenteuer von Anfang an als „wunderschöne Geschichte“ verpackt, und es gelingt ihm, seinen eigenen politischen Körper als ein Trugbild der Fernsehscheinwelt funktionieren zu lassen, das von den traditionellen kommunistischen und christdemokratischen politischen Eliten stark unterdrückt und an den Rand gedrängt worden war (Abruzzese, Susca, 2004). Der Cavaliere stützt seine Kommunikationsstrategie auf die Gemeinschaft und die Verführung der Wählerschaft, indem er jeden politischen Anlass zu einem Event oder Spektakel macht, eine emotional bewegende Show abzieht oder sich einen Fauxpas erlaubt, der dem Publikum ein Lächeln entlockt. Die Liste könnte man ewig fortsetzen, auch den Schwarzenegger-Cyborg könnte man inkludieren, die minutiösen Details des Sex Gate, das Charisma und die starke Persönlichkeit des Sarzoky und noch vieles mehr. All dies führt uns das spektakuläre Abdriften des politischen Körpers vor Augen, das Hand in Hand geht mit dessen kriegerischer Transmutation.
So sieht also der Zentauren-Körper im letzten Stadium des Politikers aus: halb Krieger und halb Star. Im Gegensatz zu früher, ist heutzutage in der Politik der Körper zugleich Nachricht und Empfänger der Kommunikation, die nicht mehr darauf abzielt, Gedanken hervorzurufen, und auch nicht darauf, die Zustimmung zu Projekten oder abstrakten Diskussionen zu erhalten, sondern auf Empathie, emotionale Zuneigung und die Verbundenheit des Publikums. Der politische Inhalt hat keinerlei Relevanz mehr und wird nur mehr als Vorwand benutzt; das Regierungsprogramm gibt selten die Seele einer Koalition wider und tendiert immer öfter dazu, das Regierungsprogramm der Opposition widerzuspiegeln, während die Art der Kommunikation und die Symbolik, durch die der Körper des führenden Politikers in Szene gesetzt wird, immer essenzieller wird. Der Körper wird zur gefühlvollen und symbolischen Hülle, dessen Aura versucht, mit dem aktuellen Thema des politischen Diskurses in Kontakt zu treten und es an sich zu binden: die Menschen, die man regieren und nach seinem eigenen Ebenbild reproduzieren möchte.
Dennoch ist es für denjenigen, der den Kommunikationsfluss lenkt, schwierig, die Spirale des Spektakels zu kontrollieren; der produktive Konsum und die kreative Zerstörung sind die Trümpfe des postmodernen Konsums, bei dem die symbolische Scheinwelt konstant arbeitet, indem sie sich die Paarung „Zerstreuung-Zerstörung“ zunutze macht (Susca, 2005). Die Überlebensstrategie des Politikers basiert darauf, sich selbst als Star und Produkt zugleich darzustellen und steuert so auf das gleiche Schicksal zu, das jedes Kulturobjekt erfährt: auf den Konsum im etymologischen Sinn des Wortes: auf Zerstörung, Verschwendung, Vergeudung. Die erregte Zurschaustellung des politischen Körpers zeugt nicht von seiner Potenz, sondern vielmehr von seiner unabwendbaren Krise, während die Körper, die in den globalen Kommunikationsfluss, in Nomadentum und in Tribalismus, im Zusammenspiel der Geschlechter, im Wettkampf, in der Tragödie und in der Kurzlebigkeit unserer Zeit verstreut sind, Raum und Zeit wiedererobern.
Hier haben wir nun die grundlegenden Verbindungselemente des anbrechenden Postmodernismus, das lebendige Fleisch der Kommunikationsgesellschaft, das Kulturverhalten und die Subjektivitäten, die auf ihrem eigenen, zweck- und ziellosen Weg eine neue affirmative Biopolitik suggerieren. Der heftige Druck der Körper kann tatsächlich weder in einen Leviathan noch in abstrakte Projekte, die über das nackte Alltagsleben und dessen frenetische und ungeregelte Rhythmen hinausgehen, integriert werden. Die Politik in Zeiten ihrer digitalen Reproduzierbarkeit bringt also die Auflösung des Rahmens der modernen Macht mit sich und führt zu einer fatalen „Vermengung von Politik und Publikum“. Die aktuelle politische Hybridisierung geht also Hand in Hand mit der Auflösung und Transfiguration des Subjekts der Macht, welches die Modernität im lebendigen Fleisch der Kultur getragen hat, in bisher noch nie da gewesene Subjektivitäten, die bislang keine Geschichte hatten, also in jene, die viele schöne Seelen als die neuen Barbaren stigmatisieren (Abruzzese, 1996).
Der transpolitische Wert der Cyberkultur liegt gerade in ihrer natürlichen Berufung, den Politiker nicht in Kategorien einzuteilen und die eigene Lebensform nicht an jene des Politikers anzupassen, ausgehend vom Sein, vom Konsumieren und Kommunizieren. Die kriegerisch-spektakelhafte Hybridisierung des Politikers ist der letzte verzweifelte Versuch, eine Ordnung zu bewahren, die den sozialen Verflechtungen nicht mehr entspricht und den stattfindenden anthropologischen Veränderungen fremd geworden ist. Die Netze und ihr Imaginäres lassen ein neues transpolitisches Paradigma entstehen, den fatalen Übergang von der Demokratie zur Kommunikratie: ein System, das auf dem Imaginären der Grassroot-Gemeinschaft ( Kommune) beruht, auf der kreativen und unterhaltenden Kraft der horizontalen und glokalen Kommunikation, auf der Gemeinschaft, die ständig ihre Fetische, Symbole, Zuneigungen und Spiele des täglichen Lebens zelebriert.
Wenn es stimmt, dass dieser Terminus auf die Dimension der Macht verweist, dann muss man ebenso darauf hinweisen, dass es sich um eine geschwächte Macht handelt (Vattimo, 1990), die durch die Interaktionen, die das tägliche Leben prägen, relativiert und aufgeweicht wird; eine Macht ohne ihre modernen Merkmale, ohne Transzendenz, Abstraktion und Projektion auf eine ideale Zukunft (Maffesoli, 1992), die eher auf die horizontalen Parameter der von Castells definierten neuen „Morphologie“ der Gesellschaft ausgerichtet ist: auf die Netze. In einer derart neu definierten Gesellschaft „steht die Macht der Ströme deutlich über den Strömen der Macht“ (Castells, 2001).
Die Kommunikratie ist also die liquide Form der Macht der Postmodernität, während die Demokratie ihr festes Gegenstück der Modernität war. Von der kriegerisch-spektakelhaften Hybridisierung des Politikers reiten wir also auf den elektrisch-kulturellen Wellen der Postmoderne zu dessen ihn auflösenden Transfiguration. „Das ist also die Welt des globalen Aufbruchs: der Raum des partes extra partes, der Raum, der von nichts und niemandem dominiert oder getragen wird, ohne jegliche Bestimmung, der nur als immenser Druck der Körper statt findet (Nancy, 2002). Hinter der Maskierung der Macht zeigt sich ein Schatten, und ein gestaltloses Gewimmel und Geschrei kündigt das eigene Kommen an: den biopolitischen Druck des Fleisches der Kultur.
Aus dem Italienischen von Michaela Meth
Abruzzese A., Analfabeti di tutto il mondo uniamoci, Genua 1996 Abruzzese A., Susca V., Tutto è Berlusconi. Radici, metafore e destinazione del tempo nuovo, Mailand 2004 Abruzzese A., Susca V. (Hrsg.), Immaginari postdemocratici. Nuovi media, cybercultura e forme di potere, Mailand 2005 Appadurai A., Modernity at Large: Cultural Dimensions of Globalization, Minneapolis 1996 Appadurai A.,. “Dead Certainty: Ethnic Violence in the Era of Globalization”, in: Public Culture, Durham 1998 Baudrillard J., A l’ombre des majorités silencieuses ou la rin du social, Paris 1977 Castells M., Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft, Wiesbaden 2001 De Kerckhove D., Connected Intelligence, Somerville, 1997 De Kerckhove D., La democrazia in America nell’era del blog, in A. Abruzzese, V. Susca, a cura di, Immaginari postdemocratici, Mailand 2005 Debord G., Die Gesellschaft des Spektakels und andere Texte, Berlin 1996 Esposito R., Bìos. Biopolitica e filosofia, Turin 2004 Foucault M., Überwachen und Strafen, Frankfurt/M 1976 Habermas J., Strukturwandel und Öffentlichkeit, Frankfurt/M 1962 Hardt M., Negri A., Multitude, Frankfurt/M. 2004 Lawrence D. H., Lady Chatterley, Reinbek 1961 Lyotard J. F., Das postmoderne Wissen. Graz, Wien 1986 Maffesoli M., La transfiguration du politique. La tribalisation du monde, Le livre de poche, Paris 1992 Maffesoli M., Notes sur la postmodernité, Paris 2003 McLuhan M., Die magischen Kanäle. Understanding Media, Frankfurt/M. 1982 Meyrowitz J., Die Fernsehgesellschaft. Wirklichkeit und Identität im Medienzeitalter, Beltz, Weinheim/Basel 1989 Morin E., Der Geist der Zeit, Köln 1965 Nancy J. L., Corpus, Zürich 2002 Susca V., La politica nell’epoca della sua riproducibilità digitale. Verso la comunicrazia, in A. Abruzzese, V. Susca, a cura di, Immaginari postdemocratici, Mailand 2005 Vattimo G., Das Ende der Moderne, Ditzingen
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